UN-Vollversammlung: 141 der 193 Mitgliedstaaten fordern den Abzug Russlands aus der Ukraine

Zum ersten Jahrestag des Ukraine-Krieges stimmt die UN-Vollversammlung über eine Resolution ab. Die Mehrheit fordert den Abzug Russlands aus der Ukraine.
Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja (rechts) behauptet vor der UN: Ein «mächtiger Feind» wolle sein Land unterwerfen.
Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja (rechts) behauptet vor der UN: Ein „mächtiger Feind“ wolle sein Land unterwerfen.Foto: Mary Altaffer/AP/dpa
Von 24. Februar 2023

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Ein Jahr nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs hat die UN-Vollversammlung erneut mit großer Mehrheit einen Rückzug der russischen Truppen gefordert. 141 der 193 Mitgliedstaaten des größten Gremiums der Vereinten Nationen stimmten in New York für eine entsprechende Resolution.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zeichnete bereits am Mittwoch sein Land als Opfer eines „Völkermordes“. Demgegenüber wirft der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja dem Westen vor, sein Land „zerstückeln und zerstören“ zu wollen.

Baerbock unterstützt Resolutionsentwurf der Ukraine

UN-Generalsekretär António Guterres warnte unterdessen vor einer Ausweitung des Konflikts und dem Einsatz von Atomwaffen. UN-Chef Guterres zog nach zwölf Monaten Krieg eine pessimistische Bilanz:

Im vergangenen Jahr haben wir nicht nur Leid und Verwüstung wachsen sehen, es wird auch immer deutlicher, wie viel schlimmer alles noch werden könnte.“

Die möglichen Folgen einer Konfliktspirale seien eine klare und gegenwärtige Gefahr:

Inzwischen haben wir implizite Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen gehört. Der sogenannte taktische Einsatz von Atomwaffen ist absolut inakzeptabel.“

Deutsche Außenministerin Baerbock sprach auf Bitten der Ukraine als letzte reguläre Rednerin vor Abstimmung über eine Resolution – das Votum wird auch als globaler Stimmungstest zu Russlands Angriffskrieg im Nachbarland gesehen.

Der Plan für einen Frieden sei in der UN-Charta angelegt, sagte Baerbock weiter: „Jeder Einzelne von uns hier hat heute die Gelegenheit, zu diesem Friedensplan beizutragen. Indem Sie dem Aggressor sagen, dass er aufhören muss.“ Aus der Abstimmung über die von der Ukraine vorgelegte Resolution müsse deutlich werden, „dass es kein Frieden ist – wenn ein Aggressor seinem Opfer sagt, dass es einfach aufgeben soll“. Und dass es kein Frieden sei, wenn ein Aggressor für seine „rücksichtslose Gewalt“ belohnt werde.

Kuleba selbst brachte die Resolution ein, die von mehr als 50 Staaten unterstützt wurde, unter anderem auch von Deutschland. In ihr wird Frieden in der Ukraine und ein Abzug der russischen Truppen aus dem Land gefordert. Die Ukraine und ihre Unterstützer werben für eine möglichst breite Zustimmung zu der Resolution in