„Das ist keine Machtergreifung“: EU will bis zu 100 Milliarden Euro für Rüstung

Die EU-Kommission will ein Investitionsprogramm für Zusammenarbeit und Entwicklung bei der Rüstung – und dafür 1,5 Milliarden Euro. Dies soll erst der Anfang sein. Industriekommissar Breton denkt bereits über gemeinsame Projekte im Umfang von bis zu 100 Milliarden nach.
Thierry Breton, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Industrie, spricht auf einer Pressekonferenz über die Initiative der Europäischen Kommission zur Gigabit-Verbindung.
EU-Industriekommissar Thierry Breton will die Rüstung zur gemeinsamen Sache machen.Foto: Valeria Mongelli/ZUMA Press Wire/dpa
Von 5. März 2024

Niemand habe die Absicht, Kompetenzen an sich zu reißen – dies versichert EU-Industriekommissar Thierry Breton. Um neue Mittel für die Rüstung sicherstellen zu können, soll die EU-Kommission weitreichende finanzielle Spielräume erhalten. Vorerst soll es ein 1,5 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm für Zusammenarbeit und Entwicklung in diesem Bereich geben. Breton denkt jedoch schon weiter.

EU will gemeinsame Beschaffung und Versorgungssicherheit gewährleisten

Wie „Politico“ in der Vorwoche berichtet hat, wird Breton am Dienstag, 5. März, einen Plan und ein dazugehöriges Finanzierungskonzept vorstellen. Im Kern soll dieses sich an einem 27-seitigen Entwurf für eine „Europäische Strategie für die Verteidigungsindustrie“ (EDIS) orientieren. Dazu kommt das sogenannte Europäische Programm für die Verteidigungsindustrie (EDIP), das die erforderlichen Mittel dafür sicherstellen soll.

In dem Entwurf geht es um Subventionen, die den Ausbau einer gemeinsamen Rüstungsindustrie stützen sollen. Vor allem eine gemeinsame und aufeinander abgestimmte Beschaffung spielten dabei eine zentrale Rolle. Außerdem soll es eine Regelung zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit geben.

Für EDIP sollen immerhin bereits jetzt mindestens 1,5 Milliarden Euro mobilisiert werden können, meint Breton. Immerhin sähen dies bereits der aktuelle Haushalt, ein aufgestockter Europäischer Verteidigungsfonds (EVF) und ein bislang kaum beachteter Beschluss aus dem Jahr 2007 vor.

Mitgliedstaaten sollten bereits seit 2007 fixen Anteil ihrer Rüstung koordinieren

Damals hätten sich die EU-Staaten verpflichtet, 35 Prozent ihres Budgets für die Rüstung für die gemeinsame europäische Beschaffung auszugeben. Obwohl diese Budgets damals tendenziell noch stagnierten oder sogar rückläufig waren, wurde dieses Ziel nicht erreicht.

Im Zeichen der Eskalation in der Ukraine müssten die Europäer nun, so Breton, „einen Paradigmenwechsel vollziehen und in den Modus der Kriegswirtschaft wechseln“. Dieser solle sich auch im Siebenjahreshaushalt der EU ab 2028 widerspiegeln, wofür bereits jetzt ein Rahmen entstehen solle.

Die europäische Verteidigungsindustrie sei nicht wettbewerbsfähig, hatten im Vorfeld Beamte gegenüber „Bloomberg“ geklagt. Sie sei zwar vorhanden, aber sei „nicht in der Lage, rechtzeitig und in ausreichender Menge zu produzieren“.

EU scheint Gefallen an Konzept von Habeck gefunden zu haben

Breton scheint hingegen auch Gefallen an einem Vorschlag gefunden zu haben, den Deutschlands Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor Wochen geäußert hatte. Er hatte auf nationaler Ebene eine „längerfristige Abnahmegarantie“ zugunsten der Rüstungsindustrie ins Spiel gebracht, um dieser Planungssicherheit zu geben.

Vorbild dafür seien die Programme der EU zur Beschaffung von Corona-Impfstoffen oder die Notfallregelungen zur gemeinsamen Beschaffung von Erdgas. Auf europäischer Ebene solle Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen diesen Part übernehmen – und dazu hatte sie Breton mit der Führung einer Taskforce betraut.

Breton will es jedoch nicht bei dem Rahmen von 1,5 Milliarden belassen. Wie „Euractiv“ schrieb, hat er gegenüber Reportern angedeutet, schon in den nächsten zwölf Monaten „hundert Milliarden Euro an Investitionen“ mobilisieren zu wollen. Für die EU gehe es aber „nicht nur um Finanzierung, sondern auch um ein Programm für die industrielle Organisation“, hieß es aus der Kommission. Ein gemeinsames Vorgehen – auch im Bereich der Finanzierung – könne hier Türen öffnen.

Kiew soll von gemeinsamen Programmen im Bereich der Rüstung profitieren

Auf der Nachfrageseite möchte die Europäische Kommission eine effizientere Ausgabenpolitik sicherstellen. Es ist zwar noch nicht festgelegt, wie viel von dem Konzept die europäischen Regierungen in Eigenregie erwerben sollen.

Allerdings ist beabsichtigt, sicherzustellen, dass diese mehr europäische Rüstungsgüter kaufen und Rüstungsgüter gemeinsam erwerben. Gleichzeitig solle auf der Angebotsseite die Europäische Verteidigungs- und Technologieindustrie (EDTIB) weniger risikoscheu und flexibler gemacht werden.

Die Versorgungssicherheit der Regierungen für den Notfall solle sichergestellt sein. Dafür wolle man über entsprechende Mechanismen der Verteidigungsindustrie Vorrang vor zivilen Aufträgen und Unternehmen einräumen. Gleichzeitig solle es Erleichterungen für den Verkauf von Waffen an Drittländer geben. Auch die Führung in Kiew soll am gemeinsamen Beschaffungsprogramm teilnehmen können – als wäre die Ukraine bereits EU-Mitglied.

Breton versichert: „Verteidigung bleibt nationale Verantwortung“

Bedenken, die EU könne sich auf diesem Wege Machtbefugnisse aneignen wollen oder gar in Eigenregie eine Armee aufbauen, weist Breton zurück. Es handele sich „nicht um eine Machtergreifung“, versichert er.

„Alles wird in Abstimmung mit den Mitgliedsländern vonstattengehen. Verteidigung bleibt eine nationale Verantwortung, aber wir können es organisieren, dass wir das gemeinsam besser machen können.“

Eine aus den Mitgliedstaaten zusammengesetzte Gruppe solle bei der Koordinierung von Planung und Beschaffung helfen. Neben konventionellen Rüstungsgütern sollen auch Cyberverteidigungsfähigkeiten sowie integrierte europäische Luft- und Raketenabwehrsysteme eine Rolle spielen.



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