Katastrophen und Widerstandsfähigkeit

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Helfende Hände: Tuscaloosa, Alabama. Freiwillige schneiden in einer Notunterkunft des Roten Kreuzes kostenlos Haare. Die Notunterkunft beherbergt mehr als 260 ortsansässige Personen, nachdem heftige Stürme die Gegend heimgesucht hatten.
Von 13. Mai 2011

Die Auswirkungen der Tornados der letzten Wochen betrafen mich persönlich. In Tuscaloosa, Alabama, lebte die Cousine meiner Großmutter, die an die 100 Jahre alt geworden ist. Durch diese Cousine „Gib“ (Gibson) kannte ich diese Stadt und ihre Einwohner.

Das Wüten der Natur zerschlug eine Stadt, die stolz darauf gewesen war, ein Zentrum der Bildung zu sein – die Universität von Alabama gab der Stadt ihre heutige Identität. Gib lebte ganz in der Nähe der Universität. Als ihr einziger Sohn noch jung war, wurde sie plötzlich Witwe. Dennoch konnte sie ihn an die Universität schicken. Als Erwachsener lernte ich ihre Widerstandsfähigkeit zu schätzen, die ich als Kind immer für selbstverständlich gehalten hatte.

Gib war klein und hatte dunkle, beinahe schwarze Augen, eine Adlernase und lachte gerne. Ihre Käsestangen waren berühmt und sie suchte nach Gelegenheiten, sie zu backen und zu verschenken. Als wir sie das letzte Mal besuchten, war sie schon fast blind und ihre Hände waren durch ihre Arthritis verunstaltet, doch sie traf sich immer noch mit Anderen und versprühte ihre Lebensfreude.

Als wir ankamen, stand auf ihrer abgeschirmten Veranda ein perfekter, selbstgebackener Topfkuchen mit einer Willkommensnachricht ihres Nachbarn an uns.

Sie ging mit uns zum Hauptsitz eines Forstkonzerns, dessen Besitzer einen kunstvollen japanischen Garten angelegt hatte, in dem Pfaue herumstolzierten. Der Besitzer sammelte auch asiatische Kunst, Malereien sowie exquisite Skulpturen. In der Eingangshalle war eine Voliere voller Papageien. Ich versuchte, mich mit ihnen zu unterhalten. Mir war, als ob einer von ihnen „Hallo“ gesagt hätte. Ich antwortete: „Hallo!“ Doch der Papagei hielt nur seinen Kopf schräg und hüpfte auf seiner Stange seitwärts – bis ich mich abwandte. Dann murmelte er: „Was hast du gesagt?“ Mit Eifer wiederholten wir dieses Spiel mehrmals. Gib lachte vergnügt.

Als ich sie das erste Mal besuchte, gingen wir gemeinsam zu einer jungen Frau, die seit einem Autounfall gelähmt war. Gib machte es sich zur Aufgabe, nach der Familie der jungen Frau zu sehen und ihr Gesellschaft zu leisten.

Eine Nachbarin, der ich einmal begegnete, erzählte mir, dass Gib sie so warmherzig gegrüßt hatte, als sie in diese Straße gezogen seien, dass sie sofort gewusst hätte, dass dies die richtige Stadt sei, um sich niederzulassen. Diese Freundlichkeit und Nächstenliebe gehören zu den ersten Dingen, an die ich mich erinnere, wenn ich an Alabama denke.

Ich hatte über das Militär-Widerstandstraining gelesen. Der Psychologe Martin Seligman hat eine Theorie aufgestellt, wonach Menschen ein posttraumatisches Wachstum erleben können. Es ist möglich, nach den schlimmsten Erlebnissen wie Naturkatastrophen, Gefangenschaft, Folter, Kampf und lebensbedrohlichen Erkrankungen mehr Weisheit und Stärke zu gewinnen. Seligman entwarf ein Widerstandstraining für die Armee, welches den Soldaten ermöglichen sollte, dies zu erreichen.

Die Stärken, die einem zum posttraumatischen Wachstum verhelfen, sind nach Seligman zum Beispiel Nächstenliebe, Verantwortung, die Fähigkeit auf andere zuzugehen, Humor und Freude an Dingen, die einem das Leben bietet.

Die Cousine meiner Großmutter hatte diese Stärken und ich denke, dass sie ein wesentlicher Bestandteil der Kultur in Alabama sind. Ich wünsche, die Menschen des Nachbarstaates und die anmutige Stadt Tuscaloosa erholen sich von diesen schrecklichen Stürmen mit Hilfe der Fähigkeit des posttraumatischen Wachstums.

Artikel auf Englisch: Southern Style: Disaster and Resilience

 



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