„Erdrückendes Patriarchat“: Erzbischof von York sieht Vaterunser als „problematisch“

Am Wort „Vater“ im Vaterunser-Gebet nimmt der anglikanische Erzbischof von York, Stephen Cottrell, Anstoß. Es sei „problematisch“ für alle, die unter dem „Patriarchat“ gelitten hätten.
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Das Vaterunser gehört zu den bedeutendsten Gebeten im Christentum. Nun stellen es Kirchen wegen „patriarchaler Bezüge“ infrage.Foto: iStock
Von 14. Juli 2023

Jesus Christus hat nach Ansicht führender Vertreter der heutigen anglikanischen Kirche offenbar unzureichendes Urteilsvermögen bewiesen. Zumindest sei das Vaterunser-Gebet, das auf ihn zurückgeht und im Christentum eine zentrale Bedeutung hat, nach heutigen Standards „problematisch“.

Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtet, hat der anglikanische Erzbischof von York, Stephen Cottrell, bezüglich des Gebets Bedenken geäußert. In seiner Eröffnungsrede vor der Generalsynode der Kirche von England in York hat der Geistliche „patriarchalische Bezüge“ im Vaterunser ausgemacht. Aufgrund dieser könne der Begriff „Vater“ an dessen Anfang „belastend auf Menschen wirken“.

Der Vater als Feindbild in der modernen Kultur?

Das Wort „Vater“ könnte Personen triggern, „deren Erfahrungen mit irdischen Vätern zerstörerisch und missbräuchlich waren“. Gleiches gelte für Menschen, die „etwas zu sehr unter einem erdrückenden patriarchalischen Griff auf das Leben gelitten haben“. Immerhin erklärte er, dass der Vaterbegriff auch positive Bezüge zulasse:

Wenn dieser Gott, zu dem wir beten, der ‚Vater‘ ist, dann sind alle Christen ‚Familienmitglieder im Haushalt Gottes‘.“

Die Pfarrerin Christina Rees zeigte sich von den Ausführungen des Erzbischofs angetan. Immerhin hätten Fälle des sexuellen Missbrauchs durch leibliche Väter und durch Priester dem Thema eine „besondere Schärfe“ verliehen.

Für Kopfschütteln sorgte die Rede hingegen in konservativen Kreisen. Chris Sugden von der Vereinigung „Anglican Mainstream“ meinte, manche Kirchenführer leiteten ihre Gedanken „eher aus ihrer Kultur als aus der Heiligen Schrift“ ab.

Zeitgeistdebatte ohne Rückbindung auf biblische Ursprünge

Die augenscheinlich vom Einfluss des weltlichen Zeitgeistes getriebenen Debatten in christlichen Kirchen deuten jedoch vor allem auf eines hin: den Verlust der Anbindung an die ursprünglichen Quellen des Monotheismus – die hebräische Bibel.

Im jüdischen Mystizismus der Kabbala gilt Gott als „das absolute Wesen“ und das „Unendliche Licht“. Eine Beschreibung sei nur über Eigenschaften und Erscheinungsformen möglich, die dem Menschen fassbar seien.

Insofern wäre eine neutrale Beschreibung zwar geboten, aber das Hebräische kennt lediglich maskuline und feminine Formen.

Männliche und weibliche Formen für Gott in der hebräischen Tradition

In diesem Sinne kommen sowohl maskuline als auch feminine Formen bei der Beschreibung dieser Erscheinungsformen zur Anwendung. Wird auf die Transzendenz Gottes und seine Eigenschaft als Schöpfer des Universums Bezug genommen, verwendet man männliche Zuschreibungen.

Die Präsenz Gottes in der Welt selbst findet sich hingegen in Form der weiblichen Bezeichnung „Schechina“ wieder: „Die Schechinah wohnt in unseren Herzen und in der Essenz von allem, was existiert, sie erzeugt Leben und nährt es von innen“, erklärt Rabbi Pinchas Taylor aus Plantation, Florida. In der Schöpfung findet sich das Muster eines weiblichen und eines männlichen Teils. Die äußeren Geschlechtsteile von Mann und Frau zeigten ebenfalls diese Muster.

Gott als „Vater“ hat seine Wurzeln im Judentum

Die Vorstellung von Gott als „Vater“ geht auf den Tanach und andere Schriften des Judentums zurück. Zudem tritt sie in jüdischen Gebeten zutage. Die Theorie vom zerstörerischen Patriarchat hat demgegenüber keine Grundlage im Judentum, dem ursprünglichen Christentum oder dem Islam. Sie entstammt säkularen, antitheistischen Ideologien aus dem Europa des 18. und 19. Jahrhunderts.



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