Polnische Regierung befürchtet deutsche Einmischung in kommende Wahlen

In Polen wird in zwei Monaten ein neues Parlament gewählt. Gleichzeitig sollen drei Volksabstimmungen stattfinden – daher geht es nicht nur um „eine einfache Wahl zwischen PiS und Opposition“, sondern um Polens „allgemeinen Blick“ auf die Welt. Was haben Deutschland und die EU damit zu tun?
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Mateusz Morawiecki.Foto: JOHN THYS/AFP via Getty Images
Von 15. August 2023

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Am 15. Oktober wählt Polen ein neues Parlament und entscheidet damit über die politische Richtung für die nächsten Jahre. Die Wahlen dürften jedoch auch ein entscheidender Moment der EU-Politik sein, denn ein weiterer Sieg der konservativen oder rechten Kräfte könnte die politische Palette verschieben und eine Art konservative Renaissance unterstützen.

Zeitgleich werden in Polen mehrere Referenden zu einer Reihe umstrittener Themen abgehalten. Mit zur Debatte steht auch der Migrationspakt der EU.

Polens Regierung kritisiert zudem, dass Deutschland ähnlich wie die EU zunehmend versuche, auf Bereiche Einfluss zu nehmen, auf die es keinen Einfluss nehmen dürfte.

Weber: „Polnische Konservative sollen besiegt werden“

Die vergangenen Tage fielen einerseits durch Auseinandersetzungen zwischen dem deutschen CSU-Politiker Manfred Weber und dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki auf. Manfred Weber ist Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament.

Morawiecki äußerte sich über Versuche der Einmischung in die polnischen Wahlen und wies die Ansichten des deutschen Politikers strikt zurück. Morawiecki schrieb auf X/Twitter: „Er hat uns als Feinde bezeichnet, nicht zum ersten Mal. Genug davon!“

Er bezog sich dabei auf Sätze von Manfred Weber am 8. August im deutschen ZDF. Dort sagte Weber, dass alle Parteien das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit akzeptieren müssten. Ihm zufolge sollten daher alle, die das nicht tun, ersetzt werden. Bis dahin hätten diese Sätze wahrscheinlich nicht für Kritik gesorgt. Allerdings nannte Weber noch konkrete Parteien wie „die deutsche AfD, die französische Front National unter der Führung von Le Pen oder die PiS in Polen“. Weiter erklärte er, dass diese „Feinde“ seien und „besiegt werden müssen“.

Nach der Sendung forderte Polens Ministerpräsident Morawiecki den deutschen Politiker zu einer öffentlichen Debatte heraus: „Sie meinen, dass wir die demokratischen Regeln nicht einhalten? Erzählen Sie das Millionen Polen in einer Fernsehdebatte!“

Aus der öffentlichen Debatte scheint nichts zu werden, Weber hat die Einladung anscheinend nicht angenommen.

Morawiecki: Deutsche sollen zugeben, dass sie die Wahlen beeinflussen wollen

Andererseits entspinnt sich auch ein Problem zwischen Donald Tusk, Manfred Weber und der polnischen Regierung.

Donald Tusk führt aktuell Polens größte Oppositionspartei – die „Bürgerplattform“ (PO) – an, die Mitglied der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament (die Manfred Weber leitet) ist. Donald Tusk war von 2007 bis 2014 polnischer Premierminister und von 2014 bis 2019 EU-Ratspräsident. Er arbeitet mit Manfred Weber Hand in Hand und betont stetig, für wie schändlich er die aktuell regierende PiS in Polen hält.

