Nun heißt es also „Eine-Welt“ – Eigeninteressen sind nicht mehr erlaubt

Menschliche Sehnsüchte verschwinden nicht, sie verändern sich. Statt Gottesglaube steht nun der Glaube an politische Götter im Mittelpunkt. Aktuell ist es der Glaube an die „Eine-Menschheit“. Der Westen braucht einen neuen Realismus der Selbstbegrenzung.
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Die Interessen von Milliarden Menschen sind unterschiedlich. Prof. Heinz Theisen wirbt um ihre Anerkennung und für den Respekt vor der eigenen Kultur. Symbolbild.Foto: iStock
Von 26. Januar 2023

Es scheint sich um eine historische Gesetzmäßigkeit zu handeln. In dem gleichen Maße, wie der Gottesglaube sinkt, steigt der Glaube an politische Götter. In der westlichen Welt erreicht das Bekenntnis zum Christentum immer neue Tiefstände.

Doch gemäß dem Energieerhaltungssatz verschwinden die im Menschen angelegten Sehnsüchte nicht, sie verändern sich. Jetzt richtet sich der Glaube an die eigene Moral und statt Gott steht die „Eine-Menschheit“ im Mittelpunkt.

Es ist kein Zufall, dass die Moralisierungen des woken Denkens an den Universitäten der USA begannen. Für die Studenten – meist aus reichem Haus – dient es als eine Art Ablasshandel für ihre Privilegien.

Indem sie ihre Werte gleich auf die ganze Welt ausdehnen wollen, erheben sie einen Wahrheitsanspruch, der zumal von deutschen Gesinnungseiferern umgehend übernommen wurde. Vor dem Horizont der „Einen-Welt“ sind Eigeninteressen nicht länger statthaft und werden als nazistisch oder rassistisch diffamiert.

Bußgelder der reicheren Staaten gefordert

Dieses selbstverleugnende globale Denken droht, lokale Interessen zu ruinieren. Ein Beispiel sind die Migrationsströme, die durch offene Grenzen und falsche Anreize über uns hereinbrechen. Zu kritisieren sind nicht die Menschen, die kommen, sondern diejenigen, die dies durch falsche Anreize und mangelnde Kontrolle provozieren und ermöglichen.

Bei der Ausbreitung des Coronavirus von einer chinesischen Epidemie zur Pandemie wurden weitere Schattenseiten der mutwilligen Entgrenzungen offenkundig. Aktuelle Engpässe am Medikamentenmarkt entlarven den Globalismus selbst als ökonomische Utopie.

Mit dem Krieg in der Ukraine und dem folgenden Sanktionskrieg des Westens gegen Russland ist die „Eine-Welt“ vollends an der Realität zerschellt, woraus sich die undiplomatische Wut erklärt, „Russland ruinieren“ (Annalena Baerbock) zu wollen. Auch die „feministische Außenpolitik“ wird etwa in Afghanistan nicht umarmt. Die 200 Millionen Euro, die Ministerin Baerbock zur Frauenförderung an die Taliban überwies, wurden angenommen und die Schulen und Hochschulen für Frauen geschlossen.

Die „Global Governance“ endet in Pakten mit sich selbst in einem weltweiten Migrations-, Klima- und Biodiversitätspakt. Wer sich an die Vereinbarungen hält, erleidet Konkurrenznachteile. Wichtig sind den Staaten des „Globalen Südens“ Bußgelder der reicheren Staaten. Der Globalismus des Westens wird in anderen Kulturen nicht ernst genommen, sondern ausgenutzt.

Die Globalisierung wird weitergehen – der Globalismus nicht

Das Gesetz der Kostenvorteile im Freihandel wird auch in Zukunft Geltung behalten. Über die Grenzen, was dem Wettbewerb ausgesetzt werden soll und was nicht, müsste aber im Lichte lokaler und nationaler Interessen gestritten werden.

Bei den immerzu als „Rechts“ geschmähten Kräften handelt es sich in Wirklichkeit um Protektionisten, die das Eigene schützen wollen. Je stärker diese Kräfte ins Abseits gedrängt werden, desto stärker drohen sie sich zu extremisieren. Stattdessen müsste sie in neuen Diskursen über lokale Mittelwege zwischen Globalismus und Protektionismus eingebunden werden.

