„Ich weiß nicht, ob ich entschuldigen kann, ich weiß auch nicht, ob ich vergeben kann.“

Wie schwer wird es sein, Brücken zu bauen, um den Spalt durch die Corona-Krise zu überwinden? Viele sehen die Zerstörungen nicht einmal, für andere sind es Ruinen.
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Wasserwerfer im Einsatz am 18.11.2021 in Berlin.Foto: ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images
Von 10. Dezember 2022

Der Rauch hat sich noch nicht verzogen, auch für immer mehr Vertreter aus dem politischen, dem medialen und wissenschaftlichen Bereich ist die Pandemie nach zweieinhalb Jahren beendet – sie treten den geordneten Rückzug an. Jedenfalls versuchen viele, es nicht wie eine heillose Flucht aussehen zu lassen.

Aber wohin sollen sich die Verantwortlichen zurückziehen und wann wird es Zeit, wieder aufeinander zuzugehen und Brücken zu bauen? Brücken, die über Gräben führen, über solche scharfen Bruchkanten wie „Geimpfte versus Ungeimpfte“. Und zwischen Menschen, die Freiheiten abgeben mussten und solchen, die sie ihnen genommen haben.

Wege zurück zum „wir“ müssen gefunden und Räume neu vermessen werden, in denen man gefahrlos über alle Verletzungen hinweg wieder miteinander umgehen lernt.

Geimpfte verstehen Ungeimpfte nicht mehr

Die Verletzungen sind allerdings recht einseitig, sie betreffen fast ausschließlich die Gruppe der Corona-Maßnahmen-Kritiker und die Ungeimpften. Wer heute mit Menschen auf der Straße eine dringende Aufarbeitung des Corona-Regimes besprechen will, der wird dabei nicht selten auf Unverständnis treffen – auf einen gegenüber, der gar nicht versteht, was überhaupt gemeint ist.

Erste Erkenntnis hier: Der Verlust von Freiheiten wiegt nicht bei jedem gleich. Und viele Geimpfte fühlten sich tatsächlich „freigeimpft“ und verstehen bis heute nicht, warum sich alle anderen nicht auch einfach haben impfen lassen – über alle neuen Erkenntnisse von Schäden hinweg.

Staatlich angeordnete Freiheitsbeschränkungen und die Diffamierung Andersdenkender sind in Deutschland keineswegs neu. Dafür muss man nicht bis 1933 zurückgehen oder hin zur DDR-Aufarbeitung.

Ein Beispiel aus der jüngeren westdeutschen Vergangenheit sind die Notstandsgesetze der 1960er-Jahre, welche von Historikern als Geburtshelfer einer außerparlamentarischen Opposition (APO) bezeichnet werden.

Wie hat man damals die Gräben zugeschüttet? Überhaupt nicht. Viele der vom Staat und von der Springerpresse ausgegrenzten oder gar mit Berufsverbot belegten Bürger haben den sogenannten „Marsch durch die Institutionen“ angetreten. Und das äußerst erfolgreich: Knapp drei Jahrzehnte später stellen rot-grüne Politiker die Regierung. Mit Joschka Fischer war ein radikaler Vertreter der APO Vizekanzler und Außenminister geworden.

Was lässt sich daraus lernen? Erteilt diese jüngere deutsche Geschichte den Corona-Maßnahmen-Kritikern den Auftrag für einen zweiten, mit dem Establishment unversöhnlichen Marsch durch die Institutionen?

In so einem Fall kann der Graben ja gar nicht tief genug sein. Diente er doch schon der APO als Leitplanke mitten hinein in die Regierungsverantwortung. Der Prozess ist übrigens bis heute nicht abgeschlossen: Die Kanzlerschaft von Annalena Baerbock (Grüne) scheiterte – noch regieren diese Nachfahren der APO quasi durch Olaf Scholz hindurch.

Von Bill Gates in der Tagesschau zu Anwalt Ralf Ludwig auf Telegram

An der Stelle wird es notwendig, noch einmal zurückzuschauen, wie diese Gräben zwischen Corona-Regime und Corona-Maßnahmenkritik überhaupt entstanden sind:

Der US-amerikanische Microsoft-Milliardär Bill Gates bekam im April 2020 neun Minuten Zeit, in den Tagesthemen zu verkünden, dass am Ende sieben Milliarden Menschen geimpft sein werden.

Weiter erklärte Gates, dessen Stiftung in erheblichem Maße die Weltgesundheitsorganisation WHO finanziert: „Die Tatsache, dass die mRNA-Plattform schnell Fahrt aufnimmt und die Herstellung recht einfach sein wird, lässt hoffen.“ Es brauche dafür eine gemeinsame globale Anstrengung, die von seiner Stiftung unterstützt werde.

