Smart Homes: Fluch oder Segen? US-Richter und Abgeordnete kämpfen um Rechte der Amerikaner

Wie viel staatliche Kontrolle ist gut? Während sich die Technologie rasant entwickelt, halten die Gesetze nicht Schritt. US-Behörden nutzen die Gunst der Stunde und sammeln fleißig Nutzerdaten. Dem will der Kongress einen Riegel vorschieben. Junge Amerikaner sind hingegen leichter für Kontrolle zu begeistern – für Gewaltprävention und Sicherheit. Eine Analyse.
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Ein Staubsaugerroboter reinigt den Boden im „Haus der Zukunft“ der T-Com in Berlin, 11. April 2005.Foto: John MacDougall/AFP via Getty Images
Von 23. Juli 2023

Im Jahr 2018 hat der Oberste Gerichtshof der USA ein Grundsatzurteil gefällt, wonach die Polizei gegen das Gesetz verstieß, als sie ohne Durchsuchungsbefehl monatelang Handydaten von einem privaten Unternehmen sammelte, um einen Verdächtigen bei einem Raubüberfall zu verfolgen.

In der Mehrheitsmeinung des Gerichts heißt es: „[…] die Tatsache, dass solche Informationen von einer dritten Partei gesammelt werden, führt nicht dazu, dass sie weniger Schutz durch den Vierten Verfassungszusatz verdienen.“

Der Vierte Verfassungszusatz schützt die Amerikaner vor willkürlichen Hausdurchsuchungen durch die Regierung, es sei denn, es liegen ein hinreichender Verdacht auf ein Verbrechen und ein gerichtlicher Durchsuchungsbefehl vor.

Im Juli 2022 veröffentlichte die American Civil Liberties Union (ACLU) Tausende von Seiten mit Aufzeichnungen, die sie durch den Freedom of Information Act (FOIA) erhalten hatte. Aus diesen geht hervor, dass die US-Heimatschutzbehörde routinemäßig große Mengen an Handy-Standortdaten von US-Bürgern einkaufte.

„Drittparteien-Grundsatz“ außer Kraft gesetzt

Enthüllungen über mutmaßliche Missbräuche wie diese haben Politiker beider Parteien – Republikaner und Demokraten gleichermaßen – dazu veranlasst, neue Gesetze zu beschließen, um die Rechte der Amerikaner wiederherzustellen.

Der Fall Carpenter gegen die Vereinigten Staaten hob ein Gesetz auf, das seit den 1970er Jahren in Kraft war. Es galt bis dahin als grünes Licht für die Durchsuchung von persönlichen Daten durch die Strafverfolgungsbehörden, sobald diese an Dritte weitergegeben wurden, zum Beispiel an eine Bank, eine Telefongesellschaft, ein Kreditkartenunternehmen oder ein Technologieunternehmen.

Dieser sogenannte „Drittparteien-Grundsatz“ entschied, dass es der Regierung nach dem Bank Secrecy Act erlaubt war, private Bankdaten ohne Durchsuchungsbefehl pauschal durchzusehen.

Mit der Carpenter-Entscheidung entschied der Oberste Gerichtshof jedoch mit fünf zu vier Stimmen dagegen. „Seitdem braucht man einen richterlicher Beschluss, um an die Standortdaten von Mobiltelefonen zu gelangen“, sagte Devin Watkins, ein Anwalt des Competitive Enterprise Institute, gegenüber der Epoch Times. Folglich sollte man die gleiche Art von Beschluss für Bankdaten brauchen.

Smart Homes: Wie Ihr Zuhause Sie überwacht

„Nach dem Vierten Verfassungszusatz ist das Zuhause vergleichbar mit einer Festung. Es ist der Ort, an den man sich zurückziehen kann, um frei von willkürlichen staatlichen Eingriffen zu sein“, schreibt Grace Manning vom Rechtszentrum der Universität Georgetown in einem Bericht mit dem Titel „Alexa, kannst du ein Geheimnis bewahren?“ („Alexa, Can You Keep a Secret?“) aus dem Jahr 2019.

