Europas Landwirte protestieren – Selbstmordrate französischer Bauern extrem hoch

Bauern protestieren mittlerweile in vielen Ländern Europas. In den Medien findet das Thema seit den Anti-AfD-Demos kaum mehr Beachtung. Was sind die tieferen Ursachen der Bauernaufstände und gibt es länderübergreifende Gemeinsamkeiten, welche die Proteste verbinden?
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Bauernproteste (Archiv)Foto: via dts Nachrichtenagentur
Von 22. Januar 2024

Die deutschen Bauernproteste sind zu Protesten des Mittelstands gewachsen. Neben Landwirten waren in der vergangenen Woche auch Spediteure, Lkw-Fahrer und Logistikunternehmen auf der Straße. Dazu kommen noch Gastronomen, Handwerker und Bürger aus den verschiedensten Berufsgruppen.

Das Phänomen ist nicht auf Deutschland begrenzt. Vergleichbare Proteste gibt es momentan auch in anderen europäischen Ländern. Allerdings hört und sieht man davon in den hiesigen Medien wenig bis gar nichts. Auch ChatGPT scheint bei dem Thema erstaunlich unintelligent.

ChatGPT erwähnt erst keine Proteste

Auf die Frage „In welchen Ländern außer Deutschland finden in diesen Tagen und Wochen Proteste von Bauern statt?” antwortet der Chatbot in Version 4.0*:

„Es gibt derzeit keine bestätigten Berichte über Bauernproteste in anderen Ländern als Deutschland, die in direkter Verbindung zu den deutschen Protesten stehen. Es gab zwar Behauptungen in sozialen Medien, dass Landwirte aus Österreich und Ungarn sich den Protesten in Deutschland anschließen würden, aber diese wurden widerlegt. Das entsprechende Video, das im Umlauf war, stellte sich als älteres Material heraus und zeigte eine Aktion im Raum Koblenz, Deutschland. Auch die Bauernverbände in Österreich und Ungarn haben keine Kenntnis von organisierten Protestfahrten oder Solidaritätskundgebungen in Bezug auf die deutschen Bauernproteste.“

Verlinkt wird dazu ein Faktencheck von Correctiv.

Im Gegensatz dazu trafen Epoch-Times-Reporter im Format „Vor Ort“ ausländische Unterstützung der Bauernproteste beispielsweise aus Polen und Ungarn.

„Auch in Rumänien landesweite Bauernproteste“

Fragt man den Bot erneut („Gibt es Proteste von Bauern in anderen Ländern, die nicht in direkter Verbindung zu den deutschen Protesten stehen?”) und offeriert einen kleinen Denkanstoß („zum Beispiel in Rumänien?”) kommt doch eine konkrete Antwort:

„Ja, es gibt derzeit auch in Rumänien landesweite Bauernproteste. Diese Proteste werden von Bauern und Transporteuren durchgeführt und haben teilweise den Verkehr lahmgelegt. Die Protestierenden in Rumänien fordern Steuererleichterungen, mehr Subventionen und Kompensationen, unter anderem für Nachteile, die sie aufgrund angeblicher Getreideimporte aus der Ukraine erleiden. Diese Proteste sind weit verbreitet und finden in 27 der 41 regionalen Verwaltungsbezirke des Landes statt, einschließlich Blockaden mit Traktoren und anderen Fahrzeugen in der Umgebung von mindestens acht Städten, darunter die Hauptstadt Bukarest sowie an Grenzübergängen zu Ungarn und Serbien. Die ersten dieser Proteste begannen bereits vor einer Woche, und die Verhandlungen mit der Regierung haben die Bauernverbände bisher nicht zufriedengestellt. Weitere Proteste und Verhandlungen zwischen Bauern und Regierung werden in den kommenden Tagen erwartet.“

Auch in anderen europäischen Ländern demonstrieren Bauern

In Frankreich konzentrieren sich die Proteste auf den Süden des Landes. Demos und Blockaden gab es vorwiegend in und um Toulouse, auf Landstraßen und mehreren Autobahnen. Der staatliche Regionalsender „France 3“ schreibt dazu am 21.01.2024:

Gesperrte Autobahnen, Strohballen mitten auf der Fahrbahn, stehende Traktoren mitten im Stadtzentrum von Toulouse, Mistkübel, die auf staatliche Gebäude gekippt werden. Die Kampfaktionen der Landwirte sind oft spektakulär.”

So auch die Proteste in der Innenstadt von Toulouse, die in der letzten Woche Tausende Landwirte und 450 Traktoren versammelt haben. Die Stadt hat Schäden im Gesamtwert von 75.000 Euro deklariert.

Bauernproteste in Frankreich: In der Nacht vom 21. zum 22. Januar 2024 sollen Bauern Strohballen auf der Autobahn A64 angezündet haben. Foto: Screenshot LCI

Heute berichtet der französische Fernsehsender LCI von angezündeten Strohballen, die in der Nacht die Autobahn A64 blockiert haben.

Selbstmordrate französischer Bauern 20 bis 30 Prozent über Bevölkerungsdurchschnitt

Die Gründe für den Protest sind auf eine Reihe von Problemen zurückzuführen. Dazu gehören die Erhöhung der Wassergebühren, die Verteuerung von Agrardiesel, steigende Energiekosten und eine generell prekäre Einkommenssituation der Landwirte in der Region.

LCI-Journalistin Catherine André erklärt in einer Diskussionsrunde des Nachrichtenkanals, dass das Durchschnittseinkommen französischer Landwirte bei 1.860 Euro liege. Rinderzüchter kämen auf 1.480 Euro, Schaf- und Ziegenproduzenten auf 680 Euro pro Monat. 15 Prozent der Landwirte würden sich gar kein Einkommen auszahlen können. Die Selbstmordrate in der Branche sei extrem hoch: Zwei Suizide pro Tag laut Zahlen von 2015.

Zusätzlich spielen Pestizidverbote der EU und regionale Herausforderungen wie die anhaltende Trockenheit und die Ausbreitung der Rinderseuche EHD (mehr dazu weiter unten) eine Rolle. Die französischen Landwirte fordern eine Rücknahme der Verteuerungen, einen Stopp der bürokratischen Hürden und staatliche Hilfen.

Umgedrehte Ortsschilder als Protest: „Die Welt steht kopf”

Seit Herbst 2023 werden in Frankreich Ortsschilder von Bauern aus Protest umgedreht. Gesammelt werden Fotos davon z.B. in der Facebook-Gruppe Tarn Info. Foto: Screenshot – Tarn Info

Die Protestaktionen hatten schon im Herbst 2023 begonnen. Als symbolischen Akt haben Landwirte die Schilder vieler Ortschaften umgedreht. Es sollte zeigen: Die Welt steht kopf, oder wie auf einem Plakat zu lesen ist:

Wir ernähren Euch, aber nagen selbst am Hungertuch.“

Die Regierung gab dem Druck der Bauern teilweise nach und verzichtete auf die Erhöhung der Gebühren für Wasserentnahme und „diffuse Verschmutzung“, die auf den Verkauf von Pestiziden erhoben wird.

Frankreichs neuer Premierminister Gabriel Attal empfängt am heutigen Montag, 22. Januar, die Landwirtschaftsgewerkschaften. Ein Gesetzentwurf, der bald vorgelegt werden sollte, wird um einige Wochen verschoben, um Verhandlungen zu ermöglichen.

Proteste in den Niederlanden, Polen, Ungarn und Bulgarien

In den Niederlanden haben die Pläne zur Reduzierung der Landwirtschaft zu anhaltenden Protesten, dem Wahlerfolg einer neuen Bürger- und Bauernpartei und schlussendlich dem Bruch der Regierung geführt.

Auch in Polen, Ungarn und Bulgarien gab es in den vergangenen Wochen und Monaten Proteste von Bauern. Die italienischen und spanischen Landwirtschaftsgewerkschaften erwägen ebenfalls Demonstrationen.

Nationale Auslöser

Teilweise sind die Auslöser national bedingt, wie in Frankreich der Ausbruch der epizootischen hämorrhagischen Krankheit (EHD). Das durch Stechmücken übertragene Virus befällt vor allem Hirsche und Rinder. Es verursacht Fieber, Gewichtsverlust, Mundverletzungen, Atembeschwerden oder sogar Lahmheit.

Betroffene Bauernhöfe in Frankreich wurden gesperrt durch Sicherheitsperimeter mit einem Radius von 150 Kilometern, verbunden mit einem Ausreiseverbot für die Tiere. Mittlerweile sind 3.729 Ausbrüche in 20 Departements registriert.

Billige Importe aus der Ukraine

Im Osten Europas ist es vor allem der massive Import von billigen ukrainischen Agrarprodukten, der Landwirte auf die Straßen gebracht hat. In Polen, Bulgarien, der Slowakei, Rumänien und Ungarn führten große Mengen an Weizen, Raps und Mais auf den Agrarmärkten zu Preisverfällen und leer stehenden Silos bei den lokalen Produzenten. Als Reaktion darauf blockierten polnische Bauern einen wesentlichen Grenzübergang zur Ukraine, um auf diese Problematik aufmerksam zu machen. Nachdem die polnische Regierung Unterstützung zugesagt hatte, wurde die Blockade wieder aufgelöst.

Christiane Lambert, Präsidentin des Ausschusses der landwirtschaftlichen Berufsverbände der Europäischen Union, sieht trotz aller nationalen Unterschiede gewisse Gemeinsamkeiten, die den Zorn der Bauern begründen. In einem Interview mit „France 3“ erklärte sie:

Es gibt eine überbordende Regulierung. Die Europäische Kommission will noch vor den nächsten Europawahlen Texte zur Wiederherstellung der Natur und die Richtlinie über Industrieemissionen aus der Tierhaltung verabschieden. Der Text zu Pflanzenschutzmitteln und Tierschutz ist doch nicht durchgegangen. Der EU Green Deal (der auf die Reduzierung der CO₂-Emissionen abzielt) führt immer noch zu einem Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion.“

17 Nachhaltigkeitsziele der UN

Die Ausrichtung der EU-Agrarpolitik orientiert sich wiederum an der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Diese sogenannten Nachhaltigkeitsziele haben mittlerweile Einzug in die Welt der Institutionen, Schulen und Ausbildung erhalten. Zwar waren sie nie direkt Gegenstand eines demokratischen Abstimmungsprozesses, dennoch haben die 17 Punkte großen Einfluss auf das öffentliche Leben und die Politik in Deutschland, Europa und den Rest der Welt.

Welche Pläne und Ziele hinter dieser Agenda stehen, davon handelt der Dokumentarfilm „No Farmers no Food – Will You Eat the Bugs?“ („Ohne Bauern kein Essen – bereit für Insekten auf dem Teller?“). Die Epoch-Times-Doku erzählt auch von den Hintergründen der Nahrungsmittelkrise und vom Überlebenskampf der Landwirte. Epoch-Times-Moderator Roman Balmakov ist dafür um die halbe Welt gereist.

 

* ChatGPT ist ein lernender Chat-Bot. Die Antwort auf eine Frage kann heute anders ausfallen als gestern. Das erklärt, dass Benutzer auf dieselbe Frage unterschiedliche Antworten erhalten.



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