Proteste nach Tod von Mahsa Amini gehen weiter – Schauspielerinnen schneiden die Haare

Die Proteste im Iran gehen weiter. Die Familie der getöteten Mahsa Amini weist Versuche zurück, deren Schicksal mit Separatismus in Verbindung zu bringen.
Titelbild
In Teheran kommt es zu Massenprotesten wie hier am 23. September 2022. Seit dem Tod von Mahsa Amini haben Straßenkämpfe zugenommen.Foto: STR/AFP via Getty Images
Von 12. Oktober 2022

Auch am Montag (10.10.) gingen die Proteste in mehreren Städten des Iran weiter. Die Zahl der Todesopfer ist weiter gestiegen. Wie der „Guardian“ berichtet, sind erstmals auch Arbeiter der Ölindustrie in den Streik getreten. Unterdessen versuchen das iranische Regime und die terroristische PKK, das Schicksal der getöteten Mahsa Amini für ihre Belange zu instrumentalisieren.

Irans Führung behauptet ausländische Steuerung von Protesten

Am Montag kam es unter anderem in der Stadt Sanandaj in der Provinz Kurdistan zu Zusammenstößen. Am Rande von Protestkundgebungen waren Schüsse und Explosionen zu hören. Aufnahmen der Menschenrechtsgruppe Hengaw dokumentieren schnelles Gewehrfeuer, schreiende Menschen und Rauch, der aus einem Viertel der Stadt aufstieg.

Während der Proteste im benachbarten kurdischen Bezirk Salas-e Babajani sei Hengaw zufolge am Wochenende ein 22-jähriger Mann namens Arin Muridi getötet worden. Bereits zuvor hatten Unruhen dort am Wochenende für mehr als 120 Verletzte gesorgt.

Hengaw zufolge hätten Regierungstruppen das Feuer eröffnet und Muridi sei an Schussverletzungen gestorben. Der Gouverneur der Provinz, Esmail Zarei Kousha, weist den Vorwurf zurück. Gegenüber der Agentur Fars erklärt er, „unbekannte Gruppen“ hätten am Samstag „geplant, junge Menschen auf den Straßen zu töten“. Um wen es sich dabei handeln soll, erläutert er nicht.

Die Führung in Teheran versucht, die Protestbewegung als vom Ausland beeinflussten Putschversuch erscheinen zu lassen. Die offizielle iranische Presse veröffentlichte die Namen von 24 Sicherheitsbeamten, die seit Beginn der Proteste von Randalierern getötet worden sein sollen. Zudem hätten diese Moscheen angegriffen, öffentliches Eigentum beschädigt und Plünderungen initiiert.

Arbeiter der Ölindustrie treten in Streik

Hingegen werfen Anhänger der Protestbewegung den Sicherheitskräften vor, mit übermäßiger Gewalt und Folter gegen Demonstranten vorzugehen. Zum dritten Mal seit Beginn der Unruhen forderten Angehörige der Ärzteschaft in einer Erklärung die Sicherheitskräfte zu größerer Zurückhaltung auf. Diese hätten, so die Ärzte, Demonstranten aus Krankenwagen geholt und mit Schlagstöcken zusammengeschlagen.

In den petrochemischen Werken Bushehr und Damavand machten etwa 1.000 Arbeiter eine Streikdrohung wahr und skandierten „Tod dem Diktator“. In sozialen Medien war zu lesen, dass die Arbeitsniederlegungen dann auf die Raffinerie in Kangan übergriffen. Die Führung in Teheran möchte in jedem Fall verhindern, dass sich die Gewerkschaften der Streiks annehmen und diese unterstützen. Die Ölindustrie ist für den Iran von höchster Bedeutung.

Protestaktionen von Schauspielerinnen in Deutschland und Frankreich

In Deutschland haben sich unterdessen mehrere deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler vor laufender Kamera Haare abgeschnitten – aus Solidarität mit den protestierenden Menschen im Iran.

Das Video, das unter anderem Schauspielerin Meret Becker in der Nacht zu Montag auf Instagram postete, ist gut zweieinhalb Minuten lang. Darin trennen sich etwa Katharina Thalbach, Meret Becker, Lina Beckmann, Ronald Zehrfeld und Jasmin Tabatabai von Haarsträhnen.

Zu sehen sind auch Nicolette Krebitz, Melika Foroutan, Daniel Zillmann, Karin Hanczewski, Jördis Triebel, Sandra Hüller, Anne Ratte-Polle und die Schweizerin Carol Schuler. Rund 40 Menschen sind in dem Video nach und nach zu sehen. Im Text dazu steht auf Englisch: „In Solidarität mit allen Menschen, die gerade im Iran protestieren. Wir nehmen Euch wahr. Wir stehen an Eurer Seite.“

In der vergangenen Woche hatten auch Stars aus Frankreich ein Solidaritätszeichen gesetzt. Rund 50 Schauspielerinnen und Sängerinnen waren in einem Clip zu sehen. In dem Video blickte zunächst Oscar-Preisträgerin Juliette Binoche in die Kamera, sagte „for freedom“ (für die Freiheit), schnitt sich ein Haarbüschel ab und hielt es in die Kamera. In dem mit der Hymne „Bella Ciao“ unterlegten Video traten etwa auch Isabelle Huppert und Charlotte Gainsbourg auf.

Anwälte von Mahsa Amini erhalten keine Akteneinsicht

Wie „BBC“ berichtet, soll die Familie von Mahsa Amini, deren Tod die Proteste ausgelöst hat, auf Instagram Morddrohungen erhalten. Die 22-Jährige war von der „Moralpolizei“ des Landes wegen angeblich unangemessener Kleidung festgenommen worden. Amini soll das im Iran in der Öffentlichkeit für Frauen verpflichtende Kopftuch nicht in der vorgeschriebenen Form getragen haben. Sie starb anschließend im Polizeigewahrsam.

Während die Protestbewegung vermutet, dass Amini an den Folgen von Misshandlungen verstarb, weist das Regime jede Verantwortung zurück. Eine Autopsie habe ergeben, dass eine Vorerkrankung die Todesursache sei. An dieser habe Amini gelitten und Medikamente eingenommen. Anwälte der Familie erklären jedoch, sie hätten keine Einsicht in den Autopsiebericht bekommen.

Die Familie von Mahsa Amini sieht sich nun unter Druck gesetzt. Ihr Cousin Erfan Mortezai, der im Exil lebt, äußerte gegenüber dem britischen Sender:

Unsere Familie wurde von den Behörden der Islamischen Republik massiv unter Druck gesetzt. Deshalb sprechen wir weder mit Menschenrechtsorganisationen noch mit Kanälen außerhalb des Irans. Wir haben niemanden aus der Außenwelt über ihr Ableben informiert.“

Cousin: Mahsa war „normaler Mensch, nicht politisch“

Die kurdische Abstammung der Familie und Erfan Mortezais Zugehörigkeit zu einer kurdisch-iranischen Exil-Oppositionspartei dient dem Regime nun als Aufhänger, Separatismus ins Spiel zu bringen.

Angehörige der Familie von Mahsa Amini haben wiederholt bestritten, kurdische Oppositionsgruppen zu unterstützen, die der Iran des Separatismus beschuldigt. Erfan bestätigt diese Angaben. Mahsa, deren eigentlicher kurdischer Name „Zhina“ sei, war ihm zufolge „ein normaler Mensch, nicht politisch“.

Propaganda des Regimes, wonach Mahsa Amini mit ihm in Kontakt gestanden und einen „Auftrag“ erhalten habe, sei falsch, so Mortezai. Die Sicherheitsbehörden hätten ihre Familienmitglieder im Iran gefoltert. Mittels gefälschter Konten habe man zudem über Instagram Morddrohungen an Angehörige gerichtet.

Experte: PKK-nahe Gruppen wollen Kapital aus Tod von Mahsa Amini schlagen

Gleichzeitig versucht auch die terroristische PKK die Proteste für ihre Zwecke auszunutzen. Dies erklärt Çağatay Balcı von der Nationalen Verteidigungsuniversität in Ankara gegenüber der „Agentur Anadolu“.

Die Proteste haben demnach zwar unabhängig von den bewaffneten Gruppen begonnen. Mit der PKK verbundene Gruppen versuchten jedoch schon bald, den Prozess zu steuern, insbesondere in den Städten mit kurdischer Mehrheit. Beteiligt seien vor allem die IKPD, die von der PKK gelenkte PJAK und die Komele-Gruppen.

Dass Mahsa Amini im iranisch-kurdischen Saqqez geboren wurde, helfe den militanten Gruppen, ihren Tod als Angriff auf die kurdische Identität im Iran zu präsentieren. Komele und PJAK sähen sich zudem selbst als Teil einer ideologischen Frauenbefreiungsbewegung neben der kurdischen Identität. Die internationale Wahrnehmung der Proteste als Frauenrechtsbewegung schaffe für die Selbstdarstellung der Militanten „auch ein günstiges Umfeld“.

(Mit Material von dpa)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion