Stahlindustrie mit Vier-Tage-Woche: Plan der IG Metall soll Arbeitsplätze sichern

Die IG Metall will die Einkommen um 8,5 Prozent erhöhen und dazu die Vier-Tage-Woche einführen. Mit der Arbeitszeitverkürzung wollen die Gewerkschafter den Verlust von Arbeitsplätzen auffangen.
Die IG Metall will den Druck in Berlin erhöhen.
IG Metall fordert: Mehr Geld und weniger Arbeit.Foto: Friso Gentsch/dpa
Von 8. September 2023

Am Mittwoch hat die Gewerkschaft eine Tarifforderung von 8,5 Prozent sowie eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 35 auf 32 Stunden mit vollem Lohnausgleich ausgesprochen. Diese Änderungen, besonders die Vier-Tage-Woche, bräuchten aber Zeit und könnten frühestens 2027 angegangen werden. Allein die Reduzierung auf 32 Stunden werde womöglich mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Unter anderem, um die Arbeitgeber bei der Umstellung der Dienst- und Schichtpläne nicht zu überfordern. Die IG Metall verspricht sich Arbeitsplatzsicherheit von der Vier-Tage-Woche.

Vier-Tage-Woche: Von langer Hand geplant

Widerspruch gegen diese Forderungen gibt es seitens der Arbeitgeber. Die Begründung für die Ablehnung der Metaller-Gewerkschaft: zusätzliche Verschärfung des Arbeits- und Fachkräftemangels, betrieblich nicht umsetzbar und zu hohe Kosten.

Momentan arbeiten über 80.000 Personen in der deutschen Stahlindustrie. Davon sind 69.000 in Stahlwerken, weitere 21.300 in der Stahlrohrproduktion beschäftigt. Für die Arbeitgeber steht fest: Eine Verkürzung der Arbeitszeit von 35 auf 32 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich führe zu einer Erhöhung der Stundenlöhne um 8,6 Prozent, monierte der Arbeitgeberverband Stahl. Hochgerechnet mit den geforderten Lohnerhöhungen um 8,5 Prozent ergebe dies insgesamt 17,1 Prozent. Dies überfordere nicht nur endgültig die Leistungsfähigkeit der deutschen Stahlindustrie, sondern gefährde sie existenziell.

 Transformation der ganzen Branche

Allein die Arbeitszeitverkürzung würde die Branche bald eine halbe Milliarde Euro kosten, kritisieren die Arbeitgeber und rechnen vor: Circa zehn Prozent der Arbeitsleistung gehe den Unternehmen verloren. Das heißt: Einem Unternehmen mit 3.000 Beschäftigten würde durch die Reduzierung der Arbeitszeit das Arbeitspotenzial von etwa 300 Mitarbeitern entgehen.

Die Wirtschaftsvereinigung Stahl ergänzt die Rechnung: Der zusätzliche Personalaufwand in dem Beispielunternehmen mit den 3.000 Angestellten würde circa 20 Millionen Euro pro Jahr ausmachen. Für die gesamte Stahlindustrie hochgerechnet lägen die Mehrkosten bei mehr als 400 Millionen Euro.

Die Branche leidet heute schon unter Fachkräftemangel, außerdem sind mehr als 30 Prozent der Stahlarbeiter älter als 55 Jahre und gehen damit innerhalb der nächsten zehn Jahre in Rente. Und genau für diesen Zeitraum ist eine Transformation der ganzen Branche anberaumt: Die Stahlherstellung soll auf Klimaneutralität umgestellt werden.

Wandel hin zu „klimaneutralem Stahl“

Allein durch die Transformation zur klimaneutralen Stahlherstellung könnten laut einer Studie des Wasserstoffverbandes allein im Segment Roheisenproduktion 17.000 Arbeitsplätze wegfallen. Die Gründe: Kokereien werden dann nicht mehr gebraucht und eine höhere Produktivität der modernisierten Hochöfen.

Aber auch die ganze Branche wird voraussichtlich schrumpfen: Die Wahrscheinlichkeit, dass in Deutschland zukünftig weniger Stahl produziert wird, gilt ob der sich ändernden Bedingungen als realistisch.

Um sich auf diese Transformation und die daran gekoppelten neuen Bedingungen einzustellen, will die IG Metall als größte Gewerkschaft Deutschlands die „Vier-Tage-Woche“ durchsetzen. Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall Nordrhein-Westfalen, sagte schon im Frühjahr der „WAZ“, dass dies auch eine Möglichkeit sei, „die im Zuge des grünen Umbaus der Stahlindustrie zu erwartenden Arbeitsplatzverluste zu verhindern“.

Arbeitgeber zweifeln Zahlungswilligkeit der Steuerzahler an

Der Arbeitgeberverband Stahl hingegen warnt, dass die Beschäftigten als Know-how-Träger unverzichtbar seien: „Viele Unternehmen benötigen während der Transformation zusätzliche, hoch qualifizierte Arbeitskräfte zum Einfahren der neuen Anlagen zur klimaneutralen Stahlproduktion.“ Das sei angesichts des gravierenden Fachkräftemangels in der gesamten Wirtschaft schon herausfordernd genug.

Der Wunsch nach mehr Freizeit und einer besseren Work-Life-Balance sei verständlich, positionieren sich die Arbeitgeber, passe aber nicht in die Zeit. „Eine Industrie, die sich gezwungenermaßen um öffentliche Hilfen bemüht und diese auch erhält, sollte nicht zur selben Zeit eine derartige Diskussion vom Zaun brechen“, warnen die Arbeitgeber. Das eröffne „Fehldeutungen und Missverständnissen geradezu Tür und Tor“. Und könnte am Ende die Zahlungsbereitschaft der Gemeinschaft der Steuerzahler gefährden.

Milliardensubventionen für die Industrie

Thyssenkrupp beispielsweise, Deutschlands größter Stahlhersteller, bekam von Bund und NRW eine Milliardenförderung, um in Duisburg künftig klimafreundlichen Stahl zu produzieren. Auch die EU-Kommission hatte die deutschen Milliarden-Beihilfen genehmigt. Die Kosten für die geplante Großanlage liegen bei gut zwei Milliarden Euro, die Inbetriebnahme ist für Ende 2026 geplant.

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen unterstützt das Projekt mit 700 Millionen Euro. Das ist die höchste Subvention, die Nordrhein-Westfalen jemals gezahlt hat. Von der Bundesregierung gibt es noch einmal mehr als das Doppelte obendrauf, um die Baukosten abzudecken und auch in den Anfangsjahren den Betrieb zu subventionieren.

Um die Vier-Tage-Woche gibt es bereits seit längerer Zeit Debatten, nicht nur in der Stahlindustrie. Grade wegen des branchenübergreifenden Personalmangels gibt es Warnungen, so auch von Michael Hüther, Chef vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Für ihn könnten Ideen wie die Vier-Tage-Woche „kaum utopischer sein“.

Deutschland drohe in den kommenden Jahren ein enormer Wohlstandsverlust und eine Überforderung des Rentensystems, wenn nicht zügig gegengesteuert werde: „Es bräuchte eine reguläre 42-Stunden-Woche, ähnlich wie in der Schweiz und in Schweden, um dem demografischen Wandel entgegenzutreten und die Lücken zu schließen.“



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