Polens Kommunalwahlen offenbaren tiefe Kluft zwischen Stadt und Land

Bei den Kommunalwahlen in Polen zeichnen sich nur wenige Änderungen gegenüber den Parlamentswahlen vom Oktober des Vorjahres ab. Die PiS kann sich als stimmenstärkste Kraft stabilisieren. Sie büßt aber einige Provinzen ein und bleibt in den Großstädten schwach.
Prognosen zufolge ist seine Partei stärkste Kraft bei den Kommunalwahlen in Polen: PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski.
Prognosen zufolge ist seine Partei stärkste Kraft bei den Kommunalwahlen in Polen: PiS-Chef Jarosław Kaczyński.Foto: Radek Pietruszka/PAP/dpa
Von 8. April 2024

Am Sonntag, 7. April, fanden in Polen landesweite Kommunalwahlen statt. Diese galten als erster Stimmungstest nach dem Machtverlust der konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Oktober 2023 und vor der bevorstehenden EU-Wahl im Juni. Endgültige Ergebnisse werden voraussichtlich erst gegen Mitte der Woche feststehen. Erste Trends lassen sich aber bereits ausmachen.

Gegenüber 2018 konnte PiS leicht zulegen

Wie „wpolityce.pl“ unter Berufung auf den Exit Poll von Ipsos berichtete, kommt die PiS landesweit auf 33,7 Prozent der abgegebenen Stimmen und bleibt damit stärkste Kraft. Gegenüber den Wahlen des Jahres 2018 wäre dies sogar ein leichtes Plus von 1,4 Prozentpunkten. Nun hofft die Partei auf Rückenwind für die EU-Wahlen und für die Präsidentschaftswahlen, die im Frühjahr 2025 anstehen. Amtsinhaber Andrzej Duda darf nach zwei Amtsperioden kein weiteres Mal kandidieren.

Die seit Dezember unter Führung von Premierminister Donald Tusk regierende Bürgerkoalition (PO) kommt landesweit auf 31,9 Prozent. Gegenüber der Abstimmung von vor fünf Jahren bedeutet das keinen signifikanten Zugewinn. Allerdings wird die Partei künftig in zehn Provinzen des Landes regieren können – gegenüber den bisherigen sieben.

In Niederschlesien (36,2 Prozent), Schlesien (33,9 Prozent) und Masowien (33 Prozent) konnte die PO die PiS überholen. Ihr bestes Ergebnis erzielte sie mit 47 Prozent in Pommern. Außerdem behauptete sie ihre Mehrheiten in Westpommern (39,3 Prozent), Kujawien-Pommern (38,5 Prozent), Oppeln (37,6 Prozent), Ermland-Masuren (36,8 Prozent), Lebus (36,1 Prozent) und Großpolen (32,7 Prozent).

Mehrheiten wechseln in drei Woiwodschaften

Deutlich vorn lagen die Kandidaten der PO auch in den Großstädten. Der Präsidentschaftskandidat von 2020, Rafał Trzaskowski, wurde in Warschau mit 59,8 Prozent als Oberbürgermeister bestätigt. In Danzig gewann Aleksandra Dulkiewicz mit 62,3 Prozent der Stimmen. Mit mehr als 60 Prozent wurde auch Hanna Zdanowska in der Stadt Łódź gewählt. In Breslau wird es eine Stichwahl zwischen den Kandidaten der PO und des zentristischen Dritten Weges geben.

Die PiS behielt ihre Mehrheiten in den Woiwodschaften Karpatenvorland (49,7 Prozent), Lublin (46,7 Prozent), Heiligkreuz (44,2 Prozent), Kleinpolen (42,3 Prozent), Podlachien (41,1 Prozent) und Łódź (35,6 Prozent).

Der Dritte Weg kam landesweit auf 13,5 Prozent und wurde damit drittstärkste Kraft. Im Jahr 2018 war die Polnische Volkspartei (PSL) auf 12 Prozent gekommen. Die Zentristen, die dem Mitte-Links-Lager auf Landesebene die Mehrheit sichern, waren aus einem Bündnis der PSL und kleinerer christdemokratischer und bäuerlicher Parteien entstanden.

PiS bleibt in den Großstädten schwach

Die weit rechte Konföderation konnte sich leicht auf 7,5 Prozent landesweit steigern. Ihre Ergebnisse lagen zwischen fünf Prozent in Westpommern und 13,3 Prozent in Podlachien. Landesweit konnte die Partei damit die postkommunistische Linke überholen, die auf 6,8 Prozent kam. Auf 2,7 Prozent kam der Verband der überparteilichen Kommunalverwaltungen.

Mit nur 51,5 Prozent lag die Wahlbeteiligung um knapp drei Prozentpunkte unterhalb jener von 2018 und knapp 23 Prozentpunkte unter jener bei den Parlamentswahlen.

Das Wahlergebnis ist ein Anhaltspunkt dafür, dass sich die Hoffnungen des Mitte-Links-Lagers, einen endgültigen Zusammenbruch der PiS herbeizuführen, nicht erfüllt haben. Zwar konnte die PO und ihre Verbündeten ihre führende Rolle in den Großstädten bei den jüngeren Wählern und Wählern mit akademischem Abschluss ausbauen.

Die PiS behauptete sich jedoch in den ländlichen Gebieten und konnte 86,9 Prozent ihrer Wähler vom Oktober 2023 erneut an die Urnen holen. Demgegenüber gaben nur 75,1 Prozent der PO-Wähler vom Oktober des Vorjahres dieser erneut ihre Stimme.

Erste Konfliktlinien in der heterogenen Tusk-Koalition

In einigen Regionen zeichnet sich eine mögliche Zusammenarbeit zwischen PiS und der Konföderation ab. Bis dato scheiterte diese unter anderem an den erheblichen Differenzen in der Politik gegenüber Russland.

Die PiS wirft der PO vor, ihre neu erlangte Macht auf Landesebene zu missbrauchen, um Säuberungsaktionen in öffentlich-rechtlichen Medien und Justiz durchzuführen. Die heterogene Koalition, die von ganz links bis zu den Zentristen reicht, steht unterdessen vor ihren ersten größeren Herausforderungen.

So halten die Bauernproteste gegen den Green Deal der EU und die Getreideeinfuhren aus der Ukraine weiterhin an. Dazu kommen mögliche Konfliktbereiche wie der Kohleausstieg, der Staatshaushalt oder die geplante Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Diese ist vor allem im Lager des Dritten Weges nicht unumstritten.



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