Länderübergreifende Arbeitsgruppen wollen Chinas „Lehman-Moment“ verhindern

Fünfzehn Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers, der ein finanzielles Chaos auslöste, wollen gemeinsame Wirtschafts- und Finanzarbeitsgruppen der USA und Chinas die Auswirkungen der chinesischen Wirtschaftskrise abmildern.
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Eine Frau benutzt einen Geldautomaten neben den Symbolen für den chinesischen Yuan und den US-Dollar.Foto: Philipp Lopez/AFP via Getty Images
Von 8. Oktober 2023

Erst kürzlich hat das US-Finanzministerium zu Wirtschafts- und Finanzfragen Arbeitsgruppen mit China gebildet. Eine der Gruppen werde sich auf Wirtschaftsthemen konzentrieren und mit dem chinesischen Finanzministerium zusammenarbeiten. Eine andere werde sich mit Finanzthemen befassen und mit der chinesischen Zentralbank (People’s Bank of China) zusammenarbeiten.

Die Einrichtung der Arbeitsgruppen ist das Ergebnis von Gesprächen, die US-Diplomaten mit ihren chinesischen Amtskollegen während ihrer Besuche in diesem Sommer in China geführt haben. In diesem Rahmen sprachen auch US-Finanzministerin Janet Yellen und der chinesische Vizepremier He Lifeng im Juli miteinander. Ein weiteres Gespräch fand zwischen US-Handelsministerin Gina Raimondo und dem chinesischen Handelsminister Wang Wentao Ende August statt.

„Meine Reise nach China zielte darauf ab, einen dauerhaften Kommunikationskanal zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt zu schaffen“, schrieb Yellen am Tag der Ankündigung auf X.

Der Kommentator für chinesische Angelegenheiten, Li Yanming, sagte der Epoch Times, er glaube, dass die Vereinigten Staaten die Arbeitsgruppen gebildet hätten, um die Auswirkungen der Finanzkrise des kommunistischen Regimes auf den Rest der Welt zu mildern.

„Washington baut wirtschaftliche Kommunikationskanäle mit Peking auf und schließt sich mit Nachbarländern im indopazifischen Raum zusammen, um die Blockade der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) zu beschleunigen“, so Li.

Abmilderung des Schlags inmitten der globalen Nervosität angestrebt

Die jüngsten Kontakte Washingtons mit Peking und die Einrichtung der Arbeitsgruppen zielten laut Li darauf ab, die Auswirkungen von Chinas Wirtschaftskrise auf die Vereinigten Staaten und den Rest der Welt abzufedern.

Li glaubt, dass sich Chinas „Lehman-Moment“ immer schneller nähere.

Der Begriff bezieht sich auf den Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008, der damals viertgrößten Investmentbank in den Vereinigten Staaten. Das Unternehmen meldete am 15. September 2008 Konkurs an und löste damit einen weltweiten Finanz-Tsunami aus.

Chinas Immobilien- und lokale Schuldenkrisen belasteten das gesamte chinesische Finanz- und Wirtschaftssystem, sagte Li.

Chinas Zentralbank hat wiederholt die Zinssätze gesenkt, um die angeschlagene Wirtschaft anzukurbeln. Diese Strategie hat jedoch auch die Zinsdifferenz zwischen den Vereinigten Staaten und China vergrößert, da die US-Notenbank die Zinssätze in den USA erhöht hat.

Infolgedessen fällt der Wechselkurs des chinesischen Yuan weiter, was die Kapitalabflüsse noch verstärkt. Letztlich ist Chinas Zentralbank in einem Teufelskreis gefangen.

Eine Umfrage der Bank of America vom September ergab, dass die Anleger mit weiteren Kursverlusten bei chinesischen Aktien rechnen.

Die westlichen Länder befürchten, dass Chinas Finanzmarktkrise einen Dominoeffekt auf die globale Finanzwirtschaft haben könnte.

US-Präsident Joe Biden sagte am 10. August auf einer politischen Spendenveranstaltung, dass China aufgrund seines verlangsamten Wachstums und der hohen Arbeitslosigkeit in „Schwierigkeiten“ sei. China sei eine „tickende Zeitbombe“, die die Weltwirtschaft bedrohe, sagte er.

Der wirtschaftliche Abschwung hat die asiatischen und afrikanischen Volkswirtschaften bisher am stärksten getroffen. Im Juli meldete Japan den ersten Exportrückgang seit über zwei Jahren, nachdem China seine Auto- und Technologieimporte gedrosselt hatte. Im August senkten die Zentralbanken von Südkorea und Thailand unter Hinweis auf die schwache chinesische Wirtschaft ihre Wachstumsprognosen.

Ebenfalls im August kündigte die südkoreanische Regierung die Einrichtung eines speziellen „gesamtstaatlichen Inspektionsteams“ an, das die Aufgabe hat, „wichtige Risikofaktoren“ für die südkoreanische Wirtschaft zu überwachen – insbesondere die Auswirkungen der chinesischen Immobilienkrise.

Zusammenbruch des Immobiliensektors

Nach drei Jahren strenger Corona-Maßnahmen und Lockdowns ist die chinesische Wirtschaft an einem historischen Wendepunkt der Rezession angelangt. Das zeigen der schwache Konsum und der Rückgang des Immobiliensektors, der etwa 30 Prozent des chinesischen BIP ausmacht.

Am 22. September gab Chinas größter Immobilienentwickler – die Evergrande Group – bekannt, dass sie einen Umschuldungsplan in Höhe von 35 Milliarden US-Dollar aufgeben werde, um ihr Überleben zu sichern. Sie begründete dies mit den sinkenden Immobilienverkäufen, die schwächer als erwartet ausgefallen waren.

Später teilte das Unternehmen mit, dass Xu Jiayin, der Gründer der Evergrande Group, „wegen des Verdachts auf Gesetzesübertretung und Begehung einer Straftat“ festgenommen wurde.

Laut Li sei klar, dass Evergrande’s Ansätze zur Selbstrettung „nicht mehr mit der Geschwindigkeit der Verschlechterung des Immobilienmarktes mithalten konnten“. Er fügte hinzu, dass die Implosion des chinesischen Immobilienmarktes „viel schwerwiegender ist als das, was die Außenwelt gesehen hat“.

Auch andere chinesische Immobiliengiganten befinden sich in einer schwierigen Lage. Im September entging Country Garden nur knapp der Zahlungsunfähigkeit, während der führende Immobilienentwickler Sunac Konkursschutz beantragte.

Im August geriet die Zhongzhi Enterprise Group – die größte Vermögensverwaltungsgesellschaft Chinas –, die Berichten zufolge ein Vermögen von einer Billion Yuan (etwa 130 Milliarden Euro) verwaltet und stark in Immobilien investiert hat, ebenfalls in Zahlungsverzug.

Kommunale Schuldenkrise lässt Arbeiter ohne Lohn zurück

Ein weiterer Faktor, der die wirtschaftliche Misere Chinas verschärft, ist die enorme Verschuldung der Kommunen. Goldman Sachs schätzt, dass die Schulden der chinesischen Kommunalverwaltungen 94 Milliarden Yuan (etwa 12 Milliarden Euro) erreicht haben.

Im August hat der Staatsrat der KPC-Ermittler in mehr als zehn Provinzen entsandt, um deren Konten zu überprüfen und die Schulden zu reduzieren.

Aufgrund der hohen Verschuldung der Kommunen haben Angestellte des öffentlichen Dienstes in China häufig kein stabiles Einkommen und leiden manchmal monatelang unter verzögerten Lohnauszahlungen.

Die staatseigene Tianjin Bus Group – etwa 117 Kilometer von Peking entfernt – hat einem Bericht des chinesischen Nachrichtenportals „NetEase“ vom 14. September zufolge einen Teil der Löhne ihrer Busfahrer über einen Zeitraum von drei Monaten zwischen Juni und August dieses Jahres nicht gezahlt.

Die Beschäftigten von Tianjin beschwerten sich in den lokalen sozialen Medien darüber, dass sie die ihnen zustehenden Überstundenzuschläge nicht erhielten und einigen von ihnen die Krankenversicherung entzogen wurde, heißt es in dem „NetEase“-Artikel.

Die chinesische Nachrichtenseite „Jiemian News“ zitierte einen Busfahrer aus Tianjin, dessen Gehalt und Zuschuss für die Sommerhitze drei Monate lang nicht gezahlt worden seien. Ein langjähriger Angestellter des öffentlichen Verkehrsunternehmens sagte den Medien, dass die Situation schon zwei Jahre bestehe.

Unbezahlte Löhne haben mancherorts Proteste ausgelöst: Ein Online-Video vom 4. September zeigte Hunderte Gymnasiallehrer in der Provinz Henan bei einer Sitzblockade. Sie forderten ihre Gehälter ein, die seit mehreren Monaten nicht mehr gezahlt worden waren.

Kürzlich protestierten mehr als 30 Personen in Guilin in der südchinesischen Provinz Guangxi vor dem städtischen Amt für Radio, Film und Fernsehen in Guilin in der. Das zeigt ein in den sozialen Medien veröffentlichtes Video. Sie hielten ein Transparent mit der Aufschrift „Seit sechs Monaten kein Lohn! Wir wollen überleben!“

Erschöpfte Mittel

Yang Fan, Professor an der Chinesischen Universität für Politikwissenschaft und Recht, erklärte auf der Plattform „Weibo“ in einem Beitrag vom 17. Februar, China könne sich die 81 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst finanziell nicht mehr leisten.

Offiziellen Angaben zufolge beliefen sich Chinas Steuereinnahmen im Jahr 2022 auf 2.037 Milliarden Yuan (267 Milliarden Euro), während die Haushaltsausgaben 2.606 Milliarden Yuan (341 Milliarden Euro) erreichten. Die Lücke im Haushaltsdefizit erreichte 5,7 Billionen Yuan (746 Milliarden Euro) – eine Zahl, die im Vergleich zum Vorjahr gestiegen war. Diese Zahl ist vergleichbar mit dem Bruttoinlandsprodukt von Sichuan, der fünftgrößten Provinz Chinas.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „ANALYSIS: New US-China Working Groups Hope to Prevent China’s ‚Lehman Moment’“ (deutsche Bearbeitung jw)



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