Gefangen, ermordet oder ins Exil getrieben: Das Schicksal von Putins Gegnern

Sich zum Krieg gegen die Ukraine zu äußern, ist in Russland nicht erlaubt. Für sie heißt es oft „ab nach Sibirien“. Wer kann, flüchtet ins Ausland. Eine weitere Methode, Kritiker zum Schweigen zu bringen, ist, sie als „ausländische Agenten“ einzustufen.
Titelbild
Staatschef Wladimir Putin bei einer Zeremonie zur Entgegennahme der Beglaubigungsschreiben neu ernannter ausländischer Botschafter in Russland im Kreml. Moskau, 4. Dezember 2023.Foto: PAVEL BEDNYAKOV/POOL/AFP über Getty Images
Epoch Times29. Februar 2024

Inzwischen sind fast alle prominenten Gegner des russischen Präsidenten Putin gefangen, ins Exil geflüchtet oder tot. Sich zum Krieg zu äußern, ist für jeden Menschen in Russland sehr gefährlich.

Russischen Behörden untersuchen derzeit unter anderem den Fall einer Unternehmerin eines Cafés in der Stadt Lyubertsy in der Region Moskau. Sie hatte einen russischen Soldaten gebeten, ihr Café zu verlassen, nachdem er dort etwa eine Stunde lang herumlungert und gestört habe. Und sie äußerte sich in den sozialen Medien dazu.

Pro-Kriegsaktivisten beschwerten sich über die Cafébesitzerin. Ein Strafverfahren zur „Anstiftung zum Hass“ wurde eröffnet. So etwas kann mit fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Wer dann für schuldig befunden wird, wird in Russlands Liste „Terroristen und Extremisten“ aufgenommen – was Beamte ermächtigt, Bankkonten zu sperren.

Hier ein Blick auf die Lage namhafter Oppositioneller und ihre Verfolgung.

Tod im Gefängnis

Über ein Jahrzehnt war Alexej Nawalny der größte Kritiker des Kreml. Dafür wurde er schikaniert, vergiftet und inhaftiert. Am 16. Februar starb er mit 47 Jahren in einer Strafkolonie am Polarkreis. Seine Anhänger und viele westliche Politiker machten Putin für Nawalnys Tod verantwortlich, einige sprechen von Mord. Am 1. März soll seine Beerdigung stattfinden.

2020 wurde Nawalny Opfer eines schweren Giftanschlags. Nach seiner Behandlung in Deutschland kehrte er im Januar 2021 nach Russland zurück. Dort wurde Nawalny sofort verhaftet und unter anderem wegen „Extremismus“ zu 19 Jahren Straflager verurteilt.

Ermordet

Boris Nemzow war Vize-Regierungschef und zeitweise als Nachfolger von Präsident Boris Jelzin im Gespräch; doch dann wurde Putin Staatschef und Nemzow zu einem seiner schärfsten Kritiker.

Im Februar 2015 wurde der 55-Jährige auf einer Brücke nur wenige Meter vom Kreml entfernt mit vier Schüssen in den Rücken ermordet. Seine Unterstützer beschuldigten den Präsidenten der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Fünf Tschetschenen wurden verurteilt, ohne dass der Drahtzieher offiziell benannt wurde.

Im Oktober 2006 wurde die Journalistin Anna Politkowskaja in ihrem Haus in Moskau erschossen. Sie arbeitete für die Zeitung „Nowaja Gaseta“ und hatte jahrelang die Verbrechen der russischen Armee in Tschetschenien dokumentiert.

Hinter Gittern

Viele weitere Gegner Putins sitzen im Gefängnis. Am Dienstag wurde der Menschenrechtsaktivist Oleg Orlow von der verbotenen Organisation Memorial zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt. Das Vergehen des 70-Jährigen: Kritik am Krieg gegen die Ukraine.

Der 42 Jahre alte Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa wurde nach eigenen Angaben zweimal vergiftet. Im April 2023 verurteilte ihn ein Gericht hinter verschlossenen Türen zu 25 Jahren Haft, weil er „falsche Informationen“ über das russische Militär verbreitet habe. Er verbüßt seine Strafe in Sibirien.

Achteinhalb Jahre Gefängnis lautete das Urteil gegen den Politiker Ilja Jaschin im April. Er hatte die „Ermordung von Zivilisten“ in der ukrainischen Stadt Butscha angeprangert.

Xenia Fadejewa, ehemalige Abgeordnete und Verbündete Nawalnys, musste Ende 2023 eine neunjährige Haftstrafe antreten. Die Behörden werfen der 31-Jährigen vor, eine „extremistische Organisation“ gegründet zu haben. Mit derselben Begründung wurde Lilia Tschanyschewa, die erste Mitarbeiterin Nawalnys, im Juni 2023 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.

Im Exil

Viele Oppositionelle leben inzwischen im Ausland, wie der einstige Schachweltmeister Garry Kasparow.

Als der Oppositionelle und ehemalige Ölmagnat Michail Chodorkowski nach zehn Jahren im Gefängnis 2013 freikam, floh er nach London, von wo aus er oppositionelle Plattformen finanziert.

Viele Anhänger von Chodorkowski und Nawalny verließen in den vergangenen drei Jahren das Land, weil sich die Repression, vor allem seit dem Überfall auf die Ukraine, weiter verschärfte.

Auch im Exil bleiben die Oppositionellen nicht unbehelligt: Im Februar leiteten die russischen Behörden ein Ermittlungsverfahren wegen „Aufruf zum Terrorismus“ gegen den Schriftsteller Boris Akunin ein, der seit 2014 in London lebt.

„Ausländische Agenten“

Eine weitere Methode, Kritiker zum Schweigen zu bringen, ist, sie als „ausländische Agenten“ einzustufen. Hunderte Menschenrechtsaktivist, Oppositionellen und Journalisten wurden mit diesem Etikett belegt, unter ihnen Ex-Regierungschef Michail Kassjanow und der Chefredakteur der „Nowaja Gaseta“, Dmitri Muratow.

Auch Organisationen wie Memorial oder das Sacharow-Zentrum wurden wegen Verstoßes gegen das Gesetz über „ausländische Agenten“ aufgelöst. (afp)



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