200 Millionen Grad in Japan – größter Fusionstestreaktor der Welt in Betrieb

In Japan ging vor Kurzem die leistungsstärkste Fusionsversuchsanlage der Welt in den Testbetrieb. Diese Technologie soll gewaltige Mengen an Energie freisetzen – und könnte die Energieprobleme der Zukunft lösen.
200 Millionen Grad in Japan – Größter Fusionsreaktor der Welt im Test
Ein Fusionsreaktor vom Typ Tokamak ist in Japan im Testbetrieb.Foto: iStock
Von 30. Dezember 2023

Sie könnte alle bisherigen umstrittenen Energiequellen – egal ob fossil oder erneuerbar – überflüssig machen: die Kernfusion. Bereits seit vielen Jahren versuchen Forscher in der ganzen Welt, diese vielversprechende Technologie zu beherrschen.

Am 1. Dezember machte Japan einen womöglich entscheidenden Schritt in der Kernfusionsforschung. Im fernöstlichen Land weihten Vertreter der EU und Japans die „Japan Torus 60 Super Advanced“ (JT-60SA) ein, wie das Nuklearforum Schweiz informierte. Der Forschungsreaktor des Typs Tokamak gilt als die weltweit leistungsstärkste Fusionsversuchsanlage, die sich im Betrieb befindet.

Für 100 Sekunden der heißeste Ort im Sonnensystem

In solch einem Tokamak-Reaktor wird der Treibstoff – in der Regel Wasserstoff – stark erhitzt, wobei sich die Atomkerne von den sie umgebenden Elektronen abspalten. Dadurch entsteht ein elektrisch geladenes Plasma. Dieser Zustand der Materie wird auch – nach fest, flüssig und gasförmig – als vierter Aggregatzustand bezeichnet. Plasma befindet sich normalerweise in Sonnen oder in Gaswolken im Weltall.

Der Forschungsreaktor JT-60SA in Japan. Foto: Screenshot YouTube-Kanal „Global Update

Im JT-60SA soll der Wasserstoff Temperaturen von bis zu 200 Millionen Grad Celsius erreichen. Das ist um ein Vielfaches heißer als im Inneren unserer Sonne. Solch ein Reaktorkern wäre dann mit Abstand der heißeste Ort in unserem Sonnensystem. Für rund 100 Sekunden werden bis zu 135 Kubikmeter Plasma in der donutförmigen Brennkammer eingeschlossen. Das wäre ein neuer Rekord für große Reaktoren dieser Bauart.

Im Inneren der Anlage sollen sich die Atomkerne der Wasserstoffmoleküle dann so nah kommen, dass sie zu Helium verschmelzen. Bei diesem Fusionsprozess wird ein Teil ihrer Masse zu Wärmeenergie. Diese dient letztlich der Stromerzeugung. Dabei müssen extrem starke Magnetfelder das Plasma während des Fusionsprozesses im Zentrum der donutförmigen Brennkammer halten. Wenn es die Wände berührt, würde es sofort abkühlen und der Fusionsprozess wäre augenblicklich beendet.

Die Forscher haben laut einem Beitrag auf dem Kurzbotschaftendienst X ein Plasmafeuer in dem Tokamak-Versuchsreaktor gezündet. Bereits am 23. Oktober erzeugte der JT-60SA das erste Tokamak-Plasma.

Ein Testreaktor für ITER

Mit dem 15,5 Meter hohen Reaktor in Japan wollen die Forscher jedoch keine Energie produzieren. Der JT-60SA soll wichtige Fragen für den Bau und Betrieb von ITER klären. ITER ist eines der ehrgeizigsten Energieprojekte im Bereich der Kernfusion. Es ist ein seit 2007 erbauter Kernfusionsreaktor beim südfranzösischen Kernforschungszentrum Cadarache, der bis jetzt nicht in den Testbetrieb gegangen ist. Zugleich ist ITER ein internationales Forschungsprojekt mit dem Ziel der Stromerzeugung aus Fusionsenergie. In Südfrankreich arbeiten 35 Nationen zusammen, um den weltweit größten Tokamak-Reaktor zu bauen.

ITER will mit seinem Forschungsprojekt zeigen, dass es technisch und wirtschaftlich möglich ist, Kernfusion als Energiequelle zu nutzen. An dem Megaprojekt sind neben der EU auch Japan, China, die USA, Indien und Russland beteiligt.

Im Jahr 2025 soll der ITER-Reaktor dann erstmals Plasma erzeugen. Ab 2035 will das Betreiberkonsortium schwere Wasserstoffkerne, also Deuterium und Tritium, verschmelzen. Verzögerungen sind allerdings nicht auszuschließen, zumal die Corona-Pandemie und technische Schwierigkeiten das Projekt abgebremst haben. Die Forscher gaben jedoch noch keinen neuen Zeitplan bekannt.

Die Entwicklung des JT-60SA

Anfang der 2000er-Jahre zielte Japan laut „futurezone.at“ darauf ab, ITER-Standort zu werden. Allerdings entschieden sich die Verantwortlichen für Frankreich. Dafür schloss Japan ein Abkommen mit der EU, wonach der japanische Reaktor JT-60 modernisiert werden sollte. Dieser Forschungsreaktor ist seit den 1980er-Jahren führend in der japanischen Fusionsforschung.

Die Ingenieure erhielten lediglich das Gebäude rund um den JT-60. Den Reaktor selbst erneuerten sie von Grund auf. Der 15,5 Meter hohe JT-60SA hat rund ein Sechstel des Volumens der ITER-Anlage.

Insgesamt dauerte der Bau von JT-60SA mehr als 15 Jahre, die geschätzten Kosten liegen bei rund 400 Millionen Euro. Ursprünglich war geplant, dass JT-60SA bereits 2016 in Betrieb gehen sollte. Das Erdbeben aus dem Jahr 2011, das auch zur Nuklearkatastrophe von Fukushima führte, sorgte allerdings für Verzögerungen.



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