C919: Chinas Flugzeugtraum und Tausend-Talente-Falle

China habe es „selbst entwickelt“, das neue Passagierflugzeug Comac C919, loben die Staatsmedien. Viele wichtige Teile kommen jedoch aus dem Ausland. Zudem gibt es Vorwürfe, dass geklaute Technologie zum Einsatz kam.
Titelbild
Chinas C919 am 28. Mai 2023 auf dem Flughafen Shanghai-Hongqiao, wenige Tage vor seinem ersten kommerziellen Flug nach Peking am 30. Mai.Foto: STR/AFP via Getty Images
Von 10. Juni 2023

Chinas neues Passagierflugzeug C919 soll ein Meilenstein der chinesischen Fluggeschichte sein. Am 30. Mai vermeldete das von der Staatsagentur Xinhua betreute China Internet Information Center auf seiner deutschen Website German.China.Org.CN, dass um 8:25 Uhr am Montagvormittag das „von China selbst entwickelte Passagierflugzeug C919“ mit 135 Passagieren an Bord zu seinem Linienflug MU9197 vom Flughafen Shanghai-Hongqiao aufgebrochen und um 11:05 Uhr „stabil“ auf dem internationalen Flughafen Chengdu Tianfu gelandet sei. „Damit ist der reguläre Betrieb des chinesischen Passagierflugzeugs gestartet worden.“

Vorwurf: Geklauter Fortschritt

China verfügt bisher lediglich über kleinere regionale Passagierjets vom Typ ARJ21 und einige Modelle von Turbopropellerflugzeugen. Die ehrgeizige Entwicklung des ersten chinesischen Schmalrumpfflugzeuges begann 2008 – unter anderem, um eine Alternative zu den westlichen Boeing- und Airbus-Maschinen zu schaffen. Das Flugzeug stellt den Einstieg Chinas in die Narrowbody-Klasse (Schmalrumpfflugzeug) dar. Das für Kurz- und Mittelstreckenflüge konzipierte Flugzeug hat bauartbedingt nur einen Kabinengang (Single Aisle) und bietet Platz für bis zu 168 Passagiere. Die planmäßige Reichweite beträgt je nach Nutzlast und Konfiguration zwischen 4.075 und 5.555 Kilometer. Es dauerte jedoch bis 2017, bis ein C919-Prototyp für einen ersten Testflug starten konnte. Mehrmals wurde die Einführung der C919 verschoben – bis zum Jungfernflug am 30. Mai dieses Jahres.

Wie die chinesischsprachige Epoch Times in einem Bericht zur Comac C919 erinnert, ist die Entwicklung der chinesischen Flugzeugtechnologie eng verbunden mit fragwürdigen Ereignissen der letzten Jahre. 2014 noch habe der renommierte US-Thinktank RAND berichtet, dass die Technologien für hochmoderne Produkte wie Turbinenschaufeln, Verbundwerkstoffe und komplette integrierte Systeme fest in den Händen der Unternehmen liegen, die solche Produkte entwickeln. In China würden dann nur noch der finale Zusammenbau gestaltet. Jedoch habe ab 2017 das US-Justizministerium bereits ein komplexes chinesisches Programm aufgedeckt, das auf die US-Luftfahrttechnologie abgezielt habe.

2018 habe das US-Justizministerium eine Reihe von Anklagen eröffnet, in denen es um den Diebstahl wichtiger Flugzeugtechnologien durch die kommunistische Partei Chinas (KPC) ging. Ziel chinesischer Agenten war es, etwas über ein aus Verbundwerkstoffen hergestelltes Fan-Blade-System des französisch-amerikanischen Joint Ventures CFM herauszufinden.

Im CFM arbeiten seit 1974 die beiden Triebwerkshersteller Safran Aircraft Engines (früher Snecma) und GE Aviation, eine General-Electric-Tochter, zusammen. Der Technologiediebstahl bezog sich auf das in der Boeing 737 Max und teils auch im Airbus A370 neo eingesetzte LEAP-1A-Triebwerk (Leading Edge Aviation Propulsion oder „technologieführender Luftfahrtantrieb“). Doch wozu benötigten die Chinesen unbedingt diese exklusive Technologie? Das US-Cybersicherheitsunternehmen Crowdstrike enthüllte 2019 einen Schwerpunkt der Spionage Pekings: Komponenten für Chinas C919.

Nach Angaben von He Minghui, Assistenzprofessor am Department of Aeronautics der Chaoyang University of Science and Technology in Taiwan, gegenüber The Epoch Times, gehe es nicht um die Triebwerke an sich, sondern um das Material. „Einige Schlüsselmaterialien müssen hohen Temperaturen, hohem Druck und hoher Geschwindigkeit standhalten. Nur unter hohem Druck und hoher Temperatur kann der Motor eine relativ hohe Antriebseffizienz erzielen“, so der Experte.

C919-Technologie für das Militär

Stanley Chao, ein leitender Berater der US-Luftfahrtindustrie, meinte, dass die Verbindungen von Comac zum chinesischen Militär in der Branche „gut bekannt“ seien. Nachdem das chinesische Staatsunternehmen jahrelang das Wissen ausländischer Partner und Zulieferer übernommen habe, „verfügt es nun über eine Grundbasis“. Das Weitere kann sich Comac nach Ansicht von Chao selbst aneignen.

Yang Yikui vom National Defense Security Research Institute in Taiwan erklärte gegenüber The Epoch Times, dass der „primäre strategische Zweck“ hinter Chinas Entwicklung der C919 darin bestehe, „gleichzeitig die nationalen Verteidigungsfähigkeiten und die wirtschaftliche Produktionskapazität durch militärisch-zivile Integrationstechnologie zu verbessern“. Das sei äußerst wichtig für die „Verbesserung der nationalen Verteidigungsstärke“. Die Technologie könne sowohl für das C919 als auch für das Militär der KPC verwendet werden. Der wechselseitige Zusammenhang zwischen militärischer und ziviler Technologie treibe die militärischen Fähigkeiten der KPC voran, erklärte der Experte.

China verfolge laut Yang zwei strategische Ziele damit: die Dominanz von Boeing und Airbus auf dem internationalen Verkehrsflugzeugmarkt zu ändern und der Aufbau einer Lieferkette, die westlichen Sanktionen entgehen könne. Diese könnten dem Experten zufolge von den westlichen Ländern und ihren Verbündeten verhängt werden, wenn die KPC in Zukunft mit Gewalt die Sicherheit und Stabilität in der indopazifischen Region untergraben sollte. Die Entwicklung des C919 sei daher ein Bindeglied in diesem tiefgreifenden strategischen Ziel der Vorbereitung auf ein Umfeld langfristiger Kämpfe.

Die Tausend-Talente-Falle

Für den chinesischen Turbineningenieur Zheng Xiaoqing aus Niskayuna, New York, lief es eigentlich richtig gut. Der 1992 in die USA ausgereiste Chinese holte zwei Jahre später seine Frau und die beiden Kinder zu sich. Zwei weitere Kinder folgten und 1997 die Greencard als herausragendes Talent. 2004 wurde Zheng amerikanischer Staatsbürger und konnte 2008 einen gut dotierten Posten bei General Electric (GE) bekommen – mit einem Jahresgehalt von 115.000 US-Dollar. Für seine herausragenden Leistungen verlieh ihm seine Firma 2011 die Medaille „Fertigungsingenieur des Jahres“.

Allerdings war Zheng auch der Kommunistischen Partei in China aufgefallen. 2012 rekrutierte ihn Peking für das nationale „Tausend Talente Programm“. Zheng wurde in den Expertenpool des Parteikomitees aufgenommen und erhielt den Ehrentitel „National Distinguished Expert“ (Bedeutender Nationaler Experte) sowie einen einmaligen steuerfreien staatlichen Preis von einer Million Yuan (damals rund 120.000 Euro).

