Deutsche Bauern sorgen sich um Preisverfall durch ukrainisches Getreide

Die deutschen Bauern sind besorgt, dass es kein neues Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine gibt. Für sie steht der einsetzende Preisverfall bei Getreide damit in Verbindung. Sie sehen noch weitere Gefahren.
Morgenstimmung auf einem Getreidefeld nahe Munderkingen. Nach einem ausgesprochen sonnenreichen Juni startet der Juli eher frisch und wechselhaft. Daran ändert sich auch in den kommenden Tagen nicht viel.
Auf einem Getreidefeld nahe Munderkingen.Foto: Thomas Warnack/dpa
Von 27. Juli 2023

Die Freien Bauern, eine Interessenorganisation der bäuerlichen Familienbetriebe, fordert ein sofortiges Einfuhrverbot für Getreide, Mais, Raps und Sonnenblumen aus der Ukraine: „Statt lautstark über Hunger als Waffe zu lamentieren, sollte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir lieber dafür Sorge tragen, dass unsere heimische Landwirtschaft nicht wehrlos dem Preisverfall aufgrund ukrainischer Billigimporte ausgesetzt wird“, sagte Ralf Ehrenberg von der Bundesvertretung der Freien Bauern.

Er fragt sich, warum Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und die Slowakei in der Lage seien, ihre Betriebe vor den Marktverwerfungen durch die Blockade der Schwarzmeerroute zu schützen. Der deutsche Landwirtschaftsminister hingegen schaue tatenlos zu, „wie massiv gesunkene Preise unsere ökonomische Stabilität untergraben“.

Ehrenberg (52) ist Ackerbauer im hessischen Ziegenhagen, nahe der Landesgrenze zu Niedersachsen. Vor zwei Wochen hat er nach eigenen Angaben mit der Getreideernte begonnen.

Jedoch sieht er sich bei der Vermarktung seiner Gerste mit Preisen konfrontiert, die rund ein Drittel unter denen des Vorjahres liegen. „Das passt nicht zusammen mit den hohen Vorkosten vom Herbst und Frühjahr, besonders für Dünger und Diesel“, erklärt der Landwirt.

Wenn man die Versorgung der Bevölkerung aus eigener Produktion sichern wolle, brauche man wieder ein Mindestmaß an Außenschutz, sonst lohne sich der Anbau in Deutschland nicht mehr, zeigt sich der Hesse besorgt.

Özdemir wirbt für EU-Einfuhrbeschränkungen von ukrainischem Getreide

Gegensätzlich dazu warben kürzlich Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und sein französischer Kollege Marc Fesneau für ein Ende der EU-Einfuhrbeschränkungen von ukrainischem Getreide in die osteuropäischen Länder. Sie kritisierten die unter anderem in Polen oder Ungarn bestehenden Auflagen als „unsolidarisch“. „Der einzige, der sich freut, ist Wladimir Putin“, betonte Özdemir.

Derzeit dürfen Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkerne aus der Ukraine in fünf osteuropäischen Ländern nicht vermarktet werden. Diese vorübergehende Ausnahme hatte die EU-Kommission Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien und der Slowakei unter der Auflage gestattet, dass jene Länder den Transit von ukrainischem Getreide nicht behindern.

Die Osteuropäer dringen nun auf eine Verlängerung der Mitte September auslaufenden Importbeschränkungen, weil sie ihre Landwirte vor einem Preisverfall schützen wollen.

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki drohte bereits mit einseitigen Schritten, wenn die Einfuhrbeschränkungen nicht verlängert würden. Wenn Brüssel die Ausnahmeregeln für ukrainisches Getreide nicht verlängere, „werden wir es selbst tun“, sagte er. Polen müsse seine Bauern schützen.

Der französische Landwirtschaftsminister Fesneau warnte dagegen vor „einseitigen Maßnahmen“. Die EU könne eine Destabilisierung der Agrarmärkte nur gemeinsam verhindern, sagte er in Brüssel.

Selenskyj bezeichnet Exporthürden als „absolut inakzeptabel“

Die Ukraine selbst sieht die Exporthürden kritisch. Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete sie am Montagabend in seiner täglichen Videoansprache als „absolut inakzeptabel“.

Ehrenberg hingegen stellt aus seiner Sicht klar, dass es nicht darum ginge, den Export ukrainischer Getreideüberschüsse auf dem ohnehin teureren Landweg zu verhindern: „In dieser angespannten Situation muss der Transit zu den Ostseehäfen selbstverständlich möglich bleiben, damit die Ware von dort aus in die wirklich bedürftigen Länder Afrikas verschifft werden kann.“

Man wolle nur nicht, dass die großen Agrarhändler hierzulande sich vorher für kleines Geld die Lager vollmachen würden, um die Preise zu drücken. „Durch Polen etwa könne das Getreide derzeit problemlos in verplombten Waggons transportiert werden, wodurch sichergestellt wird, dass es nicht den heimischen Markt schädigt.“

Solch eine Regelung verlange er jetzt auch für Deutschland. Denn dass das Getreide in der Ukraine kostengünstiger produziert werden könne als in der EU, führt der deutsche Bauer weiter aus, läge nicht nur an den guten Böden, sondern vor allem an den geringeren sozialen und ökologischen Standards.

„In der ukrainischen Landwirtschaft herrschen riesige Agrarkonzerne vor, bei uns längst verbotene Pflanzenschutzmittel werden großflächig und unkontrolliert eingesetzt – damit können und wollen wir nicht konkurrieren.“

Der Landwirt appelliert: „Wenn Özdemir einen Rest grünes Gewissen hat, muss er den Import jetzt genauso unterbinden wie seine osteuropäischen Amtskollegen.“

2022: 33 Millionen Tonnen ukrainisches Getreide über Häfen ausgeführt

Seitdem Russland das Getreideabkommen vor gut einer Woche aufgekündigt hat, kann die Ukraine über das Schwarze Meer aus Sicherheitsgründen de facto keine Güter mehr transportieren. Im vergangenen Jahr waren fast 33 Millionen Tonnen Getreide aus ukrainischen Häfen ausgeführt worden.

Laut Statistischem Bundesamt vom 17. Juli 2023 exportierte die Ukraine ihr Getreide vor allem nach China, Spanien, in die Türkei, Italien und die Niederlande. Erst an sechster Stelle folgt Ägypten, das als armes Land zählen kann. „China war mit acht Millionen Tonnen das führende Exportziel für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Ukraine“, so die Statistiker. „Außerdem gingen sechs Millionen Tonnen nach Spanien, während die Türkei an dritter Stelle lag.“

Daher hat die EU sogenannte „Solidaritätswege“ für ukrainische Exporte geöffnet, um – so die offizielle Angabe – die Versorgung etwa für Afrika zu sichern.

Vor Kriegsbeginn war die Ukraine bei Weizen der sechstgrößte Exporteur nach Russland, EU, Kanada, Australien und den USA.

Im ZDF-„Morgenmagazin“ rief Özdemir gerichtet an die EU nun auf, die „alternativen Exportrouten“ zu stärken. In Brüssel schlug er vor, Produkte aus der Ukraine zu verplomben und an Häfen beispielsweise im Baltikum zu transportieren. Von dort könnten sie dann weiter an Entwicklungs- und Schwellenländer gehen.

Mit Material von afp.

 



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