Gerade im Krieg ist Image alles

Wir konsumieren Projektionen: Parallel zum echten Krieg in der Ukraine tobt ein gnadenloser Image War in den Medien. Ein Krieg um die Bilder und das (eigene) Image. Ein Kommentar.
Titelbild
Kinder auf einer Schaukel, auf der eine Ukraine-Flagge angebracht ist.Foto: KOEN VAN WEEL/ANP/AFP via Getty Images
Von 19. März 2022


Dieser Krieg ist zweifellos eine humanitäre Katastrophe und Tragödie für das ukrainische Volk. Die Toten – es sollen Tausende sein – sind real, daran kann kein Zweifel bestehen. Und doch lohnt es auch einmal auf die Nebengeräusche des Schlachtfeldes zu achten, auf die im Schatten der Sensationsreportagen operierenden Informationskrieger, deren Aufgabe es ist, die öffentliche Meinung zu manipulieren.

Imagebildung in den Medien

Jede Nachricht über den Krieg hat in der Komfort-Zone des Zuschauers eine image-bildende oder image-schädigende Wirkung und soll sekundär dafür sorgen, dass Medienrealität auch weiterhin als getreues Abbild der Wirklichkeit akzeptiert werden wird.

Ob eine neue Nachricht als glaubwürdig eingestuft wird, hängt dabei im Wesentlichen vom Absender ab. Russlands Image hat seit der sogenannten Maidan-Revolution enorm gelitten. Der offizielle Bedeutungs- und Referenzrahmen ist in den letzten Wochen noch einmal enger geworden; es wimmelt nur so von Abwärtsvergleichen, „Amygdala-Hijacking“ (das mediale Auslösen von Angst und Stress beim Rezipienten) scheint das Gebot der Stunde zu sein.

Über „die Russen“ wird nur noch im Pejorativum berichtet. Durch den sich als „die neue Normalität“ gebärdenden Konformismus wurden in Deutschland auch schon früher wichtige Diskurse verhindert; doch jetzt erwartet den Medienkonsumenten nur ein Dauerfeuer an Nudging (Angestupst-Werden vom „Staat“), das ihm vielleicht einen Endorphin-Flash am Rechner besorgt, aber seine Entscheidungsfreiheit nach verhaltenspsychologischen Regeln umspielt.

Die breite Masse soll offenbar unterhalb der kognitiven Wahrnehmungsgrenze gehalten werden, eine mediale Tunke  („Hot Saucing“) aus Halbwahrheiten und grässlichen Bildern verhindert, dass einem der klare Gedanke gar nicht erst einfallen kann. Man soll nur noch fühlen, mitfühlen, nicht analysieren.

Mit Worten madig machen

Sahra Wagenknecht, eine der wenigen Stimmen, die die blitzartig geplante jährliche deutsche Aufrüstungsorgie von 100 Milliarden Euro zuerst kritisierte, wurde selbst von Parteifreunden „völlige Empathielosigkeit“ unterstellt. In der „seelisch militarisierten“ Zone der guten Menschen – inmitten begrifflicher Minenfelder – wird einer, der Kontext spricht, sofort zum Verräter erklärt, weil jeder kluge Gedanke – dort ausgesprochen – zwangsläufig falsch klingen muss. Emo-Arbeit am Image des Gegners geht vor.

Selbst der viel geschmähte Hass scheint in kürzester Zeit rehabilitiert, vorausgesetzt er trifft den „Irren im Kreml“, den „Mafiosi“ und „größenwahnsinnigen Zaren“. Ähnlich Schmeichelhaftes warfen die Medien einem George W. Bush nicht an den Kopf, als er 2003 den Irak bombardierte. Wo war da – angesichts einer halben Million Toter – das Mitleid und die große Empörung? War nicht auch Bushs Krieg geopolitisch motiviert?

Anschläge auf russische Supermärkte

Das rasende Heer deutscher Haltungsjournalisten scheint sich nicht mit der Vergangenheit aufhalten zu wollen, – und wem würden solche Vergleiche auch nützen? Gewiss nicht der One World Vision, der die westlichen Medien dienen.

Die Nebenwirkungen ihrer Arbeit bekommen andere, weniger mächtige Russen zu spüren. Das zeigte sich bereits in Berlin, als sich die Senatsverwaltung am 3. März bemüßigt sah, vor Übergriffen auf russischstämmige Kinder an Schulen zu warnen.

Neue Anschläge auf russische Supermärkte und das hysterische Canceln von renommierten Künstlern (Valerie Gergiev, Anna Netrebko) lassen ahnen, wie aufgeladen die Atmosphäre in Deutschland ist. US-Präsident Biden hatte Putin gerade einen Mörder genannt, da stand das Wort schon groß als Graffiti an der Wand einer brennenden deutsch-russischen Schule. Das Wort könnte zur Kriegsmeme werden.

Meinungsfreiheit und Mob

Echte Stichwortgeber des zivilgesellschaftlichen Mobs bleiben aber jene zumeist öffentlich-rechtlichen Medien, die sich in den letzten Jahren geradezu überboten, Wörter wie „Hassverbrechen“ zu etablieren. Der nun öffentlich begangene Verrat der eigenen Werte dürfte die Glaubwürdigkeit der westlichen Medien einmal mehr untergraben.

Wer einerseits die Meinungsfreiheit aus vorgeblich ethischen Gründen beschneidet, andererseits – wenn es nützlich erscheint – den Mob von der Leine lässt, bestätigt indirekt ein äußerst flexibles Verhältnis zur Wahrheit. 

Vordergründig geht es nun darum, die für das Image des Westens unbequemen Fragen nicht zu formulieren: Wieso wurden Russlands Sicherheitsbedenken seit einer Dekade ignoriert, wieso trieb man die Nato-Ost-Erweiterung trotz allem voran und wieso glauben die USA noch immer, auf dem eurasischen Kontinent als Weltpolizist Fakten schaffen zu können?

Niemand wird diese Fragen stellen. Russland, der Aggressor, steht im einseitigen Blame Game, dem Spiel um die Schuldfrage, einer geschlossenen Meinungsfront gegenüber – was die selbststigmatisierenden Versuche der Duma erklärt, den Krieg um Ruf und Reputation wenigstens im Inland für sich zu entscheiden.

Einzelne Wörter wurden inzwischen verboten, Twitter und Facebook gesperrt, nachdem bekannt geworden war, dass Mark Zuckerbergs Meta-Konzern Morddrohungen gegen russische Politiker mit Ansage toleriert. „Als Folge der russischen Invasion (…) haben wir vorübergehend Formen der politischen Meinungsäußerung zugelassen, die normalerweise gegen unsere Regeln verstoßen, wie z. B. gewalttätige Äußerungen wie ‚Tod den russischen Invasoren’“, ließ ein Meta-Sprecher gegenüber „Reuters“ verlauten. Demnach sind Morddrohungen also „Daumen hoch“, und ein anschaulicheres Beispiel für die Doppelbödigkeit des sogenannten Netzdurchsetzungsgesetzes lässt sich kaum finden.

Tatsächlich erleben wir gerade, wie sich bestimmte neu etablierte Obrigkeiten selbst demaskieren. Die öko-sozialistische, nach globaler Einigkeit strebende Macht, die sonst so tut, als wäre der „Deep State“ nur Verschwörungstheorie, zeigt in diesem Krieg erstmals ihr wahres Gesicht. Zuckerberg und viele andere „woke“ und symbolpolitisch agierende „High Net Worth Individuals“ haben sich längst als amerikanische Oligarchen entpuppt.

Kein Interesse an komplexen Zusammenhängen aufkommen lassen

Doch die Erkenntnis Einzelner heißt nicht, dass auch die Öffentlichkeit diese äußerst interessanten Nebeneffekte wahrnimmt und berücksichtigt. Hier werden die kontaminierten Informationshäppchen wie eine Art digitale Stimuli konsumiert.

Angesichts der Vielzahl von unterhaltsamen „Storys mit Seriencharakter“ dürfte ein Interesse an komplexen Zusammenhängen gar nicht erst aufkommen, wobei manches wirklich einen furchtbar billigen Beigeschmack hat: Während das Schachern um Fluchtkorridore eher langweilig ist, posieren die Gebrüder Klitschko vor dem Spruch „Bis auf den letzten Blutstropfen!“.

Komplementiert werden solche PR-Kampagnen selbstverständlich immer von realen Bildern notleidender Menschen, deren Namen freilich nicht prominent genannt werden. Wer würde bezweifeln, dass ein Gros der Berichterstattungen bislang dazu diente, innenpolitisch den medialen Marktwert von Politikern zu steigern? 

Exemplarisch muss auch erwähnt werden, dass all die deutschen Berufsbetroffenen und „verwundeten Rehe vom Dienst“ zur Zeit Überstunden schieben, um ihren Beitrag im Imagekampf gegen Putin zu leisten: Markus Lanz lud beispielsweise eine Klimaaktivistin ein; deren Auftritt lief allerdings auf eine Selbstdemontage hinaus.

Nicht anders verhält es sich, wenn Supermarktketten wie Lidl, Aldi, Netto, Penny und Kaufland verkünden, Produkte „Made in Russia“ ausgelistet zu haben; eine sehr leicht durchschaubare Erzeugung eines Gefühlsmusters – bei dem man als Marke nichts falsch machen kann.

Halten wir abschließend fest: Das Image von Putins Russland war nie besonders attraktiv, doch die medial erzeugten Deformierungen, die gerade in diesem ungleichen Kräftemessen der Medien entstehen, deuten darauf hin, dass der Westen in Richtung eines neuen Kalten Kriegs tendiert.

Wo sich ein nuklearer Schlagabtausch für beide Seiten aus verständlichen Gründen verbietet, ist die Informationssphäre ein formidables Gelände und entspricht der gesellschaftlichen Entwicklung des Westens von Marktwirtschaft zur Meinungswirtschaft. In diesem Kontext ist die stärkste Medienmaschinerie – und nicht eine Panzerarmada – die kriegsentscheidende Macht. 

Thor Kunkel ist studierter Kommunikationswirt, Dozent und Kreativ-Direktor einer Schweizer Werbe-Agentur. Als Bestseller-Autor wurde er 2004 international bekannt. Soeben erschien sein neuer Roman „Im Garten der Eloi“ im Europa-Verlag.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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