Hat Steinmeier seine politischen Gegner „entmenschlicht“?

„Wir lassen uns dieses Land nicht von extremistischen Rattenfängern kaputtmachen.“ Dieser Satz von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erregt seit Tagen die Gemüter in Deutschland. Manch einer sieht den Sozialdemokraten im Amt fehl am Platz.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Zehntausenden Helferinnen und Helfern in den Hochwassergebieten gedankt und seine Hochachtung ausgesprochen (Archivbild).
Archivbild: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Teile der Opposition „extremistische Rattenfänger“ genannt und damit einen Sturm der Entrüstung entfacht.Foto: Annette Riedl/dpa
Von 5. Februar 2024

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Seit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) am vergangenen Montag Seite an Seite mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern den bundesweiten Schulterschluss im Kampf gegen den Rechtsextremismus gefordert hat, ist in den sozialen Medien viel Kritik zu vernehmen. Der Unmut entzündete sich weniger an Steinmeiers Bündelungsappell, sondern vielmehr an der Tatsache, dass das Staatsoberhaupt sein Unbehagen mit einer „tierischen“ Metapher zum Ausdruck gebracht hatte:

Ganz gleich, ob Vorstand oder Vorarbeiter und ganz unabhängig von der Parteizugehörigkeit, wenn unsere Demokratie angegriffen wird, dann ist eine Grenze überschritten, bei der Gegensätze hintanstehen, dann muss die demokratische Mitte, die große Mehrheit unserer Gesellschaft Position beziehen und deutlich machen: Wir stehen zu unserer Demokratie, wir verteidigen dieses Deutschland und wir lassen uns dieses Land nicht von extremistischen Rattenfängern kaputtmachen.“ (Video circa ab Minute 2:20 auf YouTube)

Die Epoch Times hakte beim Bundespräsidialamt nach, um zu erfahren, auf wen oder was genau der Präsident seine Kritik bezogen hatte. Bis zum Redaktionsschluss am 5. Februar blieb eine Reaktion aus.

Zu scharfe Wortwahl?

Der prominente X-Nutzer Ali Utlu hatte den Ausschnitt von Steinmeiers Ansprache gepostet, in dem das Rattenfänger-Zitat vorkam. Seine Meinung dazu: „Wenn man Millionen Bürger als Ratten bezeichnet, ist man als Bundespräsident ungeeignet.“

Das scheinen auch viele andere X-User so zu sehen. Der in der Corona-Zeit als Maßnahmengegner bekannt gewordene Rechtsanwalt Markus Haintz etwa kam offenbar auf einen ähnlichen Gedanken: „Bundespräsident Steinmeier bedient sich einer menschenverachtenden Sprache & entmenschlicht den politischen Gegner. Das haben die echten Nazis auch getan. Diejenigen, die das benennen, werden mit Strafverfahren wegen ‚#Volksverhetzung‘ überzogen werden. Der wahre Hetzer ist er.“

Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz twitterte eine „Kleine Nachhilfe für @Haintz_Media: Hinter dem Rattenfänger von Hameln liefen nicht nur die Ratten, sondern auch Kinder und Jugendliche her, die sich von den Flötentönen angezogen fühlten. Also: Rattenfänger = AfD. Verführte und verwirrte Hinterherlaufende = AfD-Wähler.“

Das rief wiederum den Finanzprofessor Stefan Homburg auf den Plan: „Korrekt, @polenz_r: Ein Rattenfänger fängt Ratten, Kinder und Jugendliche. Wer jeden Tag mit Nazi- und Faschismusbegriffen um sich wirft, findet das ok. Ich finde es nicht ok und für einen Bundespräsidenten absolut ungehörig. Steinmeier ist der schlechteste, den wir je hatten.“

Reitschuster nennt Steinmeier „Demokratiefeind“

Der Journalist Boris Reitschuster kommentierte: „Der Mann scheint seine linksextremistische Jugendzeit nie überwunden zu haben. Er hat den Begriff ‚Demokratie‘ gekapert und pervertiert. Der wahre Demokratiefeind ist er.“

Der Rechtsanwalt Dr. Harald Wozniewski erinnerte mit vier Fotokacheln an weitere Aufreger aus Steinmeiers Vergangenheit, zum Beispiel an jene Zeit, in der der Jurastudent als Autor der vom Verfassungsschutz beobachteten juristischen Zeitschrift „Demokratie und Recht“ auftrat. Oder die Sache mit der Streumunition: Steinmeier hatte im Juli 2023 gesagt, dass man den Vereinigten Staaten von Amerika bei ihren Lieferungen von Streumunition an die Ukraine „nicht in den Arm fallen“ solle. Das hatte dem Präsidenten viel Schelte und eine Strafanzeige eingebracht. Juristische Konsequenzen muss Steinmeier aber nicht fürchten: Als Staatsoberhaupt genießt er Immunität.

