Jugend im Rausch: Die erschreckende Zunahme von Benzodiazepinen und Opioiden

Schwerelosigkeit, die Sorgen verblassen, das Leben erscheint plötzlich unkompliziert. Auf der Suche nach dem Kick zur Entspannung greifen immer mehr Jugendliche zu Medikamenten mit Suchtpotenzial.
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Von 19. Februar 2024

Xanax, Diazepam, Triazolam. Es gibt unterschiedliche Präparate, die beruhigend gegen Schlafstörungen, Angst- und Spannungszuständen, aber auch Psychosen und Depressionen zum Einsatz kommen. Die zur Gruppe der Benzodiazepine gehörenden verschreibungspflichtigen Medikamente haben jedoch Suchtpotenzial. Immer häufiger kommen sie in der Altersgruppe der bis 17-Jährigen zum Einsatz, vor allem seit der Corona-Krise.

In Berlin hat sich die Anzahl der verordneten Packungen an Benzodiazepinen, umgangssprachlich auch „Benzos“ genannt, laut rbb seit dem Jahr 2018 um fast 60 Prozent gesteigert; in Brandenburg um immerhin 40 Prozent. Noch höher ist die Zunahme von verschriebenen stärksten verfügbaren Schmerzmitteln wie Opioide und Opiate, die in Berlin um mehr als 100 Prozent und in Brandenburg sogar um 140 Prozent angestiegen ist.

Werden Opioide und Benzodiazepine gemischt eingenommen, besteht für den Verbraucher Lebensgefahr. „Diese Mischungen sind wie Russisch-Roulette“, erklärt Arthur Coffin, Leiter einer Suchtberatung in Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf.

Das Streben nach Genuss und Freude

Warum diese beiden Medikamente gerade unter Jugendlichen viel Aufmerksamkeit erregen, dafür hat Coffin mehrere Ansätze. „Wir haben einmal das Phänomen des Hedonismus [Streben nach Genuss und Freude] und der Partyhauptstadt Berlin, in der man quasi alle Substanzen in relativ hoher Qualität zu relativ günstigen Preisen bekommt, also Verfügbarkeit ist schon ein Grund.“

Zum anderen bestehe in der Gesellschaft ein erhöhter Leistungs- und Schuldruck. Hinzu kämen „die permanenten Krisen“, gepaart mit Unsicherheit. Und schließlich sei da noch das ganz normale, typische Pubertätsverhalten, zudem es gehört, dass junge Menschen Risiken eingehen und auch bei einer Party einen Zustand von Rausch oder Ekstase erleben wollen.

Nach Beobachtung des Suchtberaters hat sich der „Wunsch nach Dämpfung“ und das damit einhergehende Medikamentenproblem seit der Pandemie stark verändert. Man habe es nicht mehr mit dem „typischen Kiffer“ zu tun, sondern es ginge um eine Mischung mehrerer Substanzen. So sei die Gefahr groß, wenn Benzos und Opioide mit Alkohol, Antidepressiva und anderen Substanzen eingenommen werden – vor allem, weil sich Opioide atemlähmend auswirken.

Das Gehirn denkt in solchen Fällen: Wir haben genug Sauerstoff im Körper – und setzt dann einfach die Atmung aus“, beschreibt Coffin den Effekt.

Pandemie als Auslöser

Dr. Michael Brütting, Oberarzt auf der psychiatrischen Station der Uniklinik Halle, sieht in der Corona-Krise einen Auslöser für den vermehrten Verbrauch von Benzos und Opioiden durch Jugendliche.

„Ich gehe davon aus, dass diese Zeit keinen guten Einfluss auf die Jugendlichen hatte. Das zeigen auch Studien. Gerade im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind die Behandlungszahlen exorbitant gestiegen“, so Dr. Brütting laut MDR.

Während der Pandemie hätten soziale Isolation und Ängste eine sehr große Rolle gespielt. „Dann haben eben junge Menschen zu Substanzen gegriffen, um diese Missempfindungen, diese Gefühle in den Griff zu bekommen“, so der Psychiater weiter.

„In Zeiten von Krisen wie Corona oder dem Ukraine-Krieg sind Drogen wie Benzos und Opiate gefragt, um runterzukommen und zu entspannen. Jugendliche erhoffen sich, dass sie das wegbringt von Unsicherheiten und Problemen“, schildert auch Matthias Rost von der Jugenddrogenberatungsstelle K(L)ICK in Leipzig.

Verschreibungspflicht umgangen

Dass die Benzos nicht nur über Mediziner bezogen werden können, zeigt der Fall von Julian. Wie der rbb berichtete, besorgte er sich die verschreibungspflichtigen Benzos bei Dealern auf der Straße oder über einen bekannten Messenger-Dienst – für Julian der Beginn einer Talfahrt. Er stürzt ab, nimmt Opioide, später Amphetamine, Heroin und Crack. Versuche, von den Drogen loszukommen, scheitern mehrmals.

Erst im Sommer 2023 kann sich der 26-Jährige von den Substanzen lösen. In Brandenburg findet er eine Selbsthilfeeinrichtung für Süchtige, den Verein SCARABÄUS Hoher Fläming. Es gelten drei Regeln: keine Drogen, keine Gewalt und kein Rauchen.

Hier wird Süchtigen geholfen durch eine feste Tagesstruktur sowie Beratungen und Gespräche mit Betroffenen und Mitarbeitern. Sieben Monate verbringt Julian bereits hier. Inzwischen arbeitet er als Küchenchef und kocht sechsmal pro Woche mit zwei anderen für die Bewohner.

„Diese Struktur hier, die gibt mir viel Halt“, so Julian. Sein Ziel: nach 18 Monaten in der Einrichtung clean zu sein – und zu bleiben.



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