„Nicht so beim Smart Home“, stellt Manning fest. „In einem mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteten Zuhause kann man keine Privatsphäre bei Daten erwarten, die mit Dritten wie Amazon geteilt werden.“

Laut dem Drittparteien-Grundsatz erfolgte die Weitergabe der persönlichen Daten an eine Bank freiwillig, wodurch die Amerikaner freiwillig auf ihr Recht auf Privatsphäre verzichteten. In der heutigen Zeit ist die Weitergabe persönlicher Daten jedoch unerlässlich für die gesellschaftliche Teilhabe, weil man von Mobiltelefonen, Kreditkarten, Online-Einkäufen abhängig ist.

Intelligente Heimsysteme wie Amazons Alexa/Echo-System stehen im Spannungsfeld zwischen Strafverfolgung und Datenschutzrechten. In jüngster Zeit gab es mehrere Fälle, in denen die Polizei auf Grundlage von Bundesgesetzen Zugang zu Amazon-Daten forderte und das oft ohne Durchsuchungsbefehl. Ein solch umstrittenes Gesetz ist der Stored Communications Act (SCA) aus dem Jahr 1986, der die elektronische Kommunikation wie Texte und E-Mails regelt.

Gesetze werden großzügig ausgelegt

„Um Aufzeichnungen elektronischer Kommunikation nach dem Stored Communications Act zu erhalten, muss die Regierung nur hinreichende Gründe für die Annahme vorbringen“, heißt es in der Studie der Uni Georgetown, so zum Beispiel, dass die Aufzeichnungen für eine laufende strafrechtliche Untersuchung relevant und wesentlich sind. Allerdings heißt es darin auch, dass das Gesetz sehr großzügig ausgelegt wird.

In einem Bericht des Forschungsdienstes des Kongresses vom August 2022 heißt es: „Das SCA wurde 1986 verabschiedet, um den Schutz der Privatsphäre an die schnelle technologische Entwicklung anzupassen.“ Mittlerweile sei das Gesetz angesichts der heutigen Kommunikationsgeräte, Anwendungen und Online-Plattformen allerdings überholt.

Zurzeit haben rund 60 Millionen US-Haushalte intelligente Heimsysteme installiert, und diese Zahl wird bis 2027 voraussichtlich auf mehr als 90 Millionen Haushalte ansteigen – also um rund 50 Prozent.

Weltweit sind schätzungsweise mehr als 300 Millionen Haushalte mit intelligenter Technologie ausgestattet. Smartphone-Apps wie Facebook, Amazon und Uber sammeln routinemäßig Daten über die Kommunikation, Bewegungen, Einkäufe und andere persönliche Gewohnheiten der Nutzer.

Behörden kaufen Daten von Brokern

Kürzlich wurde in Anhörungen im Kongress aufgedeckt, dass US-Behörden massenhaft Daten von Amerikanern sammeln und sichten, wofür sie Daten bei Drittanbietern, den sogenannten „Data Brokers“ kaufen.

Ein interner Bericht des Büros des Direktors des Nationalen Nachrichtendienstes vom Januar beschreibt diese Praktik durch amerikanische Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden im Detail.

Demnach haben Bundesbehörden „große, ausgefeilte Datenbanken mit Verbraucherinformationen aufgekauft, die Kredithistorien, Versicherungsansprüche, Strafregister, Beschäftigungshistorien, Einkommen, ethnische Zugehörigkeit, Kauflisten enthalten können“.

Zudem weist der Bericht auf die Gefahren durch Datenmissbrauch im Besitz der Geheimdienstgemeinschaft hin. In den falschen Händen könnten sie Erpressung, Stalking, Belästigung und öffentliche Beschämung erleichtern.

Neugier unter Biden-Regierung größer geworden

Die Neugier der US-Bundesbehörden soll unter der Regierung von Präsident Joe Biden noch zugenommen haben.

Laut der aktuellen Fassung des Bank Secrecy Act müssen Banken Transaktionen von 10.000 Dollar oder alle, die irgendwie „verdächtig“ erscheinen, dem US-Finanzministerium melden. Im Jahr 2021 versuchte die Biden-Regierung, diesen Schwellenwert auf 600 Dollar zu senken.

