Auf ein Wort: Arbeitgeber richten 100.000 Meldestellen ein

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Akten im Stasi-Unterlagenarchiv in Berlin.Foto: Christophe Gateau/dpa/dpa
Von 9. September 2023

Liebe Leser,

wie viele Firmen handeln immer ordnungsgemäß und gemäß allen Vorschriften? Vielleicht wird hier oder da die Arbeitszeit überschritten oder ein Auftraggeber begünstigt? Möglicherweise wird auch kreativ mit Steuern umgegangen? Oder in der Pflege eine Überlastungsanzeige ignoriert? Ein neues Gesetz soll es nun erleichtern und Mut machen, derartige Missstände zu melden – auch anonym.

Laudauf, landab werden von allen Arbeitgebern, die mehr als 49 Mitarbeiter beschäftigen, gesetzestreu Meldestellen eingerichtet. Deutschlandweit sind es über 100.000; sie entstehen bei privaten Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen, Behörden, Gemeinden, Organisationen. Die Anzahl der Beschäftigten ist entscheidend. Macht eine Firma nicht mit, droht eine Strafe bis zu 20.000 Euro.

Parallel bieten sich Anwaltskanzleien, Consulting- und Beraterfirmen an, diese Aufgabe gesetz- und softwarekonform für Arbeitgeber zu übernehmen. Zudem schaffen Bund und Länder auch externe Meldestellen – betriebsübergreifende.

Anlass für das neue Meldesystem ist die „Richtlinie zum Schutz von sogenannten Whistleblowern“ der EU (2019/1937). Während Österreich oder Frankreich daraus nur das Nötigste übernahmen, baute die Regierung in Berlin mit deutscher Gründlichkeit dazu ein 19-seitiges neues Gesetz – das sogenannte „Hinweisgeberschutzgesetz“.

Einerseits ist es wichtig, dass die Chefetage weiß, was in ihrer Firma passiert. Abgeben sollen die Beschäftigten beispielsweise Hinweise auf Ordnungswidrigkeiten und Straftaten. Im Gesetz steht detailreich, was gemeldet werden kann. Darunter fallen auch Äußerungen aus der Frühstückspause, die eventuell nicht verfassungstreu sind. Wer etwas meldet, erhält besonderen Schutz; Falschmeldungen bleiben straflos. Unternehmen und Behörden können sich anhand der Hinweise verbessern – und sie sind gesetzlich gezwungen, für Abhilfe zu sorgen.

Andererseits hat es ein „Geschmäckle“. Kriminologen warnen schon seit Jahren: je anonymer man andere anschwärzen könne, desto mehr Missbrauch könne damit getrieben werden. Hubertus Knabe konstatiert, das deutsche Gesetz mache damit „private und öffentliche Arbeitgeber zu einer Art Hilfspolizei“. Für den Historiker ist das neue Gesetz ein vorläufiger Höhepunkt, mit dem der deutsche Staat seine Bürger animiere, unliebsame Mitarbeiter anzuschwärzen. Denn: „Wer einem Vorgesetzten, Arbeitskollegen oder Lieferanten Straftaten vorwirft, aber den Weg zur Polizei scheut, hat dafür nämlich häufig private Motive.“

Ob das der Königsweg zu einer neuen Fehlerkultur in Deutschland ist? Oder der EU? Das wage ich ja zu bezweifeln. Denn ob auch erfasst wird, welches Problem der Melder hat, ist fraglich.

Ich wünsche Ihnen viel Gelassenheit.

Kathrin Sumpf

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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