Schulanfang ohne Zuckertüte: Die Tradition auf den Kopf gestellt

Seit über 100 Jahren gibt es den Brauch, Erstklässlern den Schuleintritt mit einer Zuckertüte zu versüßen. Eine Grundschule in Mecklenburg-Vorpommern geht andere Wege.
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Foto: iStock
Von 6. März 2023

Ob selbstgebastelt, mit Fußball oder Einhorn – eine Einschulung ohne Zuckertüte ist für viele Eltern, Großeltern und Erstklässler kaum vorstellbar. Prall gefüllt sollte sie möglichst sein, mit nützlichen Dingen und Leckereien, damit die Kinderaugen leuchten. Doch es gibt auch Ausnahmen.

In Mecklenburg-Vorpommern geriet jüngst eine Grundschule aus Eggesin in die Schlagzeilen, die andere Wege gehen will. Statt einer Einschulungsfeier am Samstag vor Schulbeginn, wie üblich, wird die erste Woche als ganze Einschulungswoche gestaltet. Höhepunkt soll die Übergabe der Zuckertüten am Freitag sein. So habe es die Schulkonferenz im Januar beschlossen, berichtet der „Nordkurier“.

Die Idee dazu kam vom Bildungsministerium. „Wir fanden die Idee sehr gut“, so Schulleiterin Christiane Blume. Statt eines einzigen Tages mit nur 20 Minuten im neuen Klassenzimmer hätten die Kinder in der Einschulungswoche viel mehr Raum, um Gebäude, Mitschüler, Lehrer und den ersten Unterricht in der projektorientierten Grundschule kennenzulernen. Das sei weniger stressig für die ABC-Schützen.

Flexibilität nach 100 Jahren Brauch

Der „bewusste Schuleintritt“ erfolgt an der Eggesiner Grundschule erst am Freitag nach der ersten Schulwoche mit der Übergabe der Zuckertüten, möglicherweise durch ältere Schüler. Ein kleines Programm soll der Feier einen passenden Rahmen verleihen. In anderen Schulen gibt es solche Feiern auch – nur eben schon am Einschulungssamstag vor dem Schulbeginn. Und die Zuckertüten werden vielerorts von den Eltern selbst überreicht.

„Es ist ein bisschen revolutionär“, äußerte Schulleiterin Christiane Blume. Aber nach 100 Jahren Gewohnheit im Schulbeginn dürfe man schon etwas flexibler sein.

Nicht alle Eltern sind von der neuen Idee begeistert. Manche haben schon Plätze für die Einschulungsfeier am Samstag gebucht. Verwandte und Freunde wissen Bescheid. Nun alles noch einmal umorganisieren? Letztendlich bleibt es den Eltern überlassen, wie und wann sie feiern. Wie die Schulleitung mitteilte, wurde bereits bei der Einschulungsuntersuchung auf die Feier am Freitag hingewiesen.

Schulanfang ohne Schultüte – geht das?

Auch in anderen Grundschulen, in denen die Schultüten bereits am Samstag übergeben werden, wird die erste Schulwoche so gestaltet, dass die Kinder ihr neues Umfeld kennenlernen. Bleibt also die Frage, wie sinnvoll es ist, mit alten Traditionen zu brechen.

Im Internet wird indes die Frage diskutiert „Kann man in Deutschland ein Kind ohne Schultüte einschulen lassen?“ Der Trend ist eindeutig: Kann man, sollte man aber nicht. Hier geht es allerdings eher um den Blickwinkel, dass Kinder zum Außenseiter werden, wenn sie im Gegensatz zu allen anderen nicht in den Genuss einer Zuckertüte kommen. Wenn hingegen ein ganzer Jahrgang erst eine Woche später ihre Zuckertüten bekommt, sollte es doch kein Problem sein, oder?

Ein Bruch mit den alten Traditionen dürfte vor allem für Eltern und Großeltern eine Herausforderung darstellen. Oft schwelgen sie an jenem großen Tag, an dem der Ernst des Lebens für den Nachwuchs beginnt, in Erinnerungen an ihren eigenen Schulbeginn.

Woher kommt die Zuckertüte?

Die genaue Geburtsstunde der Zuckertüte festzulegen, ist schwierig. Ein erster Beleg stammt aus Jena, wo 1817 einzelne Kinder kleine Papiertüten mit Gebäck bekamen. Sie wurden entweder überreicht oder von einem Baum im Schulgarten „gepflückt“, teilt das Stadtmuseum Jena mit.

Der Brauch, die gefüllten Tüten zur Einschulung zu verschenken, habe sich von Thüringen und Sachsen nach Schlesien und Böhmen ausgebreitet. Außerhalb dieser Regionen waren Schultüten zunächst weitestgehend unbekannt. Auch Teller und Tassen, die noch lange an den wichtigen Tag erinnerten, wurden den Kindern überreicht.

Viele Kinder, vor allem aus ärmeren ländlichen Gebieten, gingen hingegen leer aus. Für sie war es Geschenk genug, zur Schule gehen zu dürfen.



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