Studie: Mögliche Erklärung für Long COVID und Post-Vac-Syndrom

Spike-Proteine des SARS-CoV-2 lösen offenbar die Produktion von schädlichen Antikörpern aus, die Long-COVID-Symptome verursachen könnten. Diese pathologischen Mechanismen können allerdings auch nach der COVID-19-Impfung auftreten, was als Post-Vac-Syndrom bezeichnet wird.
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Spike-Proteine verursachen die Bildung von Antikörpern mit unerwünschten Funktionen.Foto: iStock
Von 11. April 2024

Long COVID beschreibt eine Vielzahl von Symptomen, die nach einer COVID-19-Infektion auftreten können. Die genauen Ursachen sind in den meisten Fällen noch nicht ausreichend verstanden oder sogar völlig ungeklärt. Die Krankheitsmechanismen, die mit Long COVID in Verbindung gebracht werden, werden intensiv erforscht. Dazu gehören beispielsweise Probleme mit dem autonomen Nervensystem, Blutgerinnungsstörungen sowie stark erhöhte Entzündungsreaktionen im Körper.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie der University of Virginia haben Wissenschaftler einen bislang unbekannten Krankheitsmechanismus beschrieben, der zu Long COVID führen könnte. Laut ihren Ergebnissen können die Spike-Proteine des SARS-CoV-2 eine besondere Art von Antikörpern, sogenannte Abzyme, induzieren. Diese Moleküle wirken im Körper ähnlich wie Enzyme und können physiologische Prozesse im Zusammenhang mit Blutdruck, Blutgerinnung und Entzündungen beeinflussen.

Abzyme: Antikörper mit enzymatischer Wirkung

Die Spike-Proteine des SARS-CoV-2 binden an das Molekül Angiotensin-Converting-Enzym 2 (ACE2), das sich auf den meisten Zellen unseres Körpers befindet. ACE2 fungiert daher als Rezeptor, der es dem Virus ermöglicht, während einer COVID-19-Infektion in die Körperzellen einzudringen. Als Reaktion darauf bildet das Immunsystem spezifische Antikörper, die darauf abzielen, sich präzise an die viralen Spike-Proteine zu binden und ihre Funktion zu neutralisieren.

Das Forscherteam um den Mediziner Steven L. Zeichner spekulierte, dass einige dieser Antikörper präzise an die Rezeptorbindedomäne der Spike-Proteine binden könnten, weil sie strukturelle Ähnlichkeiten mit dem ACE2-Molekül besitzen. Als Folge einer solchen Ähnlichkeit könnten diese Antikörper möglicherweise Funktionen auslösen, die normalerweise von ACE2-Molekülen gesteuert werden.

Antikörper, die enzymatische Aktivität aufweisen, werden als „Abzyme“ bezeichnet und stehen seit geraumer Zeit im Fokus der Forschung. Allerdings sind Abzyme keine exakten Nachbildungen von Enzymen. Ihre Aktivität kann sich daher von den Funktionen der Enzyme unterscheiden. Steven L. Zeichner erklärte in einer Pressemitteilung der Universität Virginia: „Wenn COVID-19-Patienten Abzyme produzieren, besteht die Möglichkeit, dass diese fehlerhaften Abzyme viele verschiedene Aspekte der Physiologie schädigen könnten.“

Spike-Proteine bewirken die Bildung von aktiven Abzymen

Um ihre Hypothese zu überprüfen, untersuchte das Team von Steven Zeichner das Blut von COVID-19-Patienten. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass einige der Patienten tatsächlich Antikörper aufwiesen, die Substrate spalten konnten, die unter normalen Umständen nur von ACE2 gespalten werden.

ACE2 spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulation physiologischer Prozesse, die mit Blutdruck, Blutgerinnung und Entzündungsreaktionen verbunden sind. Die nun entdeckten Abzyme könnten daher normale Abläufe dieser Mechanismen beeinträchtigen. Es wurde bereits in der Vergangenheit beschrieben, dass eine Dysregulation von ACE2-Funktionen zu verschiedenen Krankheitsprozessen beitragen kann, darunter Bluthochdruck, Thrombosen und Entzündungskrankheiten.

Bei Patienten mit Long COVID wurden sowohl Blutgerinnungsstörungen als auch lang anhaltende Entzündungsreaktionen beschrieben, was möglicherweise einen Zusammenhang mit den neu aufgedeckten wissenschaftlichen Erkenntnissen über Abzyme nahelegt. Diese neuen Erkenntnisse könnten potenziell auch neue Therapiekonzepte eröffnen, bei denen die schädlichen Antikörper bei Long-COVID-Patienten gezielt bekämpft werden könnten.

Abzyme könnten Post-Vac-Symptome auslösen

Allerdings können Impfungen gegen das Coronavirus ähnliche langwierige Symptome wie die Infektionen hervorrufen, die dann unter der Bezeichnung Post-Vac zusammengefasst werden. Die Tatsache, dass sich Symptome von Long COVID und Post-Vac überlappen, deutet darauf hin, dass ähnliche Krankheitsmechanismen bei beiden Erkrankungen eine Rolle spielen könnten. Auch bei den genbasierten Corona-Impfungen (mRNA-Impfstoffe und Vektorimpfstoffe) wird das Immunsystem dazu angeregt, Antikörper gegen die Spike-Proteine zu bilden. Die neuen Forschungsergebnisse über spezifische Abzyme nach COVID-19-Infektionen könnten daher ebenso eine Erklärung für Symptome liefern, die nach den Impfungen auftreten.

Die Toxizität des Spike-Proteins ist schon lange als mögliche Ursache für einige dieser Symptome bekannt. Bemerkenswert ist dabei, dass Spike-Proteine sowohl bei Long COVID als auch bei Patienten mit Post-Vakzin-Symptomen über Monate nach Infektionen oder Impfungen nachgewiesen werden konnten. In einer kürzlich veröffentlichten Studie wurden bis zu 245 Tage nach einer Impfung immer noch Spike-Proteine in speziellen Immunzellen von geimpften Personen gefunden, die unter Post-Vac-Symptomen litten.

Die Ergebnisse von Zeichner und seinem Team deuten nun darauf hin, dass eine langanhaltende Immunreaktion an der Bildung von Long COVID und Post-Vac-Symptomen beteiligt sein könnte, auch wenn das Spike-Protein selbst nicht mehr im Körper vorhanden ist. Unklar bleibt, wie groß das Risiko für Long COVID und Post-Vac-Patienten wirklich ist. „Wir müssen nun reine Versionen von Antikörpern mit enzymatischer Aktivität untersuchen, um zu sehen, wie Abzyme genauer funktionieren könnten“, erklärt Zeichner.

Um die Relevanz der neuen Erkenntnisse zu bestätigen, wäre es jedoch notwendig, zukünftig Patienten zu untersuchen, die den Spike-Proteinen entweder durch Infektion oder Impfung ausgesetzt waren und an Long COVID oder Post-Vac-Symptomen leiden. Sollte sich ein Zusammenhang zwischen Langzeitfolgen und schädlichen Antikörpervarianten bestätigen, könnte dies einen wichtigen Schritt in Richtung wirksamerer Therapien darstellen.



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