Was in den darauffolgenden zweieinhalb Jahren passierte, ist für Millionen Menschen wie ein führerloser Eilzug unzumutbarer Ereignisse durch ihr Leben gerast.

Erst vor wenigen Tagen befand der Bundesgesundheitsminister, dass die mRNA-Spritze nicht gegen eine Ansteckung helfen könne, ergo sei die einrichtungsbezogene Impfpflicht aufzuheben. Weiter befand Karl Lauterbach rückblickend, dass es nicht nötig gewesen sei, Kindergärten zu schließen und diese Maßnahme sogar schädlich für das Immunsystem der Kinder gewesen sei.

Eine Lockdown-Maßnahme, die allerdings nicht von ihm selbst beschlossen wurde: Lauterbach ist bereits der zweite deutsche Gesundheitsminister der Corona-Pandemie. Ein Großteil der Maßnahmen – so auch die Schließung der Kitas, geht auf seinen Vorgänger Jens Spahn (CDU) als Minister in der Regierung Merkel zurück.

Im Ergebnis haben ganze Branchen die Lockdown-Maßnahmen nicht überlebt, viele Familienbetriebe mussten schließen, Kleinunternehmer wurden in die Sozialhilfe getrieben und Jens Spahn veröffentlichte im September 2022 ein Buch mit dem Titel: „Wir werden einander viel verzeihen müssen.“

Das Buch erzählt, wie die Pandemie uns verändert habe und was sie uns für die Zukunft lehre. Spahn nennt seine Arbeit eine „Innenansicht der Krise“. Dieses Innen hatte allerdings in Millionen deutschen Haushalten noch einmal eine ganz andere Qualität – dort nämlich, wo Menschen die Impfungen verweigerten.

Jens Spahn ist neben Angela Merkel und den beratenden Wissenschaftlern Hauptverantwortlicher der Corona-Maßnahmen. Robert Koch-Institutsleiter Lothar Wieler ist eine weitere Schlüsselfigur.

Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn schreibt sich selbst eine Absolution

Auf seiner eigenen Website erzählt der ehemalige Gesundheitsminister etwas über seine Motivation, besagtes Buch zu schreiben:

Nur, wenn wir aus den Erfahrungen die richtigen Schlüsse und Entscheidungen ziehen, haben wir die Chance, in zukünftigen Krisen besser zu werden.“

Aber Jens Spahn geht es in diesem Buch noch um etwas ganz anderes. Der Titel deutet es an: Spahn will seine eigene Rolle erklären, will sich eigenmächtig Absolution erteilen. Spahn weiß um die große Verantwortung, die er übernommen hat, die ihm keiner abnimmt:

„Bei aller Solidarität, die wir in der Pandemie sahen, konnten wir erleben, wie Spannungen und Spaltungen in der Gesellschaft zunahmen. Die Pandemie wurde zu einem Test für die Debattenkultur, im Kleinen ebenso wie im Großen. Dass Debatten auch kontrovers geführt werden, ist wichtig in einer Demokratie. Aber wir sollten dabei empathisch bleiben, nicht verhärten, nicht ‚unerbittlich‘ werden.“

Vor wenigen Tagen äußerte sich Jens Spahn gegenüber dem christlichen Medienmagazin „Pro“ auf die Frage, wem er denn etwas verzeihen würde: „Im Zweifel mir selbst“. Und Bürgern, die ihm nicht verzeihen wollen, belehrt Spahn folgendermaßen: „Mit einer Unerbittlichkeit funktioniert Familie nicht, so funktioniert Gemeinschaft nicht und so funktioniert Gesellschaft nicht.“

Selbstkritik klingt freilich ganz anders. Im September 2020 hatte RKI-Chef Wieler gefordert, dass die „Regeln niemals hinterfragt werden sollten.“ Diese und andere Forderungen werden mittlerweile akribisch gesammelt und dokumentiert – unter anderem in einem „Dokumentationszentrum für Corona-Unrecht“.

Ende Mai 2022 hatte mit Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sogar ein Mitglied einer Regierungspartei „die Aufarbeitung des Corona-Regimes“ gefordert. Am meisten habe diese Politik Kindern und Älteren geschadet, so Kubicki.

Diesen sind wir einiges schuldig: Ich bin der Ansicht, nur eine vernünftige parlamentarische Aufarbeitung und rückhaltlose Aufklärung kann helfen, Fehler als solche zu erkennen und damit auch gesellschaftliche Gräben zuzuschütten.“

Aktuell prophezeit Wolfgang Kubicki den Rücktritt des Bundesgesundheitsministers: „Die SPD ist doch selbst komplett genervt von Lauterbach.“ Zur Erinnerung: Beide Politiker sind Mitglieder einer Partei der Ampelkoalition.