Zudem zahlte das Heimatschutzministerium Millionen Dollar an Datenmakler wie Babel Street und Venntel, so der ACLU-Bericht. Sie sammeln täglich mehr als 15 Milliarden Standortdaten von mehr als 250 Millionen Mobiltelefonen.

Diese Daten ermöglichen es den Behörden, Geräte mit Standorten abzugleichen und „wiederholte Besucher und häufig besuchte Orte zu identifizieren, bekannte Partner ausfindig zu machen und Lebensmuster zu erkennen […], um Personen von Interesse zu identifizieren“.

Von daher gibt es Forderungen nach neuen Gesetzen, um die Amerikaner vor Staatswillkür zu schützen und Missbrauch durch Big Tech und Banken vorzubeugen.

Im Jahr 2021 stellten die US-Senatoren Ron Wyden (Demokrat), Rand Paul (Republikaner) sowie 18 weitere Senatoren eine Gesetzesvorlage mit dem Titel Fourth Amendment Is Not For Sale Act (Vierter Verfassungszusatz ist nicht käuflich) vor. Dieser soll Datenmakler daran hindern, persönliche Daten ohne gerichtliche Aufsicht an Behörden zu verkaufen.

„Online-Geschäfte zu tätigen, bedeutet nicht, der Regierung die Erlaubnis zu erteilen, jede Ihrer Bewegungen zu verfolgen oder die persönlichsten Details Ihres Lebens zu durchforsten“, erklärte Wyden damals. Es gebe keinen Grund, Datenmaklern mehr Rechte einzuräumen als einer Telefongesellschaft oder einem E-Mail-Anbieter.

„Dieser Gesetzentwurf schließt diese Gesetzeslücke und stellt sicher, dass die Regierung Ihre Kreditkarte nicht benutzen kann, um den Vierten Verfassungszusatz zu umgehen.“

Ein ähnlicher Gesetzentwurf wird derzeit im Repräsentantenhaus diskutiert.

Staaten ergreifen Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten

Wegen fehlender Bundesgesetze nehmen die Bundesstaaten in den USA die Sache in die Hand.

Am 11. Mai unterzeichnete Tennessee das Gesetz Tennessee Information Protection Act (TIPA). Damit hat sich der Bundesstaat Kalifornien, Utah, Colorado, Connecticut, Virginia, Iowa und Indiana angeschlossen. Ziel ist es, den Bürgern mehr Kontrolle über ihre persönlichen Daten einzuräumen.

TIPA schreibt vor, dass große Technologieunternehmen wie Google, Instagram und TikTok den Verbrauchern offenlegen, welche Nutzerdaten sie sammeln und was sie damit vorhaben.

Die Bürger von Tennessee können sich gegen den Verkauf ihrer persönlichen Daten an Dritte entscheiden. Das Gesetz sieht auch Schutzmaßnahmen für biometrische Daten vor – Stimmaufzeichnungen, Fingerabdrücke, Netzhautscans oder Gesichtserkennung.

„Die riesige Datenmenge, die Technologieunternehmen über uns sammeln, wenn wir online sind, verschlägt einem nahezu den Atem“, sagte der Fraktionsvorsitzende Johnny Garrett, einer der Hauptinitiatoren von TIPA, gegenüber der Epoch Times. „TIPA ist der Höhepunkt jahrelanger Anstrengungen. Er schützt Verbraucherdaten und gleichzeitig erhöht er die Transparenz und Aufsicht.“

Findige Ausreden der Bundesbehörden

Einem Bericht der Anwaltskanzlei White & Case zufolge gilt der Schutz in erster Linie für personenbezogene Daten. Einige Datenschutzgesetze „schließen nicht-identifizierte oder aggregierte Daten oder öffentlich zugängliche Informationen aus“.

Ausnahmen wie diese scheinen von Bundesbehörden als Rechtfertigung für den Kauf von Handydaten verwendet zu werden. In dem ACLU-Bericht heißt es, dass diese Unternehmen und Behörden sehr findig darin seien, ihr Vorgehen zu rechtfertigen.

Standortdaten von Mobiltelefonen würden in Aufzeichnungen als bloßer „digitaler Abgaswert“ abgetan. Demnach hätten sie keinen Personenbezug und seien nur mit der numerischen Kennung eines Mobiltelefons verknüpft und nicht mit einem Namen. Tatsächlich sei es den Bundesbehörden darum gegangen, die entsprechenden Personen zu identifizieren und zu verfolgen.

In den Aufzeichnungen wird weiter behauptet, dass Handybenutzer ihre Standortinformationen „freiwillig“ weitergeben und mit der Zustimmung des App-Nutzers und der „Erlaubnis der Person“ gesammelt würden.

„Natürlich ist diese Zustimmung eine Wunschvorstellung: Viele Handynutzer sind sich nicht darüber im Klaren, wie viele Apps auf ihren Handys GPS-Informationen sammeln. Und sie erwarten sicherlich nicht, dass diese Daten in großen Mengen an die Regierung verkauft werden“, heißt es im ACLU-Bericht.

„Die Staaten haben zunehmend den Schutz der Verbraucherdaten im Blick“, sagte Jake Morabito, Direktor für Kommunikation und Technologie beim American Legislative Exchange Council (ALEC), gegenüber der Epoch Times. Dennoch seien einige Gesetze vollkommen veraltet und bedürfen eines Upgrades.

„Die Internet- und Technologielandschaft hat sich in nur zwei kurzen Jahrzehnten drastisch weiterentwickelt“, sagte Morabito. „Die Verbraucher von heute nutzen eine Vielzahl von Online-Diensten und Cloud-Anbietern, wie man sie sich damals nicht ausmalen konnte, als viele dieser Gesetze geschrieben wurden.“

Die Jugend akzeptiert die Staatsüberwachung leichter

Gleichzeitig scheinen es immer mehr junge Amerikaner sogar gut zu finden, dass die Regierung Wohnungen überwacht.

Laut einer Umfrage des Cato-Instituts vom Juni befürwortete fast ein Drittel der Befragten der Generation Z (im Alter von 18 bis 29 Jahren) die Installation von Überwachungskameras in jedem Haushalt, um häusliche Gewalt, Missbrauch und andere illegale Aktivitäten einzudämmen.

Dahingegen halten das nur 14 Prozent aller erwachsenen Amerikaner für eine gute Idee, wobei die über 45-Jährigen am stärksten dagegen waren.

„Amerikaner über 45 Jahre haben eine ganz andere Einstellung zu Überwachungskameras in den eigenen vier Wänden als jüngere Menschen“, heißt es in dem Bericht.

Als Grund wurde die Berichterstattung während des Kalten Krieges über die Sowjetunion vermutet, die den Amerikanern die Gefahren von zu viel Staatsmacht vor Augen geführt hat. Heutzutage seien junge Menschen weniger mit solchen Beispielen konfrontiert und sich daher der Gefahren weniger bewusst, so der Bericht weiter.

In ihrem Streben nach Sicherheit akzeptierten viele Amerikaner während der COVID-19-Pandemie bereitwillig Impfstoff- und Maskenvorschriften, Impfpässe, Abriegelungen und andere Pandemiediktate.

Zudem ist der Sozialismus unter den Jugendlichen immer beliebter. Mehrere Umfragen zeigen, dass rund die Hälfte der Generation Z den Sozialismus dem Kapitalismus der freien Marktwirtschaft vorzieht. Von daher haben sie eine positivere Einstellung zu mehr staatlicher Überwachung und Autorität.

„Viele jüngere Amerikaner scheinen im Moment nicht so viel Wert auf [Bürger-]Rechte zu legen wie die ältere Generation“, sagte Watkins. „Ich hoffe, dass das nur eine vorübergehende Sache ist.“

„Wir haben in der Vergangenheit schon oft erlebt, dass junge Menschen solche Ansichten vertreten“, sagte er. „Aber dann, wenn sie älter werden, ändern sich ihre Ansichten.“

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: ANALYSIS: Courts, Lawmakers Struggle to Restore Americans’ Fourth Amendment Rights“ (deutsche Bearbeitung nh)



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