Der X-Nutzer Michael C. Müller lenkte den Blick weg vom Präsidenten und hin zu den vermeintlich adressierten „Ratten“: „Interessant finde ich jedoch, dass die AFD es so interpretiert und sich ihre Sympathisanten angesprochen fühlen. Wäre ein normaler Mensch nicht drauf gekommen. Betroffene Hunde…“

„KirTyun“ öffnete eine andere Perspektive: „Ich finde es ja immer schade, dass nur das ‚Rechtsextreme‘ verurteilt wird, aber man kaum was gegen die Linksextremen-Szene dahingehend hört.“ In der Tat hatte Steinmeier bei seiner Rede auf die Ächtung von Extremismus verzichtet, wenn er aus dem linken oder religiösen Lager kommt:

Natürlich haben Unternehmer und Gewerkschaften zu vielen Fragen der Gegenwart unterschiedliche Antworten, auch zu Parteien und Politik. Aber ich weiß, dass sie eines eint: das Eintreten für unsere Demokratie und die entschiedene Ablehnung jeder Form von Rechtsextremismus.“ (Video circa ab Minute 3:48 auf YouTube)

Weidel spricht von „beispielloser Verleumdungskampagne“

Dr. Bernd Baumann, der erste parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, hatte am Tag der Steinmeier-Rede die bundesweiten Demos „gegen Rechts“ als „letzte[n] Versuch, das letzte Aufgebot, in den auf uns zukommenden Wahlen noch irgendwie zu punkten“, bezeichnet (Video circa ab Minute 1:44 auf „Tagesschau“).

Die AfD-Co-Bundesvorsitzende Alice Weidel meinte: „Die Demokratie gefährden vor allem hochrangige Funktionsträger in Deutschland, die aus 10 Mio. Wählern indirekt ‚Ratten‘ machen – so wie es der zur Neutralität verpflichtete #Steinmeier gestern getan hat.“

Während ihrer Rede über den Bundeshaushalt 2024 am 31. Januar lenkte sie den Fokus wieder auf die Proteste der „Bauern, Handwerker, Mittelständler, Gastwirte, Händler“ und „Transportunternehmer“: „Drei Viertel der Deutschen stehen hinter den Mittelstandsprotesten, drei Viertel wünschen sich ein Ende dieser Regierung“, sagte Weidel. Es gebe augenblicklich „eine beispiellose Verleumdungskampagne“ gegen jene Proteste und „gegen die Oppositionskraft, auf die immer mehr Bürger ihre Hoffnung setzen“. Die AfD-Gegner handelten wohl nach dem Motto „Wird der Bürger unangenehm, bezeichne ihn als rechtsextrem“.

Ein „Correctiv“-Artikel als Auslöser

Das auch mit viel Steuergeld finanzierte Onlineportal „Correctiv“ hatte am 10. Januar 2024 mit einem inzwischen höchst umstrittenen Artikel über ein Treffen von AfD- und CDU-Politikern mit Privatpersonen in einem Landhotel bei Potsdam den „Kampf gegen rechts“ neu angefacht – zwei Tage nach dem Auftakt der Mittelstands- und Bauernproteste. Inzwischen kamen einige Ungereimtheiten zum Gebaren des „Correctiv“-Teams ans Tageslicht.

Bei dem Potsdamer Treffen war es auch um das Thema Remigration gegangen. Als Redner zu Gast war auch Martin Sellner, der Kopf der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Identitären Bewegung (ID) Österreichs. Das „Recherchenetzwerk“ weckte zum Vortrag von Gastreferent Sellner Assoziationen zur NS-Zeit:

Was Sellner entwirft, erinnert an eine alte Idee: 1940 planten die Nationalsozialisten, vier Millionen Juden auf die Insel Madagaskar zu deportieren. Unklar ist, ob Sellner die historische Parallele im Kopf hat. Womöglich ist es auch Zufall, dass die Organisatoren gerade diese Villa für ihr konspiratives Treffen gewählt haben: Knapp acht Kilometer entfernt von dem Hotel steht das Haus der Wannseekonferenz, auf der die Nazis die systematische Vernichtung der Juden koordinierten.“ (Hervorhebungen: Epoch Times)

„Deportieren“, „Wannseekonferenz“ und „Vernichtung“: Begriffe wie diese treiben die Menschen seitdem massenhaft „gegen Rechts“ auf die Straßen und beherrschen den politmedialen Diskurs über die AfD. Das ZDF etwa schrieb von „rechtsextremen Netzwerken“ und „völkische[n] Visionen“. Beweise für ihre Behauptungen blieben die „Correctiv“-Autoren bis heute schuldig.

Die angeprangerten Meetingteilnehmer wiesen bisher mit Nachdruck zurück, dass im Landhotel Worte wie „Deportation“ gefallen seien oder dass sie selbst irgendwelche Absichten verfolgen würden, die nicht mit dem Grundgesetz in Einklang stünden. In den Parteiprogrammen von AfD und CDU findet sich nichts davon. Die AfD-Fraktion im Bundestag wehrte sich ebenfalls gegen die Anschuldigungen (Video auf X). Dennoch trennte sich Alice Weidel wenige Tage nach Erscheinen des Artikels von ihrem Referenten Roland Hartwig, der in Potsdam dabei gewesen war.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion