Frankreich: Drei „Rote Linien“ für die Proteste der Landwirte

In Frankreich protestieren die Bauern gegen die Regierungspolitik und die EU-Vorschriften in der Branche. Sie richten sich mit Schichtdiensten auf tage- und wochenlange Blockaden ein.
Titelbild
Französische Polizisten neben Traktoren am 29. Januar 2024 bei einer Straßenblockade auf der Autobahn A4 in der Nähe von Jossigny, östlich von Paris. Auf dem Plakat steht: „Unser Ende wird Ihr Hunger sein“. Lokale Zweigstellen der großen Bauerngewerkschaften FNSEA und Jeunes Agriculteurs kündigten am 27. Januar 2024 eine „Belagerung der Hauptstadt auf unbestimmte Zeit“ an.Foto: BERTRAND GUAY/AFP über Getty Images
Von 30. Januar 2024

Der Ärger der französischen Landwirte ist nicht abgeklungen, am Montag setzte sich die landesweite Mobilisierung einschließlich der Hauptstadt fort. Die Blockade mehrerer großer Autobahnachsen nach Paris begann wie geplant am Montag um 14 Uhr. Viele der Landwirte verbrachten die Nacht auf den Zufahrtsstraßen rund um Paris in ihren Fahrzeugen oder auf strohgedeckten Anhängern.

Französische Landwirte und Lkw-Fahrer wollen acht Zufahrtsstraßen der französischen Hauptstadt für „unbegrenzte Zeit“ blockieren.

Sollten die für Dienstag im Laufe des Tages angekündigten neuen Maßnahmen der Regierung für die Landwirtschaft als nicht ausreichend befunden werden, könne die Aktion fortgesetzt werden, hieß es – mobile Toiletten und Generatoren haben sie mitgebracht. Nach Polizeiangaben beteiligten sich am Montag landesweit rund 10.000 Bauern an verschiedenen Aktionen.

Keine Blockade des Großmarkts Rungis

Die Regierung in Paris lässt die Demonstranten gewähren, will aber verhindern, dass die Traktoren in „Paris und die großen Städte“ eindringen. Nach einer interministeriellen Krisensitzung berichtete Innenminister Gérald Darmanin auch von einer „Mäßigung“, die von den Ordnungskräften verlangt wird, die nicht „an den Blockadepunkten eingreifen“, sondern diese „sichern“ sollen.

Frankreichs Behörden hätten drei „rote Linien“, so hieß ss auf X (Twitter). Diese dürften die Landwirte nicht überschreiten: keine Blockierung des Rungis-Marktes, keine Traktoren im Stadtzentrum von Paris und keine Flughafenblockierung.

Der Rungis-Markt ist der Großmarkt von Paris und gilt mit einer Fläche von über 230 Hektar als der weltweit größte Frischmarkt. Er befindet sich etwa sieben bis 13 Kilometer südlich vom Stadtzentrum von Paris in den Orten Rungis und Chevilly-Larue. Der Großmarkt Rungis versorgt täglich etwa 18 Millionen Menschen mit frischen Lebensmitteln, er beschäftigt etwa 12.000 Mitarbeiter bei einem Umsatz von über neun Milliarden Euro pro Jahr. Täglich fahren rund 26.000 Trucks den Markt an.

Gepanzerte Fahrzeuge der Gendarmerie in Rungis

Macrons Regierung ließ gepanzerte Fahrzeuge in Rungis auffahren, um eine Lebensmittelblockade der Hauptstadt durch Landwirte und Lkw-Fahrer zu verhindern. Innenminister Gérald Darmanin ließ die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen, insgesamt sind 15.000 Sicherheitskräfte im Einsatz.

Rudy Manna, Sprecher der Polizeigewerkschaft Alliance Sud, sagte den Landwirten am Mikrofon von „CNews“ und im Namen der Ordnungskräfte seine Unterstützung zu.

„Wir sind uns bewusst, dass diese Landwirte es nicht mehr aushalten, […] also versuchen sie, sich Gehör zu verschaffen“, so Rudy Manna. „Die einzige Sache, die sie benötigen, ist, dass es keinen Aufruhr gibt, dass es keine Zerstörungen gibt. Und vor allem wollen wir als Polizisten jegliche Ausschreitungen vermeiden und wir wollen eine Konfrontation mit ihnen vermeiden.“

Chaos und Anarchie vermeiden

Wie bei vielen Demonstrationen könne es zu Ausschreitungen kommen und einige Demonstranten könnten „aus dem Ruder laufen“, stimmte der Sprecher von Alliance Sud zu und erinnerte daran, dass die Polizisten „dafür da“ seien.

„Sie müssen wissen, dass die Polizisten in ganz Frankreich diese Bewegung unterstützen. Aber sie müssen den ‚chienlit‘ vermeiden. Und um den ‚chienlit‘ zu vermeiden, muss die Polizei in großer Zahl da sein, damit die Menschen gut durchkommen können, damit die Menschen sich normal versorgen können und damit das Leben trotz allem weitergehen kann“, betonte er.

Der Begriff „chienlit“ ist ein traditioneller französischer Ausdruck, der meist als Maskerade, Chaos oder Unordnung übersetzt wird. Er wurde von General Charles de Gaulle während der Mai-Unruhen in Frankreich im Jahr 1968 verwendet. Der Begriff hat eine abfällige Konnotation und wird als Ausdruck für Chaos und Anarchie benutzt. Er kann auch als abwertende Bezeichnung für Unruhen oder Protestbewegungen verwendet werden.

Blockaden: 30 Departements und 16 Autobahnen

Nach Angaben der Gendarmerie sind mindestens 30 Departements (von 96) und 16 Autobahnen betroffen. Die lokalen Medien Frankreichs zählten bereits vor den eigentlichen Protesten am Montagmittag insgesamt 25 Blockaden mit 1.710 Landwirten, verglichen mit 113 Blockaden am Freitag und 17.500 Landwirten.

„Le Monde“ berichtete von fast 800 Traktoren am Montagnachmittag, von den Bauernverbänden werden bis 2.500 erwartet.

Dabei gehen die Landwirte, verglichen mit den deutschen Protesten, auffälliger vor. Hier säen sie auf der Autobahn.

Die Medien stellten fest, dass die Aktionen von den Bauernverbänden „streng überwacht“ werden und eine gewisse Form der Koordination mit den Behörden stattfinde, „um die Sicherheit zu wahren […] und ein günstiges Bild einer von der Bevölkerung unterstützten Bewegung zu erhalten“.

Was haben die Landwirte erreicht? Ein Tweet bei X / Twitter zeigt, dass sämtliche große Straßen nach Paris frei von Staus sind – ein ungewöhnlicher Anblick:

Arnaud Rousseau, Vorsitzender von FNSEA, dem größten Bauernverband, kündigte gestern Schichtzeiten an. Damit können sich die Teilnehmer der Demonstrationen abwechseln und ausruhen, während sie auf neue Ankündigungen des Premierministers warten.

„Keine Region wird verschont bleiben“

Einzelne Netzwerke der Bauern sind bereit, auch mehrere Wochen vor Ort zu bleiben. Das sagte ein Vertreter der „Jungen Landwirte“ gegenüber „Le Figaro“. „Die Ankündigungen von Gabriel Attal werden das Ende der Mobilisierung bestimmen.“

Auch der Wunsch, direkt mit Präsident Macron statt mit Premierminister Attal zu sprechen, kommt auf. Bisher hielt sich Emmanuel Macron im Hintergrund.

Keine Region Frankreichs werde von den Straßenblockaden verschont bleiben, warnte der Präsident der FNSEA, Arnaud Rousseau. Er erinnerte auch daran, dass das Ziel dieser Mobilisierung darin bestehe, „Druck“ auf die Regierung auszuüben, um sofortige Maßnahmen zu erreichen und aus der Krise herauszukommen, und nicht „das Leben der Franzosen zu verderben“.

Gut vorbereitet – Übernachtung bei den Protesten in Frankreich. Foto: PASCAL LACHENAUD/AFP über Getty Images

Der Bauernverband hatte der Regierung eine Liste mit 140 Forderungen vorgelegt, teilweise hat die Regierung schon Zugeständnisse gemacht. In der ersten Streikwoche nahm Premierminister Attal Maßnahmen zum Agrardiesel zurück und kündigte den Abbau von Bürokratie an.

Ein Notfonds für die von Unwettern getroffenen Landwirte soll eingerichtet werden. Auch gegen unfaire Konkurrenz sagte er weitere Maßnahmen zu. Macron versprach Änderungen an den EU-Umweltvorschriften.

Unterstützung am Straßenrand

Wie bei den Bauernprotesten beobachten auch französische Treckerfahrer, dass die Menschen am Straßenrand auf ihrer Seite stehen. In den sozialen Medien wird von „Wind der Panik“ gesprochen: „Macrons Entourage und seine Parlamentarier sind sehr besorgt: Wenn sich die Taxifahrer den Landwirten anschließen, dann könnten auch die Bus- und Bahnfahrer, die Krankenhäuser, die Schulen, ganz Frankreich stillstehen.“

Der Co-Präsident des Landwirtschaftsverbandes CR, José Perez, ist Teil eines Konvois von rund 200 Traktoren, der am Dienstagmorgen seine Fahrt in Richtung des Großmarktes Rungis im Süden von Paris fortsetzte. „Es ist wirklich sehr stark, was wir gerade erleben“, sagte Perez der Nachrichtenagentur AFP. „Die Leute sind auf unserer Seite, wir konnten auf der ganzen Fahrt feststellen, dass die Franzosen ihre Landwirte lieben.“

Gleiches Bild in Belgien

Die Proteste der Landwirte nehmen in ganz Europa zu, da sie bessere Bedingungen für den Anbau von Produkten und die Aufrechterhaltung eines angemessenen Einkommens fordern.

Auch in Belgien sind die Landwirte unterwegs und blockieren zahlreiche Straßen und strategische Punkte. Die wallonischen Bauern kritisieren insbesondere zu niedrige Verkaufspreise, Bürokratie, zu strenge Umweltmaßnahmen, aber auch Importe von Produkten, die nicht denselben Standards entsprechen müssen.

In einem Video heißt es, sie seien bereit, Brüssel in ähnlicher Form zu blockieren wie die Franzosen Paris. Vor dem EU-Parlament wurde mittlerweile eine Straßensperre aus  Stacheldraht verlegt.

(Mit Material der französischen Epoch Times)



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