„Die Partei hat immer recht“ – Das langsame Sterben einer Rechthaberin

Machtkämpfe, Richtungsstreit, Querelen und persönliche Animositäten. Was sich aus den Trümmern der DDR hinüber in den Bundestag rettete und zur Keimzelle einer neuen bundesrepublikanischen Linken wurde, könnte bald das Zeitliche segnen.
Sahra Wagenknecht erwägt die Gründung einer eigenen Partei. Das sorgt für Kontroverse in der Linken.
Sahra Wagenknecht erwägt die Gründung einer eigenen Partei. Das sorgt für Kontroverse in der Linken.Foto: Christoph Soeder/dpa
Von 11. August 2023

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Wer ist eigentlich aktuell Parteivorsitzender der Partei Die Linke? Nicht wenige müssen überlegen oder wissen es nicht. Das Führungsduo Janine Wissler und Martin Schirdewan sind wenig bekannt, ihre öffentlichen Auftritte können nicht anknüpfen an die Außendarstellung von Persönlichkeiten wie Sahra Wagenknecht, Gregor Gysi, Oskar Lafontaine oder Lothar Bisky.

Die Geschichte der Nachfolgepartei der SED ist über weite Strecken geprägt von Debatten um das historische Erbe und Führungsstreitereien um die politische Linie der Partei. Vom Erfolg getragen wurde es in den Jahren 2013 bis 2017 intern etwas ruhiger, als Die Linke noch vor den Grünen Oppositionsführer im Deutschen Bundestag wurde gegenüber einem Koalitionsführer aus Union und SPD unter Angela Merkel. Die AfD verpasste den Einzug knapp und die FDP war erstmals nicht im Deutschen Bundestag vertreten.

Schleichendes Siechtum unter Genossen

Noch eine Legislatur später verteidigte Die Linke ihre 64 Sitze und konnte weitere fünf hinzugewinnen, musste allerdings die Rolle des Oppositionsführers an die AfD abgeben und wurde auch von der FDP noch überholt. Lediglich die Grünen blieben hinter der Linkspartei als Schlusslicht zurück.

Der Blick auf die Grünen mit ihrer roten Laterne ist deshalb interessant, weil es der Ökopartei in der Folge bis 2021 gelingen sollte, eine massive mediale, vor allem öffentlich-rechtliche Unterstützung hinter sich zu vereinen.

So kamen hier bald fünfmal so viele Talkshow-Auftritte zusammen, als sie die Linkspartei in dieser Zeit für sich verbuchen konnte. Im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 stellten die Grünen gar eine Kanzlerkandidatin, deren tatsächliche Wahl nicht viel weniger überrascht hätte als die Wahl von Olaf Scholz (SPD), der im Finale den teilweise noch hoch favorisierten Armin Laschet (CDU) hinter sich lassen konnte.

Die Bundestagswahl 2021 wurde zum Desaster für Die Linke. Die Partei verpasste knapp die Fünf-Prozent-Hürde und konnte nur dank dreier Direktmandate – eines davon vom Ex-Parteivorsitzenden Gregor Gysi – in den Bundestag einziehen. Gysi hatte bereits auf einen Listenplatz verzichtet, er wäre einfach ausgeschieden, wenn er das Mandat seines Bundestagswahlkreises Berlin Treptow-Köpenick nicht gewonnen hätte.

Oskar geht von Bord

Die Ampelregierung begann im Dezember 2021 ihre Arbeit. Fast genau drei Monate später gab Oskar Lafontaine, der als einer der Gründungsväter der Partei Die Linke gelten darf, sein Parteibuch zurück, seine Ehefrau Sahra Wagenknecht gab Anfang März 2023, also gerade einmal ein Jahr später, bekannt, nicht mehr für Die Linke zur Bundestagswahl antreten zu wollen.

Soweit zur Vorgeschichte eines Auf und Ab einer Partei auf Bundesebene, die sich mittlerweile in so etwas wie einem Dauersiechtum befindet, schwer gezeichnet von internen Querelen und einer politisch-thematischen Desorientierung.

Die „Berliner Zeitung“ fragte bereits Anfang 2022: „Von der Volkspartei zur Randgruppenlobby? Die Linke im Überlebenskampf“. Autorin Maritta Adam-Tkalec befand auf ihrer „Erkundung von der Basis bis zur Spitze“, auch die Durchhalteparole des Vorstandes, man müsse nur „[d]en Kompass neu ausrichten“, klängen desorientiert.