Nach Ansicht der polnischen Regierungspartei PiS beugt sich Tusk – und damit die wichtigste Oppositionspartei – „ausländischen, insbesondere deutschen Interessen“. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski erklärte in einem Videobeitrag: „Die Deutschen wollen Donald Tusk in Polen einbetten, um polnische Vermögenswerte zu privatisieren und zu veräußern.“

Manfred Weber hat die Zusammenarbeit mit Tusk bestätigt. Wie der deutsche Politiker im Juni gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärte, vertritt seine Fraktion eine radikal ausgrenzende Linie. Er ergänzte, dass sie in diesem Sinne „eine Brandmauer gegen die polnische Regierungspartei PiS errichten“ würden. Weber sagte unverblümt: „Wir sind die einzige Kraft, die die PiS in Polen ablösen und das Land zurück nach Europa führen kann“.

Experte: „Nationale Wahlen“ direkt beeinflussen

Der politische Kampf sei besonders heftig, weil viel auf dem Spiel stünde, warnen Analysten aus Ungarn. Einer der wichtigsten Schauplätze sei die deutsch-polnische Achse.

Bence Gát Ákos, Leiter des Bereichs Außenbeziehungen am „Danube Institute“, drückt es so aus: „Die europäische und die nationale Politik verschmelzen immer mehr miteinander“. Die EU-Institutionen würden zunehmend versuchen, Einfluss auf die Innenpolitik der Mitgliedstaaten zu nehmen. Dem Experten zufolge „versucht die Brüsseler Politik, die nationalen Wahlen und die öffentliche Meinung auf nationaler Ebene direkt zu beeinflussen“.

„Das geht schon seit 2010 so, und die Ungarn sind sich dessen bewusst“, schreibt Gát in einer Analyse, die auf „Infostart.hu“ veröffentlichtet wurde. Ein Erfolg messe sich daran, ob die EU die Politik einer Regierung auf nationaler Ebene verändern kann.

Drei Fragen an das Volk

Was beinhalten die polnischen Referenden am 15. Oktober? Es geht um drei Fragen, die den vergangenen Tagen von polnischen Regierungsvertretern in den Medien breit gestreut wurden. Die Regierung von Morawiecki hat vor, das Volk zu fragen:

  1. „Unterstützten Sie den Verkauf von Staatsbetrieben?“
  2. „Sind Sie dafür, das Rentenalter von 60 Jahren für Frauen auf 65 Jahre für Männer anzuheben?“
  3. „Unterstützen Sie die Aufnahme Tausender illegaler Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika im Rahmen des von der europäischen Bürokratie auferlegten Zwangsumsiedlungsmechanismus?“

Mit der dritten Frage zur Migration erhoffe sich die Regierungspartei einen politischen Sieg, berichtet „Euractiv.de“. Bisher unterstützt eine Mehrheit der Polen die Position, dass Polen keine Asylsuchenden aufnehmen sollte. Letztlich geht es um den Migrationspakt, der vor einigen Wochen bei einem Treffen der EU-Innenminister beschlossen wurde.

Dieser lässt den Mitgliedstaaten in der Praxis zwei Möglichkeiten: entweder eine bestimmte Anzahl von Migranten aufzunehmen oder zwanzigtausend Euro pro Migrant in die EU-Kasse zu zahlen. Mehrere EU-Mitgliedstaaten sind mit dem Pakt unzufrieden. Auf dem letzten EU-Gipfel konnte hierzu noch keine Einigung erzielt werden.

Die Stimme ausländischer Politiker „spielt keine Rolle“

Politikwissenschaftler Marcin Zaborowski von der Lazarski-Universität weist darauf hin, dass es dank des Referendums am Wahltag nicht mehr nur um „eine einfache Wahl zwischen PiS und Opposition“ geht, sondern um den „allgemeinen Blick“ auf die Welt.

Jaroslaw Kaczinski, der Vorsitzende der Regierungspartei und stellvertretende Ministerpräsident des Landes, äußerte sich ebenfalls per X/Twitter zur Bedeutung der Abstimmungen: „Für uns ist die Stimme der einfachen Polen immer entscheidend. Und die Stimme ausländischer Politiker, einschließlich deutscher Politiker spielt hierbei keine Rolle.“



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