Das „Tausend Talente Programm“ wurde 2008 gegründet, um hoch qualifizierte chinesische Wissenschaftler und Fachkräfte aus dem Ausland durch finanzielle Anreize und Forschungsunterstützungen für Chinas wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung zu rekrutieren. Die Teilnehmer des Programms können an chinesischen Hochschulen, Forschungsinstituten oder Unternehmen tätig sein und an Projekten von nationaler Bedeutung arbeiten.

2014 wurde Zheng Xiaoqing vom GE-Sicherheitsdienst entdeckt, als er illegal 19.020 elektronische Dateien von einem GE-Computer auf einen USB-Stick kopierte. Zheng behauptete jedoch, er habe die Daten gelöscht. GE schöpfte keinen Verdacht und beförderte ihn 2015 zum Chefingenieur für Versiegelung, wobei sein Jahresgehalt auf 153.000 US-Dollar stieg.

Ende 2015 gründete Zheng Xiaoqing die Nanjing Skywing Aviation Technology Co Ltd (NTAT) in China, und im April 2016 gründete Zhengs Neffe Zhaoxi Zhang die Liaoning Skywing Aviation Technology Co Ltd (LTAT), an der Zhang 55 Prozent und Zheng 45 Prozent der Anteile halten. Die beiden Unternehmen haben ein gemeinsames Logo, wobei sich das Unternehmen in Liaoning auf die Herstellung und das Unternehmen in Nanjing auf die Forschung und Entwicklung konzentriert.

Vom angesehenen Ingenieur zum Häftling

Am 1. August 2018, um 6 Uhr morgens, stand plötzlich das FBI bei Zheng vor der Tür und verhaftete den 56-jährigen chinesischen Wissenschaftler.

Wie die Epoch Times schreibt, sei der Fall Zheng Xiaoqing der Erste gewesen, bei dem ein Experte des chinesischen „Tausend Talente Programms“ verhaftet worden sei. Zheng wurde vorgeworfen, proprietäre Technologie von GE gestohlen zu haben, während er versucht habe, die Informationen zum Aufbau zweier chinesischer Turbinenfertigungsanlagen zu nutzen, schrieben US-Medien. Schuldig befunden wurde Zheng dann in einem Fall von Verschwörung zur Begehung von Wirtschaftsspionage.

Die Bezirksrichterin Mae D’Agostino hingegen sprach in der Urteilsbegründung von einem geschätzten Verlust von 1.058.800 US-Dollar und nannte das „von Dr. Zheng begangene Verbrechen äußerst schwerwiegend“. Das Urteil fiel in Anbetracht der Gesamtumstände allerdings milde aus: zwei Jahre Haft, ein weiteres Jahr Bewährung unter Aufsicht und eine Geldstrafe von 7.500 US-Dollar. Die Verteidigung meinte: „Wir hatten auf ein möglichst niedriges Strafmaß gehofft, und das war so niedrig wie möglich.“ Die Staatsanwaltschaft hatte acht Jahre gefordert und eine halbe Million US-Dollar Strafgeld.

Schlag gegen die wirtschaftliche Sicherheit

Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Matthew Olsen sprach nach der Urteilsverkündung von einem „Fall von Wirtschaftsspionage wie im Lehrbuch“ und erklärte, dass Zheng seine Vertrauensstellung ausgenutzt und seinen Arbeitgeber verraten habe. Er habe mit der chinesischen Regierung konspiriert, um „innovative amerikanische Technologie zu stehlen“.

Alan E. Kohler Jr., stellvertretender Direktor der FBI-Abteilung für Spionageabwehr, erklärte nach dem Prozess: „Amerikanischer Einfallsreichtum ist ein integraler Bestandteil der wirtschaftlichen Sicherheit der Vereinigten Staaten – er hat zu einer weltweiten Führungsposition der USA geführt, auch wenn China versucht, unseren Status zu stürzen.“ 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion