Lehrerverband fordert „Lehrermangel-Gipfel“

Paukerverband haut auf die Pauke: Zu viele Schüler, zu wenig Lehrer. „Neben kurzfristigen Maßnahmen muss erarbeitet werden, wie der Lehrerberuf langfristig attraktiv gemacht werden kann.“
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Symbolbild.Foto: Istock I Fokussiert
Von 17. Februar 2023

Mit Blick auf unbesetzte Lehrerstellen fordert der Deutsche Lehrerverband einen „Lehrermangel-Gipfel“ für die Bundesrepublik. Neben kurzfristigen Maßnahmen müsse erarbeitet werden, „wie der Lehrerberuf langfristig attraktiv gemacht werden kann“, so  Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger gegenüber „Bild“. Dazu müssten alle Beteiligten, darunter Lehrer- und Elternverbände, Kommunen und Wissenschaftler, an einem Tisch zusammenkommen, um dem Fachmangel im pädagogischen Bereich entgegenzuwirken.

12.000 Lehrer fehlen und die Lücke wird jedes Jahr größer

Einem Beratergremium der Kultusministerkonferenz (KMK) zufolge liegt die Lücke zwischen Lehrkräftebedarf und -angebot zwischen 2021 und 2035 jedes Jahr im Schnitt bei etwa 1.600. Insgesamt macht das in den kommenden 20 Jahren also deutlich über 20.000 aus. Laut RND sind deutschlandweit aktuell mehr als 12.000 Lehrerstellen vakant. Um genau zu sein, waren es am 25. Januar 2023 genau 12.341 unbesetzte Stellen. Im Saarland, in Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Bayern gebe es keine Lücken und in Hessen sogar ein Überangebot an Lehrern. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen hingegen hagelt es an mehr als 8.000, in Schleswig-Holstein fehlen mehr als 200, in Sachsen-Anhalt und Berlin mehr als 800 und in Sachsen, Baden-Württemberg und Niedersachsen mehr als 400 Lehrkräfte.

Lehrerverband: Zahlen geschönt, das Problem ist größer

Laut dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, sind diese Zahlen geschönt. Geschönt deshalb, weil in vielen Bundesländern Stunden am Anfang des Schuljahres je nach Lehrermangel gestrichen würden, sodass der Bedarf nur auf dem Papier gedeckt sei. In manchen Ländern würden sogar Eltern oder andere Nichtpädagogen als sogenannte Schulhelfer eingesetzt und in der Statistik als Lehrkräfte verrechnet. Deshalb liege Meidingers Einschätzung nach die Zahl der unbesetzten Lehrerstellen in Deutschland weitaus höher als die offizielle Zahl, nämlich zwischen 32.000 und 40.000.

Mehr Teilzeit, weniger Nachwuchs

Mehr als 800.000 Lehrkräfte sind in Deutschland an Schulen und Berufsschulen beschäftigt. Davon entscheiden sich laut Statistischem Bundesamt auch immer mehr für Teilzeit. Im Schuljahr 2020/2021 arbeiteten demnach fast 40 Prozent nicht voll, das ist die höchste Teilzeitquote seit zehn Jahren.

Aber auch am Nachwuchs hapert es. war die Zahl der Studienanfänger in Lehramtsstudiengängen erstmals seit dem Studienjahr 2015/2016 wieder rückläufig: Im Studienjahr 2021/2022 begannen fast ein Siebtel (13,7 Prozent) weniger als im Studienjahr 2020/2021 ein Lehramtsstudium. Der Rückgang fiel dabei deutlich stärker aus als der demografische und pandemiebedingte Rückgang bei den Studienanfängern aller Studiengänge, der im Vergleich „nur“ um 3,7 Prozent zurückging.

Ausnahmezustand in Berufsschulen und Mittelstufe

In Deutschland gibt es mehr als zehn Millionen Schüler. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine sind noch einmal mehr als 200.000 geflüchtete Kinder und Jugendliche dazugekommen, was die Herausforderungen an den Schulen zusätzlich erhöht. Besonders hoch ist der Mangel an Berufsschulen und in der Mittelstufe. Hier fehlen Mathe-, Chemie-, Physik-, Musik-, Kunst-, Englisch- und Informatiklehrer.

