Eine unerwartete Wende in der US-Genderdebatte

Während bisher die Lager bei der Genderdebatte klar verteilt waren, bringt ein Artikel der New York Times Bewegung in die verhärteten Fronten.
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Gibt es im Wahlkampf eine Annäherung von Demokraten und Republikanern bezüglich der Positionen in der Genderdebatte?Foto: iStock
Von 12. Februar 2024

Kann eine Elfjährige ohne jeden Zweifel wissen, dass sie in Wahrheit männlich ist? Kann sie selbst entscheiden, ob sie Testosteron nehmen will? Versteht sie, was es besagt, steril zu werden – für immer? Kann ein Kind, das noch nie verliebt war, noch nie Sex hatte, begreifen, was der Verlust der Orgasmusfähigkeit bedeutet? Ist ihr klar, dass sie niemals – egal nach wie vielen Operationen – ein echter Mann werden kann?

In den USA sind die Rollen in der Genderdebatte klar verteilt: Die Demokraten stehen für eine „volle Unterstützung und Transbejahung“ auch für Minderjährige, während die Republikaner den „Genderwahnsinn“ beenden wollten.

So bekommt man auch sehr unterschiedliche Narrative, wenn man den Sender CNN einschaltet oder wenn man den Sender „Fox-News“ sieht.

Klare Verteilung der Positionen

Im ersten Fall sieht man die rapide Zunahme von Transkindern als eine Befreiungsbewegung an. Während es diese früher auch schon gegeben habe, hätten sie wegen mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz ein Leben im falschen Körper führen müssen.

Jetzt könnten sich diese Kinder endlich outen und es sei die Aufgabe der Gesellschaft, das ohne Wenn und Aber zu unterstützen. Der dazu passende Begriff ist die „genderbejahende Methode“, wonach Kinder in ihrem Transgefühl bestärkt werden und leichten Zugang zu Hormonen und geschlechtsangleichenden Maßnahmen erhalten.

Es soll auch Therapeuten untersagt sein, die Motive und Umstände des Unwohlseins im eigenen Körper zu untersuchen. Das wird als ein Verbot von „Konversionstherapie“ benannt, also Therapien, die darauf gerichtet sind, die sexuelle Orientierung oder die selbst empfundene geschlechtliche Identität einer Person gezielt zu verändern oder zu unterdrücken. Therapeuten, Lehrer, Eltern müssten das neue Geschlecht auf alle Fälle akzeptieren.

Schaut man „Fox-News“, so heißt es nicht „geschlechtsangleichende Maßnahme“, sondern es ist die Rede von „geschlechtsverstümmelnden Operationen und der unverantwortlichen Sterilisation von Minderjährigen“. Republikaner halten die Transdebatte für eine absurde Mode, die zumindest für Kinder und Jugendliche verboten gehört.

Innerhalb des christlichen Flügels ist mit dem Bibelzitat „Gott schuf den Menschen als sein Abbild, […] als Mann und Frau schuf er ihn,“ alles gesagt. Hier wird jedes Leben im anderen Geschlecht abgelehnt, auch für Erwachsene.

Zu schnell gestellte Diagnose

Zwischen den beiden Lagern gibt es wenig Überschneidungsfläche. Dazwischenstehen ist schwierig. Daher ist es umso bemerkenswerter, dass Pamela Paul in der „New York Times“, einem der drei am deutlichsten den Demokraten nahe stehenden Medienhäuser der USA, in einem langen Kommentar deutlich vom demokratischen Narrativ abweicht. Und das mitten im Präsidentschaftswahlkampf.

Dabei stellt die Autorin zunächst ausführlich die Geschichte dreier Detransitioner dar. Das sind Menschen, die ihr offizielles Geschlecht gewechselt und es später bereut haben. Sie betont, dass in allen Fällen die Diagnose „Geschlechtsdysphorie“ – sprich eine Störung in Bezug auf die Identität mit dem biologischen Geschlecht – zu schnell gestellt und die Gesamtsituation zu wenig erforscht worden sei.

