Außenpolitischer Richtungsentscheid im Iran: Moderater Amtsinhaber gegen konservativen Justizfunktionär

Keine Reformen, keine Öffnung, keinen Ausgleich mit dem Westen - Ebrahim Raisi steht für einen Kurs der politischen Konfrontation. Der 56-jährige Konservative, der bei Irans Präsidentenwahl am Freitag den moderaten Amtsinhaber Hassan Ruhani herausfordert, warnte im Wahlkampf vor "Schwäche im Angesicht des Feindes" und warb unter dem Schlagwort der "Widerstandswirtschaft" für ökonomische Autarkie statt einer weiteren Öffnung des Landes.
Titelbild
Anhänger des iranischen Staatschef Hassan Rouhani.Foto: BEHROUZ MEHRI/AFP/Getty Images
Epoch Times17. Mai 2017

Irans moderater Präsident Hassan Ruhani gilt als Favorit bei der Präsidentschaftswahl am Freitag, doch steht ihm mit dem Hardliner Ebrahim Raisi ein ernstzunehmender Herausforderer gegenüber. Die beiden graubärtigen Geistlichen, die beide auf eine lange Karriere im Staatsapparat zurückblicken, gleichen sich in Aussehen und Auftreten, doch stehen sie für völlig unterschiedliche Positionen in der Politik.

HASSAN RUHANI

Der moderate Kleriker war 2013 mit dem Versprechen angetreten, nach der achtjährigen Präsidentschaft des umstrittenen Hardliners Mahmud Ahmadinedschad die internationale Isolation des Landes zu beenden und den jahrelangen Atomkonflikt zu lösen. Tatsächlich ist es dem 68-Jährigen gelungen, durch den Abschluss des internationalen Atomabkommens im Juli 2015 die Aufhebung der schmerzhaften Sanktionen zu erreichen.

Auch hat er die Inflation gesenkt, die Währung stabilisiert und die Ölproduktion angekurbelt, doch der erhoffte Aufschwung hat sich nicht eingestellt. Viele europäische Firmen meiden weiterhin Investitionen im Iran, weil sie fürchten, gegen die verbleibenden US-Sanktionen zu verstoßen. Angesichts einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit und nur geringen Verbesserungen im Alltag sind viele Iraner enttäuscht von Ruhani.

Im Wahlkampf forderte der pragmatische Politiker, der von den Reformern unterstützt wird, aber auch gute Beziehungen zu Irans geistlichem Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei unterhält, seiner Politik der wirtschaftlichen Öffnung mehr Zeit zu geben. Zudem versucht er das spannungsvolle Verhältnis zu den USA zu entschärfen.

Ruhani verspricht außerdem eine Stärkung der Bürgerrechte, mehr soziale und kulturelle Freiheiten und die Freilassung inhaftierter Reformer. Bisher ist er mit dieser Politik zwar an Justiz und Sicherheitsapparat gescheitert, die fest in der Hand der Konservativen sind. Doch laut Umfragen ist ein Großteil der Iraner bereit, ihm bei der Wahl am Freitag eine weitere Chance zur Umsetzung seiner Agenda zu geben.

EBRAHIM RAISI

Grauer Bart, randlose Brille, sanfte Stimme und zurückhaltendes Auftreten – Raisi gleicht äußerlich seinem Rivalen Ruhani in vieler Hinsicht, auch wenn er anders als der Präsident nicht einen weißen, sondern den schwarzen Turban trägt, der ihn als Nachfahren des Propheten auszeichnet. Politisch aber steht der Justizfunktionär, der bisher über keine Erfahrung in der Regierung verfügt, ziemlich für das Gegenteil Ruhanis.

Der 56-jährige Hardliner blickt auf eine lange Karriere in der Justiz zurück. Als junger Theologiestudent war er nach der islamischen Revolution 1979 Staatsanwalt geworden und hatte als solcher im Sommer 1988 bei der Hinrichtung tausender politischer Gefangener in Teheran eine umstrittene Rolle gespielt. Später rückte der Kleriker zum stellvertretenden Justizchef auf und wurde 2014 Generalstaatsanwalt.

Allgemein bekannt wurde er im Iran aber erst, als Chamenei ihn im März 2016 zum Leiter der Stiftung des Heiligtums von Imam Resa in Maschhad ernannte. Der Stiftung gehört ein weitverzweigtes Wirtschaftsimperium mit großem Einfluss in der Politik. Seine Ernennung verdankte Raisi wohl ebenso seiner Nähe zu Chamenei wie der Tatsache, dass er mit der Tochter des Freitagpredigers von Maschhad verheiratet ist.

Im Wahlkampf nun griff Raisi die Wirtschaftsbilanz Ruhanis an und präsentierte sich als Verteidiger der Armen und Arbeitslosen. Zwar kritisierte er nicht das Atomabkommen, da es von Chamenei gebilligt wird. Doch warf er Ruhani vor, keinen Nutzen daraus gezogen zu haben. Statt Öffnung versprach er eine „Widerstandswirtschaft“, die auf Autarkie setzt, und kündigte einen härteren Kurs gegenüber dem Westen an.

Neben Ruhani und Raisi tritt noch der Konservative Mostafa Mirsalim an, nachdem sich Vize-Präsident Eshagh Dschahangiri am Dienstag zugunsten Ruhanis zurückgezogen hat. Erreicht keiner der Kandidaten am Freitag mehr als 50 Prozent, findet am 26. April eine Stichwahl statt. Der Präsident hat als Chef der Exekutive eine zentrale Rolle im Iran, doch liegt das letzte Wort in den meisten Fragen beim geistlichen Oberhaupt Chamenei. (afp)



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