Abwärtsspirale: Größere Klassen und mehr Stunden für Lehrer

Das Beratergremium der Kultusministerkonferenz bringt als Lösung für den Lehrermangel eine Mehrbelastung für Lehrkräfte ins Spiel, im Klartext: Die Lehrer sollen noch mehr arbeiten. Die Rede ist hier von einer befristeten Erhöhung der Wochenstunden bei finanziellem Ausgleich oder einem Ansparen der Mehrarbeitszeit bei Ausgleich in späteren Jahren.

Neben dem höheren Pensum für die Pauker sollen on top größere Klassen gebildet werden. Oder auch Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit, die von fast der Hälfte aller Lehrkräfte wahrgenommen werden, eingeschränkt werden. Denn „hier liegt die größte Beschäftigungsreserve“, befindet die Kommission.

Coaching und Yoga als Pflaster für belastete Lehrkräfte

Jetzt steht eine erleichterte Anerkennung von Abschlüssen ausländischer Lehrer als möglicher Lösungsansatz im Raum. Auch die Einführung von Hybridunterricht bei den oberen Klassenstufen könne erprobt werden, so könne beispielsweise beim Unterrichten einer Klasse eine weitere Klasse, möglicherweise auch aus einer anderen Schule, zugeschaltet werden.

Diese laut der Kommission „zusätzliche Belastung für Lehrkräfte“ soll im Gegenzug mit mehr Angeboten zur Gesundheitsvorsorge bei Lehrkräften ausgeglichen werden – etwa Coaching, Supervision oder Achtsamkeitstrainings.

Für Politik ist Lehrkräftegewinnung drängendstes Thema

Oliver Kaczmarek, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, äußert sich zum Thema: „Die Lehrkräftegewinnung ist eins der drängendsten Themen im Schulbereich.“ Daher unterstütze der Bund die Länder „dort, wo das Grundgesetz es erlaubt“. So solle unter anderem die Lehrerbildung an Hochschulen auf Bundesebene gefördert werden. „Hierbei wollen wir drei neue Schwerpunkte setzten: zu digitaler Bildung, zur besseren Fort- und Weiterbildung über den gesamten Zeitraum der beruflichen Tätigkeit hinweg, und nicht zuletzt wollen wir auch den Seiten- und Quereinstieg unter anderem für das Berufsschullehramt weiterentwickeln“, so Kaczmarek.

Thomas Jarzombek (CDU), bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundesfraktion, forderte derweil: „Der Lehrerberuf muss durch mehr Freiheiten attraktiver gemacht werden. Es braucht mehr Möglichkeiten, eigene Methoden auszuprobieren und Anschaffungen zu tätigen.“

Ein Anreiz durch Extrazahlungen wie Prämien hat sich seiner Einschätzung nach nicht bewährt, um mehr Menschen in den Lehrerberuf zu locken. Außerdem setzt Jarzombek auf digitales Lernen: „Wenn Lehrer fehlen, darf das Ersetzen durch einen Computer kein Tabu mehr sein. Wo Lehrer fehlen, sollen die Kids am Tablet lernen.“

Aktuelle Lösungsideen nicht zukunftsfähig, da Ursache der Probleme ignoriert?

Die Taz moniert dazu, dass hier die zentralen politischen Versäumnisse der letzten 20 Jahre außen vor gelassen würden und dass mit den vorgeschlagenen Maßnahmen das Problem des Lehrkräftemangels nicht zu lösen sei, weder jetzt noch in zehn Jahren. Und führt auf, dass „der Lehrkräftemangel durch eine politische Fehlsteuerung hervorgerufen wurde und in fast allen Bundesländern Jahr für Jahr zu wenig Lehrkräfte ausgebildet“ wurden.

Außerdem seien Tausende Bewerber für ein Lehramtsstudium abgelehnt worden, weil der Numerus Clausus zu hoch war und es in vielen Fächern zu wenige Studienplätze gab und immer noch gibt. Dieser wichtige Aspekt bliebe unerwähnt. Und weiter:

Doch wer das Problem und seine Ursachen nicht anerkennt, wird keine brauchbaren Lösungsvorschläge machen können.“

 

(Mit Material von Nachrichtenagenturen)



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