Gereizte Stimmung in der Landwirtschaft – EU will umstrittene Vorhaben vor Europawahl durchziehen

Ab 8. Januar wollen Deutschlands Bauern mit massiven Protesten bundesweit gegen die geplante Streichung der Agrardiesel-Subventionen vorgehen. Zündstoff bieten jedoch auch andere Vorhaben – die Bund und EU noch vor den Wahlen durchziehen wollen.
Titelbild
Bauern bei einem Protest mit ihren Traktoren am Brandenburger Tor am 18. Dezember 2023.Foto: Michele Tantussi/Getty Images
Von 2. Januar 2024

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Für den kommenden Montag, den 8. Januar, haben Bauernverbände umfangreiche bundesweite Protestmaßnahmen angekündigt. Die von der Bundesregierung geplanten Abschaffungen der Steuervergünstigung für Agrardiesel und der Kfz-Steuerbefreiung für Arbeitsfahrzeuge würden die Landwirtschaft massiv belasten.

Landwirtschaft als mögliches weiteres heißes Thema im EU-Wahlkampf

Die Proteste der Bauern könnten allerdings nicht nur ein innenpolitisches Thema bleiben. Auch mit Blick auf die EU-Wahlen im Juni könnte die Landwirtschaft eine tragende Rolle spielen. Bereits jetzt befürchten etablierte politische Kräfte einen massiven Rechtsruck – befeuert durch Inflation, Wirtschaftsflaute, bröckelnde Zustimmung zu Klima- und Ukrainepolitik oder Migration.

Sollte der Unmut im Bauernstand bis in den Juni hinein aufrecht bleiben, könnte das vor allem der EVP schaden. Deren Mitgliedsparteien waren in den meisten Fällen traditionell im bäuerlichen Milieu verankert. Brechen dort in erheblichem Maße Stimmen weg, könnte dies dem Führungsanspruch der Christdemokraten in der EU einen Dämpfer verpassen.

Sowohl für die Ampel im Bund als auch für die EU geht es in den kommenden Monaten darum, Druck vom Kessel zu bekommen – um potenzielle politische Verwerfungen auf breiter Basis zu verhindern. Daher ist damit zu rechnen, dass mehrere Vorhaben mit möglicherweise erheblichen Auswirkungen auf die Landwirtschaft bei entsprechendem Konsens noch vor den Wahlen durchgesetzt werden.

EVP hält Renaturierungsgesetz mittlerweile für annehmbar

Bereits am 26. Februar soll das sogenannte Renaturierungsgesetz durch das EU-Parlament gehen. Während das ebenfalls unter dem Banner des „Green Deal“ angestrebte Anti-Pestizid-Gesetz dort gescheitert war, wird für das „Nature Restauration Law“ eine Mehrheit erwartet.

Nachdem die EVP noch im Juni eine Mehrheit für das Vorhaben im Umweltausschuss verhindert hatte, gab sie nun grünes Licht für das anschließende Trilogergebnis.

Der neue Gesetzentwurf sieht vor, dass die EU-Staaten 30 Prozent jener Lebensräume, die als „in schlechtem Zustand“ gelten, bis 2030 wiederherstellen müssen. Bis 2040 sollen es 60 Prozent und bis 2050 dann 90 Prozent sein. Schwerpunkte sollen dabei Grasländer, Flüsse und Wälder sein.

Ursprünglich war die Rede von der Wiederherstellung sämtlicher betroffener Flächen. Bauernverbände machten darauf aufmerksam, dass die landwirtschaftliche Nutzfläche dadurch um bis zu zehn Prozent schrumpfen müsste. Dies schade der Nahrungsmittelerzeugung – aber auch der Einrichtung von Anlagen zu erneuerbarer Stromerzeugung.

Mehr Flächen in der Landwirtschaft für Photovoltaik

Bezüglich des sogenannten Agri-PV-Pakets hatte der Bundestag erstmals im Oktober über den entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des EEG beraten. Dieses soll insbesondere den Ausbau von Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen erleichtern.

Anschließend wurde das Paket an den zuständigen Ausschuss überwiesen, der Änderungen angemahnt hatte, um Photovoltaik und Biodiversität in angemessener Weise zu kombinieren. Weitere Lesungen sollen im Bundestag in den kommenden Wochen stattfinden. Die erforderliche Verordnung, um das sogenannte Solarpaket auf den Weg zu bringen, soll im März ergehen können.

Eine Blockade Deutschlands könnte es hingegen bezüglich des EU-Gentechnikrechts geben. Dieses soll unter anderem Hürden für Freilandversuche senken. Unter anderem soll dies für genom-editierte Pflanzen gelten, die keine artfremden Gene enthalten – also auch natürlich oder durch konventionelle Züchtung hätten entstehen können. Auch aufwendige Risikoprüfungen infolge des Vorsorgeprinzips würden entfallen.

Ampel muss Glyphosat widerwillig wieder zulassen

Gegen das Vorhaben laufen Grüne und Umweltverbände aus ideologischen Gründen Sturm. Auch innerhalb der Landwirtschaft selbst verlaufen Fronten zwischen Bio- und konventionellen Landwirten. Grüne Gentechnik gilt als Chance zur Bekämpfung des Hungers in der Welt – und zu klimaschonenderem Anbau ohne zusätzlichen Einsatz von Pestiziden oder Düngemitteln.

Was letztgenannte anbelangt, hat die EU im Rahmen der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung bereits im Herbst eine Vorentscheidung getroffen. Das Herbizid Glyphosat soll nach dem Willen der Kommission für weitere zehn Jahre in der EU zugelassen bleiben – unter bestimmten Voraussetzungen.

Die Ampelkoalition in Deutschland will jedoch an einem Verbot festhalten. Nun muss sie die Vorgaben der EU jedoch in nationales Recht umsetzen. Eine Eilverordnung ermöglicht jetzt schon den weiteren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland, in denen die Substanz enthalten ist.

Agrarwissenschaftler: „Müssen Fleischkonsum um bis zu 70 Prozent reduzieren“

Unterdessen hat der Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube auf „table.media“ der Ampel vorgeworfen, den „Green Deal“ der EU nicht ambitioniert genug umzusetzen. Der 2017 als Schattenlandwirtschaftsminister von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther nominierte Taube wirft der SPD vor, Führungsverantwortung vermissen zu lassen.

Gleichzeitig habe die FDP in der Ampel „die Lobby-Vertretung der Union zu 110 Prozent übernommen“. Die Grünen und Cem Özdemir gingen unterdessen „bei Weitem nicht mutig genug an die Konflikte mit den Koalitionspartnern heran“.

Die sogenannte Agrarwende, so der Professor, sei „kein politisches Projekt, sondern wissenschaftliche Notwendigkeit“. Es wäre erforderlich, dass die reichen Länder ihren Fleischkonsum „in Größenordnungen von 50 bis 70 Prozent“ reduzieren. Den Bevölkerungen sei „die Notwendigkeit einer Ernährungswende zu vermitteln und diese politisch zu untermauern“.

Der Bio-Anbau gefährde, so Taube, nicht die Welternährung. Mit weniger Fleischkonsum sei mehr Ökolandbau und dennoch die Bekämpfung des Welthungers möglich. Richteten konventionelle Landwirte nur 50 Prozent ihrer Fruchtfolge an Ökostandards aus, kämen sie bereits ohne Pflanzenschutz und Mineraldünger aus.



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