Grace Powell, eine der Detransitioner sei kein einziges Mal während der langen Jahre der Geschlechtsumwandlung gefragt worden, welche Gründe hinter ihrer Geschlechtsdysphorie stecken könnten. Niemand hätte etwas über ihre sexuelle Orientierung wissen wollen. Dabei sei es bekannt, dass viele Kinder vor der Pubertät ihre gefühlte Homosexualität als Leben im falschen Geschlecht wahrnehmen.

Nicht ein einziges Mal sei sie nach früheren Traumata gefragt worden, sodass keiner der Ärzte oder Therapeuten etwas von ihren sexuellen Missbrauchserfahrungen als Kind mitbekam, mit denen der Wunsch, den weiblichen Körper in einen männlichen einzutauschen, durchaus in Zusammenhang stehen könnte.

Gegenhormone machen Kinder nicht glücklicher

Weiterhin kommen in dem Artikel zwei Psychologinnen zu Wort, die früher überzeugt protrans waren, durch ihre praktische Tätigkeit aber große Zweifel bekamen. Die erste, Laura Edwards-Leeper, war Gründungsmitglied der ersten Genderklinik in den USA und fordert mittlerweile laut, Wünsche von Jugendlichen nach Geschlechtsumwandlung zu hinterfragen. Sie vermutet in der Mehrheit der Fälle seelische Störungen als die eigentliche Ursache für den Wunsch, trans zu sein.

Die andere Psychologin wurde massiv von der Translobby attackiert, nachdem sie die bisherige Praxis, jedes Kind in seinem Transwunsch zu bestärken, nicht mehr mittragen wollte. Sie hatte über viele Jahre das Gefühl bekommen, viel zu früh Tatsachen für die betroffenen Kinder zu schaffen, die nicht mehr rückgängig zu machen seien.

Im hinteren Teil des Kommentars legt die Autorin wissenschaftliche Erkenntnisse dar, nach denen Pubertätsblocker und Gegenhormone Kinder nicht glücklicher gemacht haben. Denn die Aussage, Kinder würden sich ohne die Medikamente umbringen, sei nicht haltbar, und dass viele der Jugendlichen aus ihrer Geschlechtsdysphorie herauswüchsen, wenn man einfach abwarte.

Sie kritisiert deutlich und offen die Praxis der Translobby, jeden kritischen Gedanken zu dem Thema als transphob zu brandmarken. Der genderbejahenden Methode für Minderjährige wird eine klare Absage erteilt.

Im letzten Abschnitt ruft sie die Transverbände dazu auf, sich bei ihren Forderungen auf erwachsene Transgenderpersonen zu beschränken, weil dies die Mehrheit der Amerikaner mittragen könne. Die Behandlung von Kindern sollte nicht mehr verlangt werden. Keine Hormone und Operationen und kein Verbot, die Gründe für einen gewünschten Geschlechtswechsel zu erforschen.

Dazu, so schreibt sie, wäre es nötig, sich über den Kulturkampf zu erheben und zurückzukehren zur Vernunft. „And it would be the right thing to do“.

Distanz zu den Forderungen der Transverbände

In Zeiten des Wahlkampfs sucht man Mehrheiten. Die Mehrheit der Amerikaner aber steht einer Geschlechtsumwandlung im Kindesalter negativ gegenüber. Nun geht die wichtigste, den Demokraten zugeneigte Zeitung auf Distanz zu den Forderungen der Transverbände.

Hier ergeben sich wichtige Fragen: Werden die Demokraten ebenfalls eine Kehrtwende vollziehen? Falls ja, werden sie auch dabei bleiben, wenn die Wahl vorbei ist?

In Deutschland wird die Behandlung von Kindern in Leitlinien geregelt. Bislang gibt es keine Altersgrenzen oder Einschränkungen für die Behandlung von Kindern mit Hormonen. Seit dem 12. Juni 2020 ist es hierzulande verboten, die selbst empfundene geschlechtliche Identität eines Kindes gezielt verändern zu wollen oder zu unterdrücken.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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