Prozessauftakt in Leipzig: Gil Ofarim vor Gericht

Der Musiker Gil Ofarim muss sich seit Dienstag vor dem Landgericht Leipzig wegen mutmaßlicher falscher Verdächtigung und Verleumdung verantworten. Vor zwei Jahren hatte er in einem Video behauptet, ihm sei wegen seiner Davidstern-Kette die Übernachtung in einem Hotel verweigert worden. Ein Urteil wird noch vor Jahresende erwartet.
Gil Ofarim (l) spricht im Gerichtssaal mit seinem Anwalt Alexander Stevens.
Gil Ofarim (l.) spricht im Gerichtssaal mit seinem Anwalt Alexander Stevens.Foto: Hendrik Schmidt/dp
Von 8. November 2023

Im Oktober 2021 spricht der Sänger – offenbar sehr bewegt – in die Kamera über einen angeblichen antisemitischen Vorfall in einem Hotel in Leipzig. Der jüdische Sänger stellt das Video auf Instagram. Dort geht es viral, wird millionenfach geklickt und sorgte deutschlandweit für Schlagzeilen.

Prozessstart zum angeblichen Antisemitismus-Vorfall

Der Rocksänger behauptete darin, dass ihm der Übernachtungswunsch durch einen Hotelmitarbeiter verweigert wurde, weil er offen eine Kette mit Davidstern trug. Man habe ihn am Empfang aufgefordert, seine Kette mit einem Davidstern-Anhänger einzupacken. Dann dürfe er einchecken, so die Aussage des Sängers. Zuvor seien andere Gäste in der langen Schlange am Hotelempfang vorgezogen worden.

Den Vorwürfen Ofarims folgten zahlreiche Untersuchungen, begleitet von großer medialer Aufmerksamkeit. Zunächst teilte ein Sprecher des Hotels mit, dass man die Angelegenheit sehr ernst nehme und beurlaubte zunächst zwei Mitarbeiter, unternahm aber auf eigene Initiative eine Untersuchung des Vorfalls inklusive Gäste- und Zeugenbefragung. Der Hotelmitarbeiter, Herr W., und der Musiker Gil Ofarim zeigten sich gegenseitig an.

Die juristische Aufarbeitung startete, als auch die Staatsanwaltschaft Leipzig die Ermittlungen aufnahm. Nach Auswertung mehrerer Videos von Überwachungskameras teilte das Hotel mit, man werde keine Maßnahmen gegen den beschuldigten Mitarbeiter vornehmen.

Untersuchungsverfahren gegen Hotelmitarbeiter eingestellt, Klage gegen Ofarim erhoben

Aus einem 118 Seiten langen Gutachten gehe hervor, dass keine „objektivierbaren“ Anhaltspunkte vorlägen, die straf- oder arbeitsrechtliche Schritte gegen den Mitarbeiter rechtfertigten. Auch das Ermittlungsverfahren gegen den Hotelmitarbeiter wurde eingestellt, denn bei den umfangreichen Untersuchungen des Vorfalls war herausgekommen, dass sich der angebliche antisemitische Vorfall so nicht zugetragen habe.

Der von Ofarim geschilderte Vorfall habe sich laut Staatsanwaltschaft Leipzig „tatsächlich so nicht ereignet“. Anfang April erhebt diese Anklage gegen den in München lebenden Ofarim wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung. Monate später lässt das Landgericht Leipzig die Anklage zu.

Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen zum Prozessauftakt

Am gestrigen Dienstag, 7. November, war der erste Prozesstag am Landgericht Leipzig gegen den 41-jährigen Musiker. Der Prozessauftakt fand wegen der aktuellen politischen Lage unter strengen Sicherheitskontrollen statt. So wurde der Abstand zwischen Anklagebank und Publikum vergrößert, was eine Verringerung der Sitzplätze von 100 auf 85 zufolge hatte. Die Kontrollen wurden verschärft und die Nutzung von Handys war nur Medienvertretern erlaubt.

Der erste Tag vor Gericht: Aussage gegen Aussage

Nach Verlesung der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft am Vormittag tritt der Hotelmitarbeiter als Nebenkläger und erster Zeuge auf. Markus W. erzählte die Vorkommnisse vom Abend des 5. Oktober 2021 im Leipziger Hotel The Westin aus seiner Sicht: Ofarim habe sich bei ihm lautstark über die lange Wartezeit beschwert, die sich nach einer technischen Störung des Systems gebildet hatte. Der Musiker sprach laut Markus W. von einem „Scheißladen“ und habe damit gedroht, seine Beschwerde in einem Online-Post viral gehen zu lassen.

Der Hotelmitarbeiter habe ihn deshalb nicht einchecken lassen. Stattdessen forderte er Ofarim auf, sich zu entschuldigen, dann könne er einchecken. Das hatte der Musiker offenbar zurückgewiesen. Dass Ofarim ihn anschließend in einem Video des Antisemitismus bezichtigt hatte, hatte ihn nicht nur „entsetzt“, sondern auch schwerwiegende Folgen für ihn gehabt; unter anderem bekam er eine Morddrohung.

Der Hotelmitarbeiter wehrte sich und zeigte Ofarim anschließend wegen Verleumdung an, weshalb der Musiker jetzt vor Gericht steht. Markus W. fordert zudem einen Schadensersatz in Höhe von 20.000 Euro.

„Das entspricht nicht der Wahrheit“

Im Raum steht der Zweifel daran, und das formuliert auch die Anklage so, dass der Hotelmitarbeiter Ofarim dazu aufgefordert habe, seinen Davidstern abzunehmen. Ofarim hätte nach eigenen Aussagen sonst nicht einchecken dürfen. „Das entspricht nicht der Wahrheit“, sagte Staatsanwalt Andreas Ricken am ersten Prozesstag.

Ofarims Verteidigung wiederum wies sämtliche Vorwürfe des Hotelmitarbeiters zurück, wie der „MDR“ berichtet. Die Darstellung des Hotelmitarbeiters sei „völlig unplausibel“, so Rechtsanwalt Alexander Stevens, der in dem Vorfall einen klassischen Fall von „Aussage gegen Aussage“ sieht.

Es sei unerheblich, ob Ofarim seine Kette sichtbar oder unsichtbar unter seinem Hemd getragen hat. Es gehe nicht um den Davidstern, sondern um die Diskriminierung, so Stevens.
Wenn vor zwei Jahren nur ein diskriminierendes Wort gefallen sein sollte, so sei sein Mandant freizusprechen, betonte Ofarims Rechtsanwalt.

Urteil möglicherweise noch vor Jahresende

Vom Prozessauftakt am 7. November sind bis zum 7. Dezember zehn Verhandlungstage angesetzt. Bei einer Verurteilung Ofarims wegen falscher Verdächtigung oder öffentlich begangener Verleumdung droht laut Strafgesetzbuch eine Geldstrafe. Im äußersten Fall kann es auch zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren kommen.

Ein Urteil wird möglicherweise noch vor Weihnachten erwartet. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung.

 



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