Israel wählt ein neues Parlament: Bleibt Netanjahu an der Macht?

Am Dienstag wählt Israel ein neues Parlament. Amtsinhaber Benjamin Netanjahu steht mit Benny Gantz ein starker Konkurrent gegenüber, auch eine drohende Anklage wegen Korruption könnte seine Chancen schmälern.
Titelbild
Ein Mann vor Wahlkampfplakaten, die die Porträts des israelischen Premierministers Benjamin Netanyahu (L), dem Führer der Likud-Partei, und des israelischen Generals im Ruhestand Benny Gantz (R), einem der Führer der politischen Allianz "Blue and White" zeigen. Tel Aviv am 3. April 2019 – gewählt wird am 9. April 2019.Foto: JACK GUEZ/AFP/Getty Images
Epoch Times7. April 2019

Bei der Parlamentswahl am Dienstag muss sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gleich doppelt beweisen. Dem Amtsinhaber steht mit dem ehemaligen Generalstabschef Benny Gantz nicht nur ein starker Konkurrent gegenüber.

Netanjahus Politikstil hat Israel über Jahre hinweg geprägt. Als er 1996 zum ersten Mal ins Amt gewählt wurde, war er der jüngste israelische Ministerpräsident aller Zeiten. Seitdem hat der Likud-Politiker 13 seiner 69 Lebensjahre an der Spitze der Regierung verbracht. Schafft er es erneut in das Amt, dann könnte er Israels ersten Ministerpräsidenten David Ben-Gurion übertreffen.

Eine solch lange, einflussreiche Präsenz nötigt selbst der Tageszeitung „Haaretz“, die Netanjahu meist kritisch gegenübersteht, Respekt ab: In einem Artikel über ein imaginäres Leben ohne den Politiker hieß es, das Land würde in solch einer Situation gewiss manchmal

einen Anführer von internationaler Statur vermissen, der  – ob man ihn mag oder nicht – dafür sorgt, dass der Rest der Welt aufmerksam zuhört, wenn er das Wort ergreift“.

Netanjahu schneidet in aktuellen Umfragen gut ab

Netanjahu wurde 1949 in Tel Aviv geboren und ist damit der erste Regierungschef, der nach der Gründung des Staates Israels zur Welt kam. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er in den USA, wo er später am angesehenen Massachusetts Institute of Technology (MIT) studierte. Entsprechend gut spricht er Englisch.

Nach seiner Rückkehr nach Israel diente er fünf Jahre bei einer Spezialtruppe der israelischen Armee. 1972 wurde er bei der Befreiung von Geiseln aus einem von Palästinensern entführten Flugzeug verletzt. Über seinen Förderer Mosche Arens, den früheren Verteidigungs- und Außenminister, kam Netanjahu in die Politik.

Sein Ruf als Garant für Israels Sicherheit und das Wirtschaftswachstum im Land haben dazu geführt, dass Netanjahu in Umfragen derzeit gut abschneidet. Manche deuten darauf hin, dass Gantz‘ Mitte-rechts-Liste „Blau-Weiß“ zwar die meisten Sitze holen könnte, Netanjahus Likud aber mit der Unterstützung rechtsextremer Parteien die besseren Chancen hätte, eine Regierungskoalition zu bilden.

Am Samstag warb Netanjahu daher um Zustimmung am rechten Rand des politischen Spektrums, indem er ankündigte, jüdische Siedlungsgebiete im besetzten Westjordanland zu annektieren. Je nach dem Ausmaß der Annektion könnte dies das Ende der Hoffnung auf eine Zweistaatenlösung mit den Palästinensern bedeuten.

Anklage wegen Korruption droht

Ob als Wahlsieger oder als -verlierer – dass Netanjahu eine Anklage wegen Korruption droht, ist jedem Wähler in Israel klar. Generalstaatsanwalt Avischai Mandelblit hatte noch Ende Februar bekräftigt, er strebe ein Verfahren wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Vertrauensmissbrauchs an. Vor der Anklageerhebung soll Netanjahu bei einer Befragung im Juli Gelegenheit erhalten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Kritiker werfen dem Regierungschef vor, er stehe für Machtgier, Vetternwirtschaft und einen gefährlichen Populismus, der sich gegen Araber richte und die Grundfesten der israelischen Verfassung unterspüle. Schon die Regierung, die Netanjahu derzeit anführt, gilt als die am weitesten rechts stehende in der Geschichte des Staates Israel. Je nach Wahlausgang halten Beobachter einen weiteren Rechtsruck für möglich.

Union und FDP kritisieren Siedlungsbau

Die Union hat die Ankündigung von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kritisiert, jüdische Siedlungen im besetzten Westjordanland zu annektieren.

„Wir sehen die gesamte Siedlungspolitik Israels kritisch und können unseren Freunden immer nur wieder sagen, dass einseitige Maßnahmen nicht zu einer friedlichen Gesamtsituation führen werden“, sagte Vize-Fraktionschef Johann Wadephul (CDU) dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Er fügte hinzu:

Wir brauchen einen wirklichen Friedensprozess zwischen Israel und Palästina. Alles, was das infrage stellt, stellt am Ende auch Israels Sicherheit dauerhaft infrage.“

Wadephul erinnerte allerdings auch daran, dass in Israel Wahlen bevorstehen und Netanjahu um Stimmen kämpft. „Die Äußerungen sind einer prekären Wahlkampfsituation geschuldet. Wer innenpolitisch unter Druck ist, der sucht gern andere Felder. Das mag eine Motivation für Netanjahu gewesen sein“, ergänzte der CDU-Politiker.

Kritik kam auch von FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff. „Ob es sich um Jerusalem, den Golan oder das Westjordanland handelt: Territoriale Fragen müssen Teil einer umfassenden Lösung sein. Das Herausbrechen einzelner Gebiete macht eine Lösung schwieriger, nicht leichter“, sagte er dem RND. (afp/dts)

 



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