Nicht, dass nicht eine Reihe führender Parteifunktionäre ihren Kompass neu ausgerichtet hätte, aber die Marschrichtung lag anschließend nicht mehr im selben Maße auf Parteilinie.

Die schon erwähnte Sahra Wagenknecht laboriert schon länger an der Idee einer eigenen Partei, ohne konkreter zu werden, noch niemand weiß so recht, was da im Werden ist. Dieser dauerhafte Fuß nach draußen wurde so zum gewichtigen Damoklesschwert über der Fraktion, aber da hängen weitere, wie im Folgenden noch zu berichten ist.

Zuletzt organisierte Wagenknecht im Februar dieses Jahres gemeinsam mit „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer auf eigene Kappe eine Demonstration für Friedensverhandlungen in der Ukraine.

Give Peace a Chance

Vor wenigen Tagen kündigte die Co-Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali an, nicht erneut für den Posten zu kandidieren und gab dafür explizit politische Gründe an. Bei einer Mehrheit der Funktionäre habe sich ein Kurs durchgesetzt, „der meinen politischen Überzeugungen an vielen Stellen deutlich widerspricht und der die Linke zunehmend in die politische Bedeutungslosigkeit treibt“, sagte Frau Mohamed Ali.

Der letzte Ausschlag für diese Entscheidung sei die Aufforderung des Vorstandes gewesen, Sahra Wagenknecht solle „zusammen mit anderen Abgeordneten ihr Mandat niederlegen“.

Welche prominenten Köpfe gibt es noch in der Partei? Da wäre der WASG-Gründer und ehemalige Vorsitzende der Linkspartei, der Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst. Der hat jetzt angekündigt, sollte Wagenknecht eine eigene Partei gründen, an ihrer Seite zu stehen. Über einige seiner Parteikollegen sagt er heute, sie wären „politikunfähige Clowns“.

Gegenüber dem „Bayerischen Rundfunk“ und zitiert unter anderem vom „Tagesspiegel“, teilte Klaus Ernst weiter aus und sagte unter anderen: „Es gibt Leute in der Partei, deren Kontakt zur Arbeit sich darauf beschränkt, dass sie mal als Schüler oder Student ein Regal bei Aldi eingeräumt haben.“

Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen gehört mittlerweile ebenfalls zur Riege der bekennenden Abtrünnigen. Parteichefin Janine Wissler scheute sich zuletzt nicht, mit ihrer Genossin öffentlich einen Streit über nicht geleistete Beitragszahlungen zu führen.

Wohin soll die Reise gehen?

Dağdelen ist auch Unterstützerin der von Wagenknecht im September 2018 gegründeten „Aufstehen“-Bewegung, die durchaus als Probelauf für die Gründung einer Wagenknecht-Partei verstanden werden kann.

Wagenknecht selbst hat sich allerdings mittlerweile aus der Führungsspitze ihrer Bewegung zurückgezogen, die sie anfangs noch mit folgenden Worten beworben hatte: „Wir wollen nicht mehr zuschauen, wir wollen etwas ändern“. Wenn man jetzt nicht gegensteuere, sei dieses Land in „fünf oder zehn Jahren nicht wiederzuerkennen“. Deutschland verändere sich in eine Richtung, die viele Menschen nicht wollten.

Bei Frau Dağdelen bleibend, kann hier noch zitiert werden, was die Politikerin gegenüber der Funke-Mediengruppe sagte, hier zitiert von der „Tagesschau“:

„Dagdelen warf der Parteiführung vor, Politik ‚für eine schrumpfende Gruppe von Sektenanhängern‘ zu machen. Ausgegrenzt würden all diejenigen, die sich für eine Politik für die Mehrheit der Bevölkerung einsetzten.“

Quo vadis, Die Linke?

Ist hier bald 35 Jahre nach der Wiedervereinigung das Ende der Idee einer Partei links von der SPD in Reichweite gekommen?

Fraktionschef Bartsch harrt derweil eisern weiter aus und warnt die Abtrünnigen: Sollten mehr als drei Abgeordnete die Fraktion verlassen, würde „Die Linke“ ihren Fraktionsstatus im Bundestag verlieren. Aber ob das die Davoneilenden dann überhaupt noch interessiert?



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion