100 Jahre Lenin-Mumie: Debatte um Beerdigung von Leiche

Seit einem Jahrhundert zieht die einbalsamierte Leiche Lenins nicht nur Kommunisten in den Bann. Sie lockt auch Touristen an. Dabei gibt es seit Langem Streit, ob der Revolutionsführer nicht endlich unter die Erde sollte.
Titelbild
13. November 1991: Das Ende der Lenin-Statue in Berlin. Der "Rote Riese von Friedrichshain" wird demontiert. Der kommunistische Führer verschwand. Aus dem Leninplatz wurde der Platz der Vereinten Nationen.Foto: ANDREAS ALTWEIN/AFP/Getty Images
Epoch Times21. Januar 2024

Der Tod steht Lenin auch 100 Jahre nach seinem Ableben gut. Der einbalsamierte Leichnam des russischen Revolutionsführers Wladimir Iljitsch Uljanow (1870–1924), genannt Lenin, liegt im feinen Anzug in einem Glaskasten im schummrigen Licht des Mausoleums auf dem Roten Platz in Moskau. Der Erbauer einer neuen Weltordnung ist auch Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der von ihm gegründeten Sowjetunion eine Touristenattraktion der russischen Hauptstadt. Russlands Kommunisten erinnerten am Sonntag mit Blumen- und Kranzniederlegungen an den 100. Todestag Lenins.

Einbalsamierter Leichnam – das Rezept ist Staatsgeheimnis

Etwa alle zwei Jahre wird Lenins Leiche in einer Wanne im russischen Forschungsinstitut für medizinische und aromahaltige Pflanzen in ein Gemisch gelegt oder werden Teile seines Körpers mit konservierenden Substanzen gespritzt, wie russische Medien berichten. Das Rezept für das angeblich farb- und geruchlose und ungiftige Präparat ist geheim. Aber überliefert ist, dass für die ersten Balsamierungen auch Formalin, Kalium und Glyzerin eingesetzt worden waren. Lenins Gehirn wird separat aufbewahrt.

Zu sehen ist die erste Wanne für die Balsamierung an Lenins Sterbeort in Gorki Leninskije, eine knappe Autostunde von Moskau entfernt. In die ländliche Idylle mit einem weitläufigen Park und Villen aus Zarenzeiten zog sich Lenin einst zurück. Vor allem von dort aus führte er das vom Roten Terror seiner Bolschewiken und vom Bürgerkrieg geschwächte Riesenreich. In einem palastähnlichen Gebäude, das die Revolutionäre zu einem Sanatorium umfunktionierten, starb Lenin im Bett seines kleinen Zimmers.

Viele Besucher sind aber nicht gekommen, um sich auf dem riesigen Gelände an Lenin zu erinnern. Sie wollen sich, das liegt heute im Trend, ein Bild davon machen, wie es sich in Russland zu Zarenzeiten lebte. „Lenin hat zwar die alte Ordnung zerstört, aber das Inventar, die Gemälde, Möbel hatte er als Teil der Geschichte wertgeschätzt und erhalten“, sagt die junge Museumsführerin. Sie wäre dafür, Lenin endlich unter die Erde zu bringen, wie sie auf eine Besucherfrage hin sagt. „Er soll seine letzte Ruhe finden“, sagt sie.

Debatte um Beerdigung von Lenins Leiche

Seit Jahren schon gibt es Debatten, Lenin endlich zu beerdigen. Laut Umfragen wollen das die meisten Russen. Die russisch-orthodoxe Kirche fordert das. „Es ist eine dumme, heidnische Mission der Liebe zu Leichen, die wir auf dem Roten Platz haben. Experten wissen, dass nur noch zehn Prozent des Körpers erhalten sind“, sagte einst der prominente Politiker Wladimir Medinski, der engste Beziehungen zur Kirche und zu Präsident Wladimir Putin pflegt.

Es gehört zu den Widersprüchen russischer Geschichtsschreibung unter Medinski, der für Lehrbücher verantwortlich zeichnet, dass Putin selbst zwar Revolutionen und ihre Anführer wie Lenin verachtet. Putin gab dem einstigen Anführer der internationalen Arbeiterbewegung auch die Schuld an der Zerstörung des russischen Imperiums. Gleichwohl ist auch unter Putin Lenin allgegenwärtig. Allein in Moskau stehen mehrere riesige Lenin-Denkmäler. Die Nationalbibliothek und die weltberühmte Metro der russischen Hauptstadt tragen Lenins Namen.

Umstrittenes historisches Erbe

Dagegen weisen vor allem westliche Historiker immer wieder darauf hin, dass der Kommunist Lenin als Begründer des Roten Terrors gelte. „Lenin leitete damals mit dem sozialistischen Experiment eine Zeitenwende ein. Und er war klar auch ein Wegbereiter für die Terror- und Gewaltherrschaft seines Nachfolgers Stalin“, sagte die Osteuropa-Historikerin Tanja Penter der Deutschen Presse-Agentur. „Lenin war ein radikaler Erneuerer, der fanatisch an die Richtigkeit seiner Sache glaubte“, so die Professorin an der Universität Heidelberg. „Und er war ein Tyrann, der seine Ziele rücksichtslos gegen alle Widerstände durchsetzte.“ Viele ehemalige Sowjetrepubliken, darunter die von Putin mit Krieg überzogene Ukraine, haben ihre Lenin-Denkmäler längst abreißen lassen. (dpa)

 

 



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