Weiter ist man mittlerweile im bayerischen Landtag: Dort streiten Mitglieder der Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern schon darum, wie man sich beim Bürger für das Corona-Regime angemessen entschuldigen kann. Der Bayerische Rundfunk kommentiert:

Nach Meinung der bayerischen Freie-Wähler-Generalsekretärin Susann Enders sollten sich Regierung und Opposition für Corona-Fehlentscheidungen entschuldigen. Der Koalitionspartner CSU hält von dem Aufruf wenig.“

Ein „Querdenkeranwalt“ setzt seine Positionslichter

Dazu meldete sich am Montagmorgen auch Anwalt Ralf Ludwig zu Wort. Er bezeichnet sich selbst als „Querdenkeranwalt“ und ist seit Beginn der Pandemie engagierter Corona-Maßnahmen-Kritiker und Redner auf Veranstaltungen.

Ludwig beobachtet im Dezember 2022 die Versuche einer Aufarbeitung durch Vertreter des Coronas-Regimes und kommentiert diese ausführlich auf seinem Telegram-Kanal: „Aus allen Ecken kommen jetzt die Entschuldigungen.“

Dann wird Ralf Ludwig deutlicher und redet von „Politikern und anderen Tätern“. Für Ludwig ist das Friedensangebot aus der Politik schon „in der Sprachform unerträglich“.

Ludwig erzählt davon, dass er selbst in den letzten zweieinhalb Jahren Opfer von Gewalt und Willkür geworden sei. Er hätte Dinge erdulden müssen, die er in einem Rechtsstaat niemals für möglich gehalten habe.

„Noch viel schlimmer: Ich habe völlig ohnmächtig staatliche Gewalt und Willkür an anderen miterleben müssen und konnte nicht helfen.“ Anwalt Ludwig schreibt, er wisse nicht, „ob ich entschuldigen kann, ich weiß auch nicht, ob ich vergeben kann“.

Aber er stellt eine klare Forderung:

Es bedarf keiner Selbstentschuldigung der Täter und auch keiner Bitte um Entschuldigung. Dazu bedarf es einer Verantwortungsübernahme durch die Täter.“

Dann erinnert Ludwig noch einmal an das, was zwar „weit entfernt von dem (war), wofür Auschwitz steht“, aber man sei hier gedanklich schon auf dem Weg zu dem gewesen, was der Frankfurter Soziologe und Philosoph (Adorno) als ‚Ähnliches‘ bezeichnet.

Ist Ludwig ein Brückenbauer? Eher nicht. Hier stellt einer die Positionslichter auf und rammt sie mit Wucht in den Boden.

Die wichtige Frage wird sein, inwieweit sich die Vertreter des Corona-Regimes selbst als „Täter“ begreifen, wie Ludwig sie nennt und eben nicht als Politiker, die es nicht besser wussten. Ralf Ludwig sagt:

Nur, wenn die Täter Verantwortung übernehmen und wir, die Opfer, diese Verantwortung auch einfordern, können wir die richtigen Entscheidungen für die Zukunft treffen. Weder ein rächendes Bestrafen der Täter noch ein – im wahrsten Sinne – verantwortungsloses Vergeben weist in eine bessere Gesellschaft.“

Ludwig geht es um Wiedergutmachung. Und er geht noch darüber hinaus: Die von ihm als „Täter“ bezeichneten Personen sollen „dort ehrliches Mitgefühl zeigen, wo es eine Wiedergutmachung nicht geben kann.“ Aber welches Gremium soll später entscheiden, was „ehrlich“ ist und was nicht? Eine Art Gesinnungstest? Eine moderne Entnazifizierung für Corona-Maßnahmen-Täter?

Der Anwalt erinnert via Telegram an jene, die Angehörige durch Selbstmord verloren haben und ihre Sterbenden nicht begleiten konnten. Diese Menschen könnten nicht so einfach vergeben: „Es wird ein langer Prozess für diese Gesellschaft – nicht nur die Spaltung zu überwinden.“

Ralf Ludwig setzt auf das „Zentrum zur Aufarbeitung, Aufklärung, juristischen Verfolgung und Verhinderung von Verbrechen gegen die Menschheit aufgrund der Corona-Maßnahmen (ZAAVV)“. Dort ist für ihn der richtige Ort, aufzuarbeiten und die Täter ihrer Verantwortung zu übergeben.

Ludwig meint abschließend, das seien wir „unseren Kindern und der friedlichen Zukunft unserer Gesellschaft schuldig.“

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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