Razzia in französischen Banken wegen Steuerhinterziehung durch Cum-Cum-Geschäfte

Französische Behörden durchsuchen mehrere Banken, darunter BNP Paribas und Société Générale, wegen des Verdachts auf Verschleierung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Cum-Geschäften. Auch deutsche Staatsanwälte unterstützen die Ermittlungen.
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Der Finanzdistrikt La Defense in Paris.Foto: Andreas Gebert/Archiv/dpa
Von 29. März 2023

Seit Dienstag durchsuchen knapp 200 Ermittlungsbeamte mehrere Banken im Pariser Finanzdistrikt La Defense. Darunter befinden sich auch große Banken wie BNP Paribas und Société Générale. Wie das „Handelsblatt“ schreibt, sollen die Fahnder auch bei der HSBC vorstellig geworden sein. Die multinationale Universalbank steuert ihr Geschäft für Kontinentaleuropa von Paris aus.

Deutsche Ermittler unterstützen ihre französischen Kollegen

Ebenfalls betroffen von den Durchsuchungsmaßnahmen sollen laut „Handelsblatt“ auch die Natixis, die Investmentbank der französischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken, sowie die Investmentbank Exane, eine Tochter der BNP Paribas sein.

Die Finanzstaatsanwaltschaft teilte am Dienstag mit, dass gegen die betroffenen Banken Vorermittlungen zur Verschleierung von Steuerhinterziehung laufen würde. Es soll weiter auch um Steuerbetrug im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Cum-Geschäften gehen. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt, sollen auch sechs Staatsanwälte aus Deutschland die Arbeit der Ermittler unterstützen.

Damit erreicht der Skandal um die massenhafte Hinterziehung von Dividendensteuern nun auch Frankreich. Bei Cum-Cum-Geschäften werden Wertpapiere im Besitz ausländischer Aktionäre über den Dividendenstichtag an Partner im Inland verliehen – etwa Banken. Diese lassen sich dann Kapitalertragssteuer erstatten, was die ausländischen Aktionäre nicht können.

Was sind Cum-Cum-Geschäfte?

Das französische Steuergesetz sieht vor, dass nur Franzosen sich vom Finanzamt die Kapitalertragssteuer erstatten lassen können, die sie auf Dividende zahlen müssen. Für ausländische Anleger gilt das nicht oder nur zum Teil.

Die fünf Verfahren, die nun zu den Razzien bei den Banken geführt haben, laufen nach Angaben der französischen Finanzstaatsanwaltschaft bereits seit Dezember 2021.

Durch die Cum-Cum-Geschäfte soll das französische Steuergesetz umgangen worden sein. Ausländische Besitzer verliehen daher ihre Wertpapiere kurz vor der Dividendenausschüttung an eine französische Bank.

Die Bank führte dann die Kapitalertragssteuer ab und ließ sie sich vom französischen Staat erstatten. Kurz nach dem Dividendenstichtag gab die Bank die Aktien wieder den ursprünglichen Besitzern zurück. Für die Beihilfe zur Umgehung der Steuergesetze erhielten die Banken dann eine Provision.

Finanzverwaltung weiß seit 2017 von diesen Geschäften

Laut französischen Medien hat die Finanzverwaltung bereits 2017 Kenntnis von den Cum-Cum-Praktiken erlangt. Nach einer jahrelangen Überprüfung wurden Ende 2021 die ersten Bescheide zur Steuernachzahlung verschickt, die im zweistelligen oder sogar dreistelligen Millionenbereich lagen. Die Finanzstaatsanwaltschaft wurde ebenfalls informiert und hat strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen.

Einige Banker haben die Praxis als eine Art Notwehr gerechtfertigt, da Frankreich ausländische Investoren nicht gegenüber Inländern benachteiligen dürfe. In diesen Kreisen wurden Cum-Cum-Geschäfte gerne als Arbitragehandel bezeichnet, also als Geschäft mit risikolosen Gewinnen. Der Ausdruck beschreibt den Kauf und Verkauf von Vermögenswerten auf verschiedenen Märkten, um aus Preisunterschieden zwischen diesen Märkten Profite zu erzielen.

Schaden in Deutschland sehr viel höher

Andere Brancheninsider haben Cum-Cum-Geschäfte seit jeher als groß angelegte Steuerhinterziehung zulasten des französischen Staates betrachtet. Allerdings war die Praxis auch in Deutschland viele Jahre lang beliebt und der Schaden soll hier sogar mehrfach höher liegen als in Frankreich. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen potenzieller Cum-Cum-Geschäfte in größerem Stil, etwa im Umfeld der SEB und der Dekabank, dem Wertpapierhaus der Sparkassen.

Die Lobbyorganisation Finanzwende hat den Schaden beziffert, den Cum-Cum-Geschäfte in Deutschland zwischen 2000 und 2020 angerichtet haben sollen. Die Organisation beruft sich dabei auf eine Schätzung von Christoph Spengel, einem Steuerprofessor an der Universität Mannheim. Demnach beläuft sich der Schaden auf 28,5 Milliarden Euro.

Finanzwende kritisiert die mangelnde Aufklärung und Verantwortungsbereitschaft der deutschen Behörden bei der Ahndung illegaler Geschäftspraktiken und fordert eine stärkere Bestrafung der betroffenen Banken. Aus diesem Grund hat die Initiative Ende 2022 eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Finanzwende-Chef Gerhard Schick sieht Cum-Cum-Geschäfte als den größten Steuerraub in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland an und hält die Untätigkeit des Staates in diesem Zusammenhang für eine unzulässige Beihilfe.

Schick hat sich seit Langem dem Kampf gegen Steuerhinterziehungsmodelle verschrieben und rief in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter für die Grünen einen Untersuchungsausschuss zu Cum-Ex-Geschäften ins Leben – einer Methode, die mit Cum-Cum-Geschäften verwandt ist. Er argumentiert, dass der Staat Banken benachteiligt, die sich an Recht und Gesetz halten, wenn er illegale Geschäfte anderer Banken nicht ahndet. Dies sei nicht mit den Vorgaben der Europäischen Kommission vereinbar.

Bisher nur ein geringer Teil der Schadenssumme zurückgefordert

Es ist Tatsache, dass die deutschen Steuerbehörden bislang nur einen geringen Teil der Schadenssumme durch Cum-Cum-Geschäfte zurückgefordert haben, obwohl bereits 2015 ein Urteil des Bundesfinanzhofs die Praktiken als illegal eingestuft hatte. Das Bundesfinanzministerium hat am 9. Juli 2021 ebenfalls klargestellt, dass die kurzfristige Ausleihe von Aktien eines ausländischen Geschäftspartners an einen deutschen Partner nicht den Übergang des „wirtschaftlichen Eigentums“ an den Wertpapieren bedeute und somit kein Anspruch auf Erstattung von Kapitalertragsteuern bestehe.

In dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums wurde das Wort „Gestaltungsmissbrauch“ hervorgehoben und festgestellt, dass Cum-Cum-Geschäfte zu einem „gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil“ führen, der den Kriterien entspricht, vor denen Steueranwälte ihre Kunden warnen.



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