Nach Protestwelle gegen Abaya-Verbot: Frankreich plant „einheitliche Schulkleidung“

Der Streit um das Verbot religiöser Gewänder an Schulen erschüttert Frankreich. Jetzt soll ein Pilotprojekt zur Kleiderordnung die Wogen glätten.
Titelbild
Der französische Präsident Emmanuel Macron (r.) und der französische Bildungsminister Gabriel Attal (l.) am 5. September 2023 beim Besuch eines Gymnasiums in Südwestfrankreich.Foto: CAROLINE BLUMBERG/POOL/AFP via Getty Images
Von 6. September 2023

Frankreich zieht in Betracht, eine „einheitliche Schulkleidung“ einführen. Bildungsminister Gabriel Attal kündigte an, in den kommenden Monaten diesbezüglich ein Pilotprojekt zu starten. Dies berichtete der Sender „RTL“ am 4. September.

Die Mitteilung erfolgte eine Woche nach Schulbeginn, zu dem das Tragen von Abayas (islamische Frauengewänder) und Qamis (hemdartige Gewänder von Jungen) verboten worden war. Das Verbot hatte heftige Debatten ausgelöst. Zudem hatten viele Jugendliche zum Protest gegen die Entscheidung aufgerufen.

Vor diesem Hintergrund möchte der Bildungsminister relativ schnell ein Experiment mit Schuluniformen in verschiedenen Einrichtungen testen. Darunter sowohl in Einrichtungen unterschiedlicher Stufen wie Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien als auch in „unterschiedlichen Gebieten“. „Das ermöglicht es, die Debatte voranzutreiben. Viele Franzosen sind dafür, andere nicht“, so Attal.

Das Experiment soll laut Attal zeigen, „was es in Bezug auf die Wiederherstellung der Autorität in der Schule und die Anhebung des Niveaus in der Schule bewirkt“. Der Bildungsminister ist sich nicht sicher, ob dies eine „Wunderlösung“ ist, wie „RTL“ berichtete. Dennoch sei er „sehr dafür“, mit einer „einheitlichen Uniform“ zu experimentieren.

Macron bevorzugt Uniform

Präsident Emmanuel Macron hatte am Montagabend in einem Interview mit dem Kanal „HugoDecrypte“ den Unterschied zwischen einer „einheitlichen Schulkleidung“ und einer „Uniform“ erklärt. Bei „HugoDecrypte“ handelt es sich um einen YouTube-Kanal, der auf junge Leute ausgerichtet ist.

Bei der „einheitlichen Schulkleidung“, so Macron, handele sich nicht um eine identische Kleidung für jeden Schüler, sondern eher um eine Kleiderordnung. Dabei nannte er als Beispiel das Tragen von Jeans und einem T-Shirt. Macron sagte, er selbst würde die Option der Uniform bevorzugen, die „aus disziplinarischer Sicht [für die Schüler] akzeptabler“ sei.

In Frankreich sind Staat und Religion streng getrennt. Seit 2004 sind Kopftuch, Kippa oder Halsketten mit Kreuzen als äußere religiöse Zeichen an Schulen verboten. Seit Beginn dieses Schuljahres erstreckt sich das Verbot auch auf Abayas und Qamis.

„Wir leben in einer Gesellschaft mit einer Minderheit, die eine Religion missbraucht und damit die Republik und die Laizität herausfordert“, gab Präsident Emmanuel Macron in dem „HugoDécrypte“-Interview weiter an.

Dabei erinnerte er an den islamistisch motivierten Mord an dem Lehrer Samuel Paty im Jahr 2020. Dennoch wolle er keine Parallele zwischen einem Terrorakt und der Kleidung junger Musliminnen ziehen. „Aber die Frage der Laizität an Schulen ist sehr wichtig“, ergänzte Macron.

Protestaufruf in sozialen Netzwerken

Das Verbot, die Abaya in Schulen zu tragen, hatte zuvor eine Flut von Reaktionen in den sozialen Netzwerken ausgelöst. Teenagerinnen wehrten sich gegen die Entscheidung und riefen dazu auf, diese Kleidung ab dem ersten Schultag (weiterhin) zu tragen.

Eine junge Frau sagte: „Kommt zum Schulbeginn, dann tragen wir alle Abayas.“ Eine andere erklärte: „Wenn euch mein Outfit gefällt, wird es dem Bildungsminister sicher gefallen.“ Einige der Gegnerinnen argumentieren auch mit einer Art „Frauensolidarität“, um sich gegen diese Maßnahme zu wehren.

Laut dem Politiker Damien Rieu der rechtsgerichteten Partei Reconquête würden sich die „Islamisten nun organisieren, um gegen das Verbot der Abayas anzukämpfen“. Auf der Plattform X bezeichnete er ihre Vorgehensweisen als „Tragikomödie“.

Französischer Staatsrat prüft Abaya-Verbot

Zum Schuljahresbeginn seien knapp 300 Mädchen mit einer Abaya bekleidet erschienen, wie Bildungsminister Gabriel Attal am Dienstag dem Sender „BFM“ mitgeteilt hat. Von ihnen hätten sich 67 geweigert, das bodenlange Überkleid abzulegen, und seien daher wieder nach Hause geschickt worden. „Wir haben ihnen einen Brief an die Familien mitgegeben, um zu erklären, dass die Laizität kein Zwang, sondern eine Freiheit ist“, erklärte Attal.

Die Regierung hatte etwa 500 Schulen ausgemacht, wo das Verbot der Kleidungsstücke, die von manchen Muslimen getragen werden, zu Konflikten führen könnte. Dort sei das Personal besonders geschult worden, sagte Attal. Mit Mädchen, welche die Abaya nicht ablegen wollten, sollte es zunächst Gespräche geben.

Die Opposition wirft der Regierung vor, mit dem Abaya-Verbot von anderen Problemen abzulenken, etwa vom anhaltenden Lehrermangel und Mobbing an Schulen.

Am Dienstag hatte sich auch der französische Staatsrat mit dem Verbot langer Gewänder an den Schulen befasst. Eine muslimische Organisation verlangt die Rücknahme des Verbots. Aus ihrer Sicht richtet sich dieses „in erster Linie gegen mutmaßlich muslimische Kinder und birgt das Risiko eines ethnischen Profilings“.

Der französische Staatsrat prüft nun, ob das Gesetz mit der Verfassung übereinstimmt. Mit einer Entscheidung ist nach höchstens zwei Tagen nach Abschluss der Untersuchungen zu rechnen.

(mit Material von afp)



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