Steinmeier will gesellschaftliche Kräfte bündeln – gegen Rechtsextremismus

Bundespräsident Steinmeier (SPD) will den bundesweiten Schulterschluss im „Kampf gegen den Rechtsextremismus“. In Berlin brachte er dafür sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmervertreter an einen Tisch. Und die waren sich schnell einig.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Zehntausenden Helferinnen und Helfern in den Hochwassergebieten gedankt und seine Hochachtung ausgesprochen (Archivbild).
Das Archivbild zeigt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD).Foto: Annette Riedl/dpa
Von 30. Januar 2024

Die gesamtpolitische Wetterlage in ganz Deutschland scheint sich immer mehr zuzuspitzen. Während Landwirte, Lkw-Fahrer und längst auch Teile des übrigen Mittelstands gegen die Politik der Ampelregierung protestieren, gehen vielerorts Tausende Menschen auf die Straße, um unter der Parole „Gegen rechts“ zu demonstrieren – zuweilen Seite an Seite mit Regierungsvertretern und Politikern wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) oder Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

Wie an vielen Plakaten abzulesen ist, richtet sich die Abneigung der Anti-Rechten vorwiegend gegen die Alternative für Deutschland (AfD). Doch die von Verfassungsschützern in Teilen als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestufte Partei scheint trotz aller Anfeindungen noch immer jedem fünften Wähler in Deutschland mehr zuzusagen als alle anderen politischen Kräfte, wie aktuelle Umfragen zeigen.

Steinmeier will „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ stärken

Nicht zum ersten Mal hat sich nun Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu den gesellschaftlichen Grabenkämpfen geäußert. Nach einer Pressemitteilung des Bundespräsidialamtes traf sich Steinmeier am Vormittag des 29. Januar 2024 mit „Vertreterinnen und Vertretern von Wirtschaftsverbänden, dem Deutschen Gewerkschaftsbund sowie Unternehmen und Betriebsräten“, um mit ihnen den „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ und den „Zustand der Demokratie in Deutschland“ auszuloten. Zu den geladenen Eliten im Schloss Bellevue zählten:

  • Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
  • Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
  • Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI)
  • Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH)
  • Katja Scharpwinkel, Leiterin der Region Europa, Naher Osten und Afrika bei BASF
  • Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG
  • Michael Häberle, Vorsitzender des Betriebsrates im Mercedes-Benz Werk Untertürkheim und Mitglied des Aufsichtsrats der Mercedes-Benz Group AG.

Gemeinsame Erklärung bereits verfasst

Der Präsident verlieh seiner Überzeugung Ausdruck, dass „das Eintreten für unsere Demokratie und die entschiedene Ablehnung jeder Form von Rechtsextremismus“ eine Sache sei, die „Unternehmer und Gewerkschaften“ trotz unterschiedlicher Positionen zu „Parteien und Politik“ vereine. Die „Sozialpartner“ wüssten, dass „der Kampf gegen den Rechtsextremismus auch ein Gebot der ökonomischen Vernunft“ sei. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der DGB hätten deshalb eine gemeinsame Erklärung verfasst.

In seiner eigenen Abschlussmitteilung forderte Steinmeier „ein breites Bündnis quer durch die Bevölkerung, quer durch Unternehmen, Kultur und Gesellschaft […] gegen Extremismus und für unsere Demokratie“. Deutschland brauche „Regierungen“ und „eine Opposition, die ihre Arbeit gut machen“.

Von „Rechtsextremisten“ und „Rattenfängern“

Zu warnen sei dagegen vor „politische[n] Extremisten“, die „Ängste planvoll schüren“ würden, „um sie für ihre verantwortungslosen Pläne zu missbrauchen“, sagte Steinmeier, „Wir lassen uns dieses Land nicht von extremistischen Rattenfängern kaputtmachen“. Man müsse sich gegen „Nationalistische Abschottung, [gegen] das Gerede vom Austritt aus der Europäischen Union [und gegen] Hass auf Menschen mit Migrationsgeschichte“ stellen. Wer genau die „Rechtsextremisten“ seien, die „Ausbürgerungspläne“ verfolgten und „Millionen Menschen – selbst deutsche Staatsbürger“ aus dem Land „vertreiben“ wollten, wie Steinmeier es darstellte, ließ er im Unklaren.

CSU-, FDP- und SPD-Vertreter für verschärfte Regeln

Zuletzt hatten Mitte November 2023 Angehörige von Regierungsparteien ganz offiziell über ihre Ausbürgerungspläne gesprochen. Der bayerische Innenminister Joachim Hermann (CSU) etwa verlangte nach Angaben des „Münchener Merkur“, dass „Straftätern die deutsche Staatsangehörigkeit wieder entzogen werden“ können sollte. Sein Parteikollege Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, hatte laut „Tagesschau“ ebenfalls den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft für Doppelpassinhaber verlangt, denen „antisemitische Einstellungen nachgewiesen werden“ könnten: „Wer nicht friedlich mit Juden leben will, der kann auch nicht in Deutschland leben“.

Ähnlich hatte sich auch FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr geäußert: „Zuwanderer, die diese Grundwerte nicht teilen, sind in unserem Land nicht willkommen. Sie riskieren ihren Aufenthaltsstatus und sie dürfen nicht eingebürgert werden“, zitiert ihn die „Tagesschau“.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte bereits im August 2023 vorgeschlagen, auch solche Angehörige ausländischer Familienclans abzuschieben, die keine Straftat begangen hatten.

