Argentinien: Zwischen Ideal und Pragmatismus – Lehren für Deutschland

Wie der neue argentinische Präsident sein Land wieder zu Wohlstand führen will. Und was Deutschland davon lernen kann.
Titelbild
Der argentinische Präsident Javier Milei und die Vizepräsidentin Victoria Villarruel am 10. Dezember 2023 nach der Feier zur Amtseinführung des Präsidenten in Buenos Aires.Foto: Marcos Brindicci/Getty Images
Von 19. Dezember 2023

Die Bedeutung der Wahl von Javier Milei zum neuen argentinischen Präsidenten geht weit über Argentinien und Lateinamerika hinaus. Sie betrifft all jene Länder, die ihren einstigen Wohlstand verspielt haben und nach Jahren und Jahrzehnten der Verarmung versuchen, die alte Prosperität zurückzugewinnen.

In diesem Sinne betrifft die Präsidentschaft von Milei auch Deutschland. Kann der neue argentinische Präsident ein Exempel statuieren? Argentiniens Geschichte der vergangenen Dekaden zeigt, wie ein einst wohlhabendes Land leichtfertig durch falsche politische Vorstellungen seinen Wohlstand verliert und in massenhafter Verarmung endet.

Zugleich macht die Erfahrung Argentiniens deutlich, wie schwer es ist, aus der Talfahrt herauszufinden. Javier Milei ist nicht der erste Präsident, der versucht, eine Umkehr zu schaffen. Zahlreiche Vorgängerregierungen sind gescheitert. Wird unter Milei ein Wiederaufstieg Argentiniens gelingen? Wird die neue Regierung zeigen, was man zur Gewinnung von Wohlstand bewirken kann, wenn man wirtschaftliche Freiheit an erste Stelle setzt?

Anpassungsschock

Kaum war mit eindrucksvollem Pomp die Amtseinführung von Javier Milei am Sonntag, dem 10. Dezember, vollzogen, machte sich der neue Präsident bereits am folgenden Montag mit drastischen Maßnahmen an die Arbeit. Wie im Wahlkampf angekündigt, reduzierte er die Anzahl der Ministerien von achtzehn auf neun.

Als weitere Aktion folgte am selben Tag die offizielle Abwertung der argentinischen Währung um fünfzig Prozent. Welche Schritte werden folgen? Wird Präsident Javier Milei auch die anderen Vorhaben verwirklichen können, wie er sie im Wahlkampf angekündigt hat?

Mit der Abwertung hat der Präsident die weite Lücke zwischen dem offiziellen Wechselkurs und dem Inoffiziellen nur teilweise geschlossen. Der amtliche Wechselkurs der argentinischen Währung steht nun bei über 800 Pesos im Unterschied zum Kurs von 1150 Pesos zum US-Dollar auf dem freien Markt. Während allerdings der Abstand zwischen dem offiziellen und dem inoffiziellen Wechselkurs vorher rund 190 Prozent betragen hatte, liegt der Unterschied jetzt bei rund 40 Prozent. Es ist zu vermuten, dass die neue Regierung weitere offizielle Abwertungen folgen lässt.

Wie dramatisch die Lage in Argentinien ist, lässt sich am Wechselkurs ablesen. Vor einem Jahr noch stand der Kurs bei 140 Pesos pro US-Dollar und bis vor der Aufhebung der direkten Konvertibilität 2002 hatte der Wechselkurs die zehn vorhergehenden Jahre eins zu eins mit dem US-Dollar betragen.

Mit einer Reihe von radikal erscheinenden Maßnahmen will Milei nachholen, was die vorherigen Regierungen versäumt haben. Dazu zählt nicht nur, den Wechselkurs der Inflationsrate anzupassen. Die enorme Preissteigerung der letzten Jahre war der Hauptgrund für die steigende Unzufriedenheit der Argentinier.

Für Mileis Wahlsieg am 10. November 2023 war ausschlaggebend, dass man ihm an Ehesten zutraute, die Inflation, die im November auf eine Jahresrate von 160 Prozent gestiegen war, zu bekämpfen. Was oberflächlich betrachtet als radikale Maßnahme erscheinen mag, ist ein Schritt auf dem Weg, von der Politik der Illusionen, die das Land über Jahrzehnte prägte, Abschied zu nehmen. An erster Stelle steht dabei, die Inflation so weit wie nur möglich zu reduzieren.

Es wird schlechter, bevor es besser werden kann

Die neue Regierung setzt um, was sie im Wahlkampf versprochen hat. Milei hatte in seinem Regierungsplan die wesentlichen Schritte, die er unternehmen will, um „Argentinien wieder großzumachen“, ausführlich dargelegt. Die Maßnahmen müssen im Zusammenhang mit dem Hauptziel der Regierung gesehen werden, das verarmte Land wieder zum Wohlstand zu führen.

Erst wenn die exzessiven Preissteigerungen unter Kontrolle gebracht sind, ist an die Wiederbelebung der Wirtschaft des Landes zu denken. Milei nahm kein Blatt vor den Mund, als er in seiner Antrittsrede ankündigte, dass es zuerst viel schlechter wird, bevor es besser werden kann.

Es wird keine Überraschung sein, wenn die Wirtschaft Argentiniens in den kommenden Monaten noch tiefer in die Rezession gerät. Entsprechend wird die Arbeitslosigkeit zunehmen. Es bleibt abzuwarten, wie die mächtigen Gewerkschaften darauf reagieren.

Mit der Kürzung der Staatsausgaben und der Verminderung des Geldumlaufs wendet die neue Regierung die orthodoxen Mittel der Inflationsbekämpfung an. In der ersten Runde geht es darum, die Staatsausgaben zu kürzen. Das Haushaltsdefizit soll auf null gesenkt werden. Der erklärte „Anarchokapitalist“ Javier Milei will dies dadurch erreichen, dass der Staatsapparat insgesamt schrumpft. Steuererhöhungen sollen vermieden werden. Die Regierung hat vielmehr vor, 90 Prozent der Einzelsteuern mit einem geringen Aufkommen abzuschaffen.

Wie soll es weitergehen?

Bei seiner Regierungsbildung hat Präsident Milei neben seinem Wahlbündnis der „La Libertad Avanza“ (Die Freiheit schreitet voran) auch die Partei „Proposta Republicana“ (PRO) in sein Team aufgenommen. Mit Patricia Bullrich wurde eine erfahrene Politikerin aus dieser Partei zur Führung des „Ministeriums für Sicherheit“ bestimmt.

Angesichts der Blockaden und Straßensperren, die von gewerkschaftlicher Seite und oppositionellen Gruppen aus Protest gegen die neue Regierung errichtet wurden, will die Ministerin entschlossen vorgehen. Unmissverständlich erklärte sie gleich nach ihrer Amtsübernahme: „Das Gesetz erfüllt man nicht teilweise. Das Gesetz erfüllt man ganz.“

Mit der Ernennung von Victoria Villarruel zur Vizepräsidentin hat Javier Milei auch die gewichtige Gruppierung „Partido Demócrata“ (PD) an Bord geholt. Aus dieser Partei kommt auch Mileis Wirtschaftsminister Luis Caputo. Dieser war bereits 2018 für kurze Zeit Finanzminister und vor fünf Jahren sogar einmal Chef der argentinischen Zentralbank.

Diese soll nun abgeschafft werden und mit ihr der Peso als die Landeswährung verschwinden. Ob es allerdings so weit kommen wird, ist fraglich. Im Wahlprogramm wurde die „Dollarisierung“ als längerfristiges Ziel bezeichnet. Dieses Projekt dürfte, wenn überhaupt, erst nach einiger Zeit verwirklicht werden.

Lehren für Deutschland

Es ist mit dem Irrtum aufzuräumen, Javier Milei wäre gleichsam über Nacht als extremistischer Außenseiter zur Macht gekommen und hätte hauptsächlich seinem Engagement in den Monaten des Wahlkampfes seinen Sieg zu verdanken.

Tatsächlich ist Milei schon seit langer Zeit in den Medien prominent. In seinen eigenen Sendungen und als Diskussionspartner bei diversen Talkshows hat Milei über die Jahre hinweg unermüdlich sein Publikum über die wirtschaftlichen Realitäten aufgeklärt. Er ist dabei nicht an der Oberfläche stehen geblieben, sondern hat in klaren Worten die Ursache der Misere erklärt.

Sein aus der Gedankenwelt der Österreichischen Schule der Nationalökonomie übernommener Erklärungsansatz erwies sich dabei als äußerst wirksam. Bei seinen zahlreichen „Lehrstunden“ in den Medien trat Javier Milei jedoch nicht mit lehrerhaftem Gehabe auf, sondern nutzte sein Talent zur Show.

Das „Phänomen Milei“ besteht darin, dass er nicht nur als Ökonom außerordentlich kompetent ist, sondern es auch versteht, die Grundsätze einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung einem breiten Publikum verständlich zu machen. Er scheut es nicht, eine gewisse Exzentrik zur Schau zu stellen, um seine Zuschauer in den Bann zu ziehen.

Er hat dadurch viele Menschen zur Einsicht geführt, dass Sozialismus – in welcher Form auch immer – zur Verelendung führt. Der Unterschied ist, dass die Kommunisten schnell diesen Weg gehen wollen und die gemäßigten Sozialisten langsam. Milei plädiert für einen freien Markt ohne Wenn und Aber. Der Weg aus der Misere führt über die freiheitliche Wirtschaftsordnung, die nicht nur Wohlstand bringt, sondern auch zur moralischen Gesundung führt, indem Wahrheit gilt und die Lüge keine Chance hat.

Aus dieser Sicht besteht die hauptsächliche Lektion des Wahlsieges von Milei für Deutschland darin, dass es unermüdlicher Aufklärungsarbeit bedarf, um die vorherrschende Lügenpropaganda zu desavouieren.

Auch in Deutschland hat sich seit Langem ein falsches Weltbild in vielen Köpfen festgesetzt. Ohne eine umfassende Aufklärungsarbeit ist nicht an eine Wende zu denken. An allererster Stelle steht somit die Aufgabe, zu den Massenmedien Zugang zu finden und fähige Personen hervorzubringen, die es verstehen, die Grundsätze von Freiheit, Frieden und Wohlstand einem breiten Publikum verständlich zu machen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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