Bankenunion, Ökokalypse, Finanzkrise, Bargeld: Liebe Christine Lagarde, liebe Eurokraten

Helge Peukert, apl. Professor für plurale Ökonomik an der Uni Siegen, hat Christine Lagarde und ihrer Mannschaft zum Amtsantritt an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) einen offenen Brief geschrieben, in dem er darlegt, was die neue Chefin mit ihrer Mannschaft bessert machen sollte als ihre Vorgänger.
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Christine Lagarde übernimmt den Spitzenposten der Europäischen Zentralbank.Foto: Liu Jie/Xinhua/dpa

Chère Christine, liebe Eurokraten,

gut, dass Eure EZB zu Beginn der Finanzkrise den Zusammenbruch des Weltfinanzsystems mit verhinderte und gut auch, dass jetzt eine Frau an ihre Spitze rückt.

Nicht gut finden wir aber, dass die EZB zu einem nicht demokratisch legitimierten politischen Hauptakteur aufgestiegen ist, der Ersatzpolitik für das reformscheue Politestablishment betreibt. Bei aller Anerkennung für Deine Grandezza: Es hat bei der Besetzung dieser wichtigen Position überhaupt keine zivilgesellschaftliche Debatte gegeben, da die Besetzung jenseits der Öffentlichkeit ausgekungelt wurde.

Dieses Stilmuster kennen wir schon von der Art und Weise, wie plötzlich von der Leyen auf dem Stuhl der EU-Präsidentin landete. Ihr dürft Euch nicht wundern, dass z.B. Fridays for Future, Extinction Rebellion u.a. sich nicht mehr durch Euch repräsentiert sehen und langsam richtig ungehorsam werden. Zu Eurer möchtegernelitären Abgehobenheit passt auch bestens Euer teures Protzgebäude und seine räumliche Abschottung und die Unzugänglichkeit des EZB-Gebäudes und seiner Mitarbeiter. Bei der Deutschen Bundesbank war das noch anders. Ihr wollt unter Euch bleiben – das könnte Euch so passen! Wir werden sehen, ob Dein Transparenzversprechen, Christine, nur ein weiteres hohles Versprechen sein wird oder nicht.

Wir haben schon im Zuge der Finanzkrise eine Selbstkritik der EZB vermisst. Habt ihr nicht die Schuldenberge sich auftürmen lassen, ohne dem vor der großen Finanzkrise auch nur minimal Einhalt zu gebieten?

Nach der Finanzkrise hätten wir schon erwartet, dass mal ein wenig Reformphantasie einsetzt, indem Ihr Euch z.B. einmal kritisch gefragt hättet, ob denn die Banken wirklich das Privileg der Geldschöpfung weiter haben sollen, da die von Ihnen entfachten Kreditbooms immer häufiger zu Krisen führen. Auch wäre es nur recht und billig, wenn die Finanzwirtschaft mal etwas an den Aufräumkosten der Finanzkrise beteiligt worden wäre, etwa durch eine Finanztransaktionssteuer, die auch den Derivatehandel hätte einbremsen können. Aber Ihr habt in den Chor derer eingestimmt, die sie mit fadenscheinigen Argumenten zu verhindern wusste und z.B. eine Entflechtung der Megabanken wurde nicht einmal im Entferntesten angedacht.

Stattdessen habt Ihr Euch an den Wolkenkuckucksträumen einer Bankenunion beteiligt. Glaubt Ihr wirklich, eine internationale Megabank über das Wochenende ohne Rückgriff auf Steuergelder abwickeln zu können? Sollen wir ernst nehmen, dass Basel III mit 3-5 Prozent ungewichtetem Eigenkapital dem nächsten Crash vorbeugt? Und die Schattenbanken lasst Ihr sowieso gewähren. Bildet Ihr euch wirklich ein, sinnvolle Stresstests durchführen zu können angesichts der völlig undurchsichtigen Bilanzen der Großbanken mit gigantischen Derivatepositionen und der steueroptimierenden Verteilung auf dutzende Länder?

Streng und konsequent seid ihr eigentlich nur gegenüber den Südländern im Rahmen der Troika mit Euren Austeritätsprogrammen gewesen und indem Ihr Griechenland den Bargeldhahn zugedreht habt. Umso großzügiger ward Ihr gleichzeitig gegenüber der Finanzbranche. Durch die Nullzinspolitik kommen diese Akteure günstig an Zentralbankgeld, ihr habt viele toxische Wertpapiere aufgekauft und den Hauptschuldigen der Finanzkrise seit nunmehr 10 Jahren Geld („Liquidität“) hinterhergeworfen. Dein Vorgänger, Christine versprach, (fast) alle Banken aus dem Sumpf zu ziehen, „whatever it takes“. Du hast angedeutet, diesen Weg weiter zu verfolgen, ganz im Sinne der Devise: Die Zentralbank ist in erster Linie die Bank der Banken.

Die EZB ist zum Hauptaufkäufer von Staatsanleihen und auch von einigen privaten Anleihen von Großkonzernen geworden, was deren Kurse schön hochdrückte und sich in den Bilanzen der Kreditinstitute gut machte. Oder diese konnten die Wertpapiere zu guten Preisen an die EZB als Ersatzversicherer weiterverkaufen. So entstand eine monetäre Zentralverwaltungswirtschaft mit völlig verzerrten Preisen und dieses Aufkaufprogramm soll seit Deinem Amtsantritt wiederaufgenommen werden. Ganz nebenbei habt Ihr es geschafft, dass man nicht mehr risikoarm sparen kann. Wer nichtspekulativ sein Geld hält, verliert jedes Jahr Geld. Und die Vermögen der bereits Wohlhabenden, die Aktien, Immobilen usw. besitzen, steigen dank Eurer Geldflutung immer weiter.

Wenn Ihr wirklich nachfragewirksam Geld unters Volk bringen wollt, dann schenkt doch jedem Bürger ein paar tausend Euro (Helikopter-Geld), ihr könnt und dürft das. Das wäre mal nicht Umverteilung nach oben. Aber ihr bildet ja eine Interessengemeinschaft mit (Groß)Banken und dem Politestablishment, das hätten wir fast vergessen.

Im Bund mit den Euro-Staaten, die wegen hoher Kurse ihre neuen Staatsanleihen zu niedrigen Zinsen verhökern können, habt ihr es geschafft, dass keine nennenswerten Reformen in den letzten 10 Jahren unternommen wurden. Die Staaten können sich günstig weiter verschulden, dank Eurer Ankaufpolitik. Damit verhindert Ihr notwendige Strukturreformen in den Euroländern. Diese könnten ohne Probleme schuldenfrei sein, wenn Mindestunternehmenssteuern, Erbschafts- und Vermögenssteuern eingeführt und Steueroasen ausgetrocknet würden. Aber der Politikbetrieb denkt ja bei Reformen nur an Kürzungen im Sozialbereich und Abgabenerhöhungen für die 99 Prozent.

Ihr denkt lieber darüber nach, wie man bei der nächsten Krise das fragile Kartenhaus retten kann. Wir wissen, dass Ihr – und eine ganze Reihe von Inside-Job-Wirtschaftswissenschaftler – dann gerne Negativzinsen einführen würdet, damit eine glatte Enteignung auch unserer Sparguthaben jenseits demokratischen Legitimationsbedarfs stattfinden kann. Dazu muss man nur noch das Bargeld abschaffen, damit wir nicht mehr aus dem Finanzsystem rauskönnen und den letzten Rest an Datenschutz durch den Verlust der Bargeldanonymität verlieren. Wir wissen, dass beim IWF, von dem Du, Christine, als Präsidentin kommst und dessen Spitzenpositionen nicht ohne US-Zustimmung besetzt werden, bereits Pläne vorliegen, wie man die Abschaffung des Bargeldes durchziehen könnte. Bei der EZB liegen ähnliche Planspiele vor.

Was wir Euch aber am meisten übel nehmen ist Eure völlige Ignoranz gegenüber der vor unseren Augen sich abspielende Ökokalypse. Ihr mischt Euch angesichts Eures Mandats in erstaunlich viele Dinge ein, aber die wichtigste Frage der Zeit: das Überleben der menschlichen Zivilisation und der Biosphäre habt Ihr nicht auf dem Schirm. Anstelle surrealer Bankenstresstests solltet Ihr Euch mal an erster Stelle Gedanken über den Stress machen, den die von euch abhängige Wachstumsgesellschaft auf die Umwelt ausübt.

Als mächtige Instanz, die in einem Papiergeldstandard viele Möglichkeiten hat, solltet Ihr Euch mal Gedanken über eine ökologisch nachhaltige Kreditvergabepolitik machen. Wir brauchen eine intelligente Art ökologischer Kreditlenkung, um der weiteren Zerstörung Einhalt zu gebieten und den Um- oder wohl eher Rückbau unseres heutigen Wirtschaftssystems möglichst schnell hinzubekommen. Eine moderate Kreditlenkung hat es sogar schon gegeben zu Zeiten des Diskontsatzes in Westdeutschland. Würde die EZB bei ihren Refinanzierungsgeschäften und Anleihekäufen konsequent Klimarisiken einpreisen, könnte sie erheblichen Einfluss für eine grüne Zukunft ausüben. Die Entscheidung lautet nicht Neutralität oder Nichtneutralität der EZB-Politik, sondern: Soll die EZB der Finanz(groß)wirtschaft oder eher einer überlebensfähigen Biosphäre dienen?

Die notwendige Schrumpfung würde zu Beginn zu massiver Arbeitslosigkeit führen. Daher müsste eine grün ausgerichtete EZB Geld nicht zur Rettung der Finanz(groß)wirtschaft auf den Tisch legen, sondern zur Schaffung sozial-ökologischer Arbeitsplätze.

Liebe Christine, Du hast eine doppelte Klimaverbesserung (Transparenz und Ökobelange) versprochen. Wir werden Dich daran messen, wohl wissend, dass es eines Systemwechsels in Richtung Postwachstumsökonomie bedarf, der mit der nötigen Radikalität nicht von einer Institution zu erwarten ist, die sich bisher hauptsächlich als Liquiditätsspender und letzter Rettungsanker für die Finanzwirtschaft sieht. Solltest Du dich dennoch für eine grüne EZB entscheiden, könntest Du als Supergirl in die Geschichte eingehen.

Bonne chance!

Helge

Zuerst erschienen auf  NORBERT HÄRING – Geld und mehr

Norbert Häring ist seit 1997 Wirtschaftsjournalist. Vorher arbeitete der promovierte Volkswirt einige Jahre für eine große deutsche Bank. Er engagiert sich in der World Economics Association für eine weniger einseitige und dogmatische Ökonomik. Er ist Träger des Publizistik-Preises der Keynes-Gesellschaft und des Deutschen Wirtschaftsbuchpreises von getAbstract (Ökonomie 2.0). Helge Peukert ist außerplanmäßiger Professor für plurale Ökonomik an der Uni Siegen.

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