Scholz kündigte „Abschiebungen im großen Stil“ an

Selbst Kanzler Scholz hatte knapp drei Wochen nach dem Hamas-Überfall auf Israel im „Spiegel“ (Bezahlschranke) Abschiebungen „im großen Stil“ angekündigt: Unbegrenzte Zuwanderung gefährde den Sozialstaat. Auch solche Menschen, die sich „nicht auf Schutzgründe berufen“ könnten und „keine Bleibeperspektive“ hätten, müssten nach Meinung von Scholz Deutschland verlassen. Das würde aktuell rund 250.000 Personen betreffen. „Wir müssen mehr und schneller abschieben“, verlangte der Kanzler. Bereits im September hatte er sich gegenüber dem ZDF für „entschiedenere Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern“ starkgemacht.

Seit den Ankündigungen des Kanzlers sind allerdings einige Monate ins Land gegangen, ohne dass es je „Abschiebungen im großen Stil“ gegeben hätte. Auch von einem massenhaften Entzug der deutschen Staatszugehörigkeit, den man angesichts der vielen Anti-Israel-Demonstrationen hätte erwarten können, war nicht mehr viel zu vernehmen.

„Correctiv“ kontra AfD

Das Thema ploppte erst wieder auf, nachdem ein Artikel des Rechercheteams „Correctiv“ ein Treffen von Politikern und Privatpersonen, das Ende November 2023 in einem Potsdamer Landhotel stattgefunden hatte, in einem schlechten Licht dargestellt hatte. „Correctiv“ wird auch aus Steuergeldern und privaten Stiftungen finanziert.

Bei dem Treffen waren neben CDU-Politikern auch eine Reihe von AfD-Vertretern anwesend. Als Referent geladen war damals auch der Publizist Martin Sellner, einer der Vordenker der als „rechtsextrem“ eingestuften Identitären Bewegung (IB) Österreichs. Es soll unter anderem um das Thema „Remigration“ gegangen sein – also um genau jenes Sujet, für das Spitzenpolitiker wie Hermann, Dobrindt, Faeser oder Scholz gerade größere Anstrengungen gefordert, aber nicht viel geliefert hatten.

„Correctiv“ hatte in seinem kritischen Potsdam-Artikel allerdings Assoziationen an „Deportationen“ und an eine „Wannseekonferenz 2.0“ geweckt. Inzwischen relativierte die stellvertretende Chefredakteurin Anette Dowideit den Bericht. Kaum war der Artikel am 10. Januar 2024 erschienen, nahm die Welle von Großdemos „gegen rechts“ enorm an Fahrt auf – parallel zu den Protesten des Mittelstands.

Keiner der bisher befragten AfD-Teilnehmer des Potsdamer Treffens bestätigte bislang die „Correctiv“-Version. Einige, wie etwa die Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy, der Staatsrechtler Ulrich Vosgerau oder Gastredner Sellner wollen juristisch gegen die Darstellung des Recherchenetzwerks vorgehen. Die AfD-Fraktion im Bundestag wehrte sich ebenfalls gegen die Anschuldigungen (Video auf X).

Steinmeier stellt sich vor Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund

Der Bundespräsident ging in seiner Erklärung auf all dies nicht näher ein. Er warnte stattdessen „vor selbstmörderischen wirtschafts- und europapolitischen Konzepten, die unser Land in den Ruin treiben würden“. Die „Rechtsextremisten“, so Steinmeier, würden jene Arbeitnehmer, die „ein Viertel der Arbeit“ in Deutschland erledigten, „am liebsten ausbürgern“. Das betreffe „Menschen, die an der Supermarktkasse stehen, Lkw, Bus oder Straßenbahn fahren, in Hotels und Restaurants arbeiten, Autos, Häuser und Wohnungen bauen, an Forschungseinrichtungen und Universitäten Impfstoffe entwickeln und viele Unternehmen leiten“.

Falls Steinmeier auf die AfD angespielt haben sollte: Im AfD-Grundsatzprogramm (PDF) ist nichts von alldem zu finden: In Kapitel 9, das sich ausdrücklich mit „Einwanderung, Integration und Asyl“ beschäftigt, bekennt sie die AfD sowohl zur „Mehrzahl der rechtstreuen, integrierten ausländischen Mitbürger als auch der rechtstreuen Asylbewerber“ und stellt sich gegen die „ungerechten Pauschalverdächtigungen“ gerade gegenüber den genannten Gruppen. Etwas später heißt es: „Für den Arbeitsmarkt qualifizierte Einwanderer mit hoher Integrationsbereitschaft sind uns willkommen“, denn Deutschland stehe in „Konkurrenz um die Gewinnung wirklich qualifizierter Zuwanderer“.

Für eine Remigration kommen laut AfD-Parteiprogramm lediglich „irreguläre Migranten“ infrage, die „keinen Flüchtlingsschutz beanspruchen“ könnten. Was nicht nur von Kanzler Scholz beinahe wortgleich geäußert worden war, sondern auch im Einklang mit Artikel 16a (2) des Grundgesetzes steht.

In fünf Bundesländern im Osten ist die AfD zurzeit klar die stärkste Kraft. In Thüringen, Brandenburg und Sachsen könnte das bis zu den Landtagswahlen im September auch so bleiben. Mit Ausnahme der noch zu gründenden WerteUnion um den ehemaligen Verfassungsschutzchef Dr. Hans-Georg Maaßen würde allerdings bislang keine einzige Partei mit der AfD koalieren.

Steinmeier hatte laut „Deutschlandfunk“ schon vor dem Wochenende eine verstärkte Zusammenarbeit von Regierung und Opposition gefordert. Auch die deutsche Wirtschaft sieht nach einem „Focus“-Bericht Regierung und Opposition in einer gemeinsamen Pflicht – allerdings eher in puncto Klimapolitik und Schuldenbremse. Der Publizist Michael Andrick sah schon im Sommer 2023 in einer satirischen Kolumne eine „Oligarchische Einheitspartei Deutschlands“ kommen.



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