Die großen Konflikte der Gegenwart handeln nicht mehr zwischen Links und Rechts, sondern zwischen Globalisten und Protektionisten. Letztere fordern etwa eine Dezentralisierung der Grundversorgung an Medikamenten oder auch Nahrung und mehr Protektion für mittelständische Existenzen. Die Suche nach lokalen Mittelwegen ist die politische Aufgabe der Zukunft.

Der Aufbau kontrollfähiger europäischer Grenzen wäre die wichtigste Voraussetzung für mehr Schutz des Eigenen. Jenseits von utopischem Globalismus und regressivem Nationalismus wäre die Koexistenz der Kulturen und großen Mächte anzustreben. Die Europäer müssen entscheiden, ob sie selbst eine Macht oder nur ein Objekt sein wollen.

Rekonstruktion der bürgerlichen Gesellschaft

Der zwar berechtigte, aber unzureichende Zorn von Wutbürgern droht ohne jeden Gottesbezug und eigenen positiven Erzählungen zu scheitern. Sowohl Trump als auch die Brexiter reagierten nur auf Teilprobleme der Globalisierung und blieben ihr damit verhaftet. Eine neue Kulturrevolution dürfte sich nicht primär an der Wiederherstellung der Vergangenheit orientieren („Take back Control“; „Make America Great Again“).

Sie würde die besseren Elemente der Vergangenheit für eine Neugestaltung der Zukunft nutzen. Auf die christlichen Weisheiten über die Natur des Menschen, der benediktinischen Regeln und der christlichen Soziallehre kann der einst „Abendland“ genannte Westen nicht verzichten. Im Christentum hat die Trennung von geistigen und weltlichen Kategorien den Keim für die Freiheit etwa von Wissenschaft und Wirtschaft gelegt. Mit den Grenzen des Christentums werden zugleich die Grenzen des Westens und seiner Selbstbehauptung deutlich.

Unsere Kultur ist in ihrem Wesenskern durch gegenseitige Ergänzungen von ideellen und materiellen, kulturellen und zivilisatorischen Kräften gekennzeichnet. Diese Ergänzungen beginnen im Ideal der Bürgerlichkeit mit ihrem spezifischen Ausgleich von Rechten und Pflichten.

Aber es geht auch um die Wiederannäherung der unterschiedlichen bürgerlichen Ideologien. Die Einsicht in die Notwendigkeit einer Selbstbegrenzung könnte dabei helfen. Sofern etwa dänische Sozialdemokraten den Sozialstaat und liberale Aktivisten individuelle Freiheitsrechte vor der Scharia schützen, würden linke und rechte, liberale und konservative Kräfte wieder zusammenrücken.

Und schließlich kann die ungeheure Komplexität der globalen Prozesse nicht von einem Weltgehirn bewältigt werden. Gefordert ist vielmehr eine umfassende Dezentralisierung – angefangen beim Wiederaufbau familiärer Lebensformen, der sich fortsetzt beim größeren Schutz regionaler, nationaler und europäischer Wirtschaftsräume. Vor allem aber ginge es statt um Selbstverleugnung und Selbsthass, um die Anerkennung der eigenen Interessen und den Respekt vor der eigenen Kultur.

Über den Autor:

Heinz Theisen ist Professor für Politikwissenschaft und Autor, zuletzt erschien sein Buch „Selbstbehauptung“. Er lehrte als Gastdozent auch in Osteuropa und im Nahen Osten, darunter in Bethlehem und Jordanien.

In seinem neuen Buch „Selbstbehauptung: Warum Europa und der Westen sich begrenzen müssen“ beschreibt der Politikwissenschaftler eine multipolare Welt, in der Kulturen und Mächte koexistieren und eine Strategie der Eindämmung gegenüber feindseligem Totalitarismus verfolgen.

Olzog edition im Lau Verlag, Reinbek. Weitere Informationen unter www.lau-verlag.de/titel/selbstbehauptung/

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