Ecuador stuft kriminelle Banden als „Terroristen“ ein – Einsatz der Armee nun jederzeit möglich

Gewaltverbrechen in Ecuador sind an der Tagesordnung. Der neu eingesetzte Sicherheitsminister empfiehlt „dringende und wirksame Zwangsmaßnahmen, einschließlich des Einsatzes tödlicher Waffen“. Dadurch will er mittel- und langfristig die „Grundlagen für ein friedliches Territorium schaffen“. Ob seine Strategie aufgeht?
Titelbild
Ecuadorianische Soldaten am 21. April 2023. Ein neues Dekret erlaubt den Streitkräften zukünftig auch ohne Verhängung des Ausnahmezustandes, Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl durchzuführen.Foto: ENRIQUE ORTIZ/AFP via Getty Images
Von 29. April 2023

In Ecuador werden täglich aus verschiedenen Provinzen bewaffnete Angriffe oder Angriffe mit Sprengkörpern gemeldet. Künftig will das Land im Nordwesten Südamerikas kriminelle Banden als „Terroristen“ einstufen, damit die Armee auch ohne eine Verhängung des Ausnahmezustands gegen den Drogenhandel vorgehen kann.

„Von nun an werden wir den Ausnahmezustand nicht mehr benötigen, da dies eine der Aufgaben der Streitkräfte sein wird“, sagte der ecuadorianische Sicherheitsminister Wagner Bravo am 27. April (Ortszeit). Der bisherige Generaldirektor und neue Sicherheitsminister teilte den Medien mit, dass diese Entscheidung nach einer dreistündigen Sitzung zwischen Präsident Guillermo Lasso und dem Rat für staatliche und öffentliche Sicherheit (Cosepe) getroffen wurde.

„Wenn sie Polizeikasernen angreifen, in Krankenhäuser eindringen, Autobomben einsetzen, Bomben in der Nähe von Tankstellen legen […], dann ist das Terrorismus“, sagte Bravo. Der „terroristischen Bedrohung“ solle entschlossen begegnet werden. Bravo hatte dem Präsidenten zuvor empfohlen, „dringende und wirksame Zwangsmaßnahmen, einschließlich des Einsatzes tödlicher Waffen, zur Bekämpfung dieser ernsten Bedrohung für das Volk“ zu erlassen.

„Frieden schaffen durch staatlichen Sicherheitsplan“

In einem Interview mit dem ecuadorianischen Fernsehsender „Teleamazonas“ erklärt der neue Sicherheitsminister: „Frieden schaffen ist der einzige Weg, um sich als demokratisches Land zu entwickeln“. Bravo versicherte, dass er versuchen werde, mittel- und langfristig die Grundlagen für ein friedliches Territorium zu schaffen.

Diese Strategie habe bereits vor über einem Jahr begonnen, als der Wiederaufbau des staatlichen Systems für öffentliche Sicherheit in Angriff genommen worden war. Er argumentiert, das Land sei zuvor „dezentralisiert“ worden, ohne Richtung und klare Ziele.

Ferner betrachte Bravo diesen Wiederaufbau als schwer, „weil es fast 15 Jahre lang eine große Freizügigkeit gab, die nach und nach beseitigt werden muss“. Er sagte auch, „dass die Ecuadorianer verstehen müssen, dass das Land nicht von einem Moment auf den anderen ein friedliches Land wird, nur weil es einen Sicherheitsplan gibt“.

Regierung erlaubt das Tragen von Waffen

Ob die Strategie von Wagner Bravo aufgehen wird, um aus Ecuador ein „friedliches Land“ zu machen, wird sich zeigen. Jedenfalls scheint Präsident Lasso zumindest große Hoffnungen auf den neuen Sicherheitsminister zu setzen, der erst letzte Woche sein Amt übernommen hat.

In einem Twitter-Beitrag bedankt sich der 67-jährige Präsident mit folgenden Worten: „Ich danke den Generälen Paco Moncayo und Wagner Bravo, dass sie sich diesem komplexen und schwierigen Kampf gegen das organisierte Verbrechen und seine kriminellen Netzwerke angeschlossen haben. Wir müssen dem Land Antworten geben und mit der Festigkeit und Durchsetzungskraft handeln, die das Gesetz vorschreibt“.


Anfang April hatte Präsident Lasso, der seit 2021 im Amt ist, Zivilisten das Tragen und den Gebrauch von Waffen erlaubt, wie die FAZ damals berichtete. Ob die Entscheidung auch im Sinne des neuen Sicherheitsministers gewesen wäre, ist nicht bekannt.

Den Schritt zum Tragen und Gebrauch von Waffen habe Präsident Lasso damals mit der zunehmenden Gewalt und Kriminalität begründet, die sich von den Gefängnissen zusehends auf die Straßen verlagert habe. Außerdem habe er in der Hafenstadt Guayaquil, zwei anderen Städten und zwei Provinzen den Ausnahmezustand sowie eine Ausgangssperre zwischen 1 und 5 Uhr verhängt.

In einer Fernsehansprache habe er laut FAZ mitgeteilt: „Wir haben einen gemeinsamen Feind: Kleinkriminalität, Drogenhandel und organisiertes Verbrechen“, so Lasso. Aus diesem Grund habe seine Regierung entschieden, ein Dekret anzupassen – bislang durften Zivilisten nämlich keine Waffen bei sich tragen.

Eines der Gewaltverbrechen, die sich in der Stadt Guayaquil zugetragen hatten, war zum Beispiel, dass in einem Einkaufszentrum am helllichten Tag eine Bank überfallen wurde. Zudem wurde in einem Park ein abgetrennter Kopf entdeckt. Weiter habe die Entführung eines Mannes für Schrecken gesorgt, der wenige Stunden später mit einem am Körper befestigten Sprengsatz aufgefunden wurde. Beispiele wie diese zeigen, dass es ein schweres Unterfangen ist, aus Ecuador ein friedliches Land zu machen.

Ecuador befindet sich im Nordwesten Südamerikas zwischen Kolumbien und Peru und hat etwa 17 Millionen Einwohner. Guayaquil ist die größte Stadt des Landes und befindet sich an der Pazifikküste.

Mordrate seit 2021 gestiegen

Das Militär war in Ecuador bereits in der Vergangenheit beim Kampf gegen den Drogenhandel eingesetzt worden – allerdings musste die Regierung wie zuvor in Guayaquil dafür den Ausnahmezustand ausrufen.

Das in Lateinamerika zwischen Kolumbien und Peru – den größten Kokain-Produzenten der Welt – gelegene Ecuador beschlagnahmte im Jahr 2021 eine Rekordmenge von 210 Tonnen Drogen. Hauptsächlich handelte es sich um Kokain, das für europäische Häfen bestimmt war.

Mit den Aktivitäten der Drogenbanden hat auch die Gewalt in Ecuador zugenommen. Die Mordrate stieg nach Angaben der Behörden von 2021 bis 2022 von 14 auf 25 Morde pro 100.000 Einwohner.

(mit Material von afp)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion