Freiburger Erzbistum hängt Porträts der Alt-Erzbischöfe ab

Die Studie über sexuellen Missbrauch erschüttert das Freiburger Erzbistum. Erzbischof Burger lässt die Bilder seiner Amtsvorgänger abhängen und ist von der „Empathielosigkeit“ seiner Vorgänger entsetzt. Auch die Staatsanwaltschaft schaut nun auf das Erzbistum.
Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger sagt, die Aufarbeitung der Missbrauchsverbrechen aus der Vergangenheit sei ein «absolut zentrales Anliegen».
Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger kann sich die "Empathielosigkeit" seiner Amtsvorgänger nicht erklären.Foto: Philipp von Ditfurth/dpa
Von 22. April 2023

Seitdem am vergangenen Dienstag der Bericht zur Vertuschung von Missbrauchsfällen durch Priester im Erzbistum Freiburg öffentlich vorgestellt wurde, ist die Erschütterung in der Diözese groß. Vor allem Alt-Erzbischof Robert Zollitsch und seinem Amtsvorgänger Oskar Saier werden schweres Fehlverhalten und gravierende Rechtsverstöße im Umgang mit Straftaten durch Priester vorgeworfen.

Es ist nicht das erste Gutachten über den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Katholischen Kirche in Deutschland. Seit einiger Zeit bemühen sich die deutschen Diözesen, die Rolle ihrer Bistumsleitungen beim Umgang mit Missbrauch durch Priester aufzuarbeiten. Das vorgelegte Gutachten in Freiburg wird daher nicht die letzte veröffentlichte Untersuchung sein. Trotzdem könnte der am Dienstag veröffentlichte Bericht eine Zäsur im Umgang mit den Verantwortlichen sein.

Aus falsch verstandenem Korpsgeist nicht gehandelt

Der heutige Freiburger Erzbischof Stefan Burger wird in dem Bericht vollständig entlastet. Ihm sei kein Fehlverhalten vorzuwerfen.

Trotzdem zeigte sich Burger erschüttert und fand in seiner auf der Website des Erzbistums veröffentlichten Stellungnahme deutliche Worte: „Dieses Versagen der im Bericht namentlich genannten Verantwortlichen bildet gegenüber den Betroffenen einen skandalösen Tatbestand.“

Der Erzbischof zeigte seine Fassungslosigkeit darüber, dass seine beiden Vorgänger im Amt geltendes kirchliches Recht ignoriert und das Eingreifen und Melden von Fällen versäumt haben. Besonders irritierend sei für ihn, dass Oskar Saier als Kirchenrechtler und Robert Zollitsch als langjähriger Personalverantwortlicher und späterer Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz um die Bedeutung und rechtliche Relevanz des Themas wussten. Der Grund für ihr Handeln war ein falsch verstandener Korpsgeist, der ein äußerliches Bild der Kirche aufrechterhalten sollte, das jedes Fehlverhalten von sich weist. Hinzu komme der Schutz der Institution, der über alles gestellt wurde.

Es gelte, weiter auf Betroffene zuzugehen und sie bestmöglich zu unterstützen. Auch die Prävention sowie die Kontrolle verurteilter Täter müssten verstärkt werden. Zugleich teilte Burger mit, bereits vor längerer Zeit kirchenrechtliche Schritte gegen Zollitsch eingeleitet zu haben. Eine Bewertung der Vertuschungsvorwürfe liegt damit in der Hand des Vatikans.

Portraits von Zollitsch und Saier verschwinden

Burger hat auch sichtbare Konsequenzen gezogen: Am Donnerstag beschloss die Bistumsleitung in Freiburg, die Porträts Burgers Amtsvorgänger Robert Zollitsch und Oskar Saier im Ordinariat abzuhängen. Diese Maßnahme wurde ergriffen, um eine „Signalwirkung“ zu erzielen, so ein Sprecher der Erzdiözese laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa. Der Betroffenenbeirat des Erzbistums, ein unabhängiges Gremium, das Betroffene unterstützt, hatte eine solche Entscheidung gefordert.

Zuvor hatte der Rat in einer Stellungnahme zum Gutachten im Hinblick auf das Erzbistum von einem „Schutzraum für Missbrauchstäter“ und einer „Hölle für Kinder“ gesprochen. Bis in das Jahr 2014 habe im Ordinariat scheinbar eine „menschlich nicht nachvollziehbare Kälte und Gleichgültigkeit“ gegenüber Missbrauchsvorwürfen, und vor allem gegenüber Betroffenen geherrscht.

Vertuschung und Druck auf Betroffene

Die katholische Nachrichtenagentur KNA zitiert aus dem Gutachten, dass die Kirchenführung versucht habe, Betroffene zum Schweigen zu bringen, nachdem sie Hinweise auf sexuellen Missbrauch erhalten hatte. Der Studienautor Edgar Villwock beschreibt den Fall einer Mutter als besonders unerträglich, der, nachdem sie Vorwürfe gegen den Pfarrer in ihrer Gemeinde erhoben hatte, das Leben zur Hölle gemacht wurde. Die Katholikinnen und Katholiken vor Ort verteidigten den charismatischen Pfarrer blind und trugen so zur Vertuschung der Taten bei. Die Studie zitiert aus einem Protokoll eines Treffens von Opfern mit dem beschuldigten Pfarrer aus den 1990er-Jahren, in dem der Mann gesagt haben soll: „Das merkt doch so ein kleiner Junge nicht, wenn man ihm in die Hose greift.“

In einem Brief an einen Priester, der wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt wurde, schrieb Zollitsch: „Sie haben sich vom Herrn zum Priester berufen lassen und durften erfahren, wie segensreich Ihr Tun war.“

Einem Priester, der Ministranten missbraucht hatte, wurde ein „gutes Geschick“ im Umgang mit Jugendlichen bescheinigt. Stephan Burger erklärte gegenüber der KNA, dass er sich die Empathielosigkeit, die in diesen Fällen zum Ausdruck kommt, nicht erklären könne.

Staatsanwaltschaft prüft Gutachten

Auch die Freiburger Staatsanwaltschaft hat sich nun eingeschaltet. Sie wird den Missbrauchsbericht überprüfen, um herauszufinden, ob es einen Anfangsverdacht gegen bestimmte Personen gibt. Der Bericht umfasst etwa 600 Seiten, sodass die Untersuchung einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Auf Anfrage der dpa wurde mitgeteilt, dass seit der Veröffentlichung der Studie keine Strafanzeigen gegen Zollitsch oder andere Verantwortliche bekannt geworden oder eingegangen seien.

Da sich die Gesetzeslage in der Vergangenheit mehrfach geändert hat, gibt es beim Tatbestand des sexuellen Missbrauchs keine eindeutigen Verjährungsfristen. In jedem einzelnen Fall muss geprüft werden, ob Taten verjährt sind oder nicht. Ermittlungsverfahren können nur dann eingeleitet werden, wenn es Anhaltspunkte für Straftaten gibt.

Welche Konsequenzen das Erzbistum – und vielleicht auch die katholische Kirche bundesweit – aus der Studie ziehen werden, ist noch nicht klar. Aber Burger sagte zu, alle Strukturen erneut auf den Prüfstand zu stellen. Gerade auch bei der Überwachung von Missbrauchstätern. „Das sind wir den Betroffenen schuldig.“

Die katholische „Tagespost“ sieht nun auch den Vatikan in Rom in der Pflicht. Wenn das böse Wort von der „Kinderschänderkirche“ seine Berechtigung verlieren soll, dann müssten auch „die Köpfe derer rollen“, die die Verbrechen gedeckt und damit ermöglicht haben.



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