Krabbeltierchen mit Sahne? Eisverkäufer setzt auf Insekteneis

Er hat schon Eiscreme aus Gorgonzola gefertigt, aus Leberwurst und mit 24-karätigem Gold. Aber die neueste Kreation eines Eisverkäufers aus Baden-Württemberg ist nichts für empfindliche Mägen.
Das Grilleneis besteht zum Teil aus Grillenmehl und ist mit getrockneten Heimchen dekoriert.
Das Grilleneis besteht zum Teil aus Grillenmehl und ist mit getrockneten Heimchen dekoriert.Foto: Marijan Murat/dpa
Epoch Times2. März 2023

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Der Mann kommt auf jeden Fall gleich zur Sache. „Traut ihr euch?“, fragt Thomas Micolino herausfordernd, wenn man seine Eisdiele betritt. Die Frage bezieht sich auf den Inhalt des Metallbehälters, der ganz links an der Theke auf die Kunden wartet. Vier Kilo frische, hellbraune Eiscreme liegen da, drapiert auf einem grünen Kunstrasen, sorgfältig abgetrennt von den restlichen, üblichen Sorten von Malaga, Mango und Schokolade. Sicherheitsabstand vom Spezialeis – damit sich die Gäste nicht ekeln.

Eine Verwechslung ist sowieso ausgeschlossen. Die spezielle Eiscreme ist garniert mit getrockneten braunen Insekten. Tote Grillen mit stacheligen Hinterbeinchen und langen Fühlern schmücken das Speiseeis. Damit klar wird, dass genau das drin ist: getrocknete Heimchen, Acheta domesticus, Hausgrillen. In jeder anderen Küche würde man bei diesem Anblick nach einem kurzen Aufschrei den Kammerjäger rufen. Bei Thomas Micolino hört man die Frage: „Waffel oder Becher?“

Micolino, 33 Jahre alt, führt eine eher ungewöhnliche Eisdiele mitten auf dem Marktplatz im beschaulichen Rottenburg am Neckar zwischen Schwäbischer Alb und Schwarzwald. Immer wieder sorgte er mit seinen Kreationen für Aufsehen. Einmal stellte er eine Eissorte mit echtem Blattgold her („Musste ich wieder einstellen, vier Euro die Kugel war für viele zu teuer.“), auch Gorgonzola oder Leberwurst bot er schon als Sorten an. Nun produziert er Eis aus Insekten.

Neues EU-Recht macht’s möglich

Warum? Vor allem, weil Micolino laut Gesetzgebung nun darf. Seit wenigen Tagen dürfen Hausgrillen nach EU-Recht in Lebensmitteln verwendet werden. Die knusprigen Krabbeltierchen dürfen jetzt gefroren, getrocknet oder als Pulver verwendet werden, ebenso wie die Larven des Getreideschimmelkäfers. Ähnliche Regeln gibt es bereits für Wanderheuschrecken und Larven des Mehlkäfers.

Insekten gelten als nahrhaft und reich an Proteinen, sie zählen in vielen Ländern zur gewöhnlichen Küche. Die Verbraucherzentrale Hamburg spricht bislang von einem ganz kleinen Nischenmarkt. Insekten könnten zu einer nachhaltigen Ernährung beitragen, da sie verhältnismäßig ressourcenschonend gezüchtet werden können. „Das wird eine große Rolle spielen in der Ernährung der Menschheit in Zukunft“, meint Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).

Micolino behauptet, er habe die erste deutsche Eisdiele mit Insekteneis, überprüfen lässt sich das schwer. Es soll kein Marketinggag sein, ihn habe einfach die Lust am Experimentieren getrieben. Er habe selbst schon Insekten im Urlaub probiert, auch Schlange und Krokodil, berichtet er. „Mir wird langweilig, wenn ich immer dasselbe mache.“

Monatelang hat er in seiner kleinen Eisfabrik im Hinterzimmer herumprobiert, an der richtigen Komposition mit dem Krabbeltier gearbeitet, den Geschmack verfeinert. Er bezieht die Grillen aus einer Zucht aus der Region, kocht das Pulver extra nochmal bei 90 Grad ab. Um vier Kilo Eis herzustellen, braucht er 200 Gramm Heimchenmehl, dazu unter anderem Sahne, Zucker, Milch, Vanille, Cookies und Wildhonig aus dem Schwarzwald.

Großer Andrang und mediale Aufmerksamkeit

Aber natürlich freut sich der Eisverkäufer über die Aufmerksamkeit für seinen kleinen Laden. Nach einem Instagram-Post über das Insekteneis meldete sich die örtliche Zeitung, seitdem geben sich die Journalisten die Klinke in die Hand. Eigentlich wollte er sein Insektenmilcheis nur ein paar Tage anbieten, aber nun verlängert er aufgrund des Andrangs die Aktion.

Die Kunden schwanken zwischen Neugierde und Ekel. Ein älterer Herr spaziert in die Eisdiele, er stellt sich als Micolinos Nachbar vor. „Ich habe draußen zwei tote Mäuse gefunden“, ruft er fröhlich und grinst. „Wollen wir auch Eis daraus machen?“ Er selbst esse ja lieber Schnitzel und Spätzle, sagt er. Aber Mut habe Micolino schon.

Viele Kunden wollen zumindest einmal probieren. „Sonst kann ich nicht mitreden“, sagt einer, der gerade genüsslich eine Portion Grilleneis aus der Waffel schleckt. Ins Dschungelcamp, sagt er, würde er zwar nicht gehen, aber so ein wenig Insekteneis finde er nicht eklig. „Solange mich keine Augen dabei angucken“, sagt er. Nussig schmecke es. „Haferflockig, etwas bitter“, urteilt ein weiterer Kunde.

Bislang sei niemand, der probiert habe, enttäuscht gewesen, berichtet Micolino. Aber die Reaktion fällt bei Weitem nicht nur positiv aus. In den sozialen Medien haben empörte Follower ihm die Kundschaft aufgekündigt.

Er präsentiert auf seinem Handy eine Wutmail. „Müssen Sie jeden Sch… mitmachen?“ schreibt ihm da einer. Der Eisverkäufer kann das nicht verstehen, schließlich zwinge er die Menschen ja nicht dazu, sagt er. „Das ist nur eine Kopfsache.“ Jeder, der dagegen sei, solle vorbeikommen und probieren. Er lockt seine Kunden sogar mit einem Angebot: Jeder, der eine Kugel Insekteneis bestellt, bekommt eine zweite Kugel seiner Wahl spendiert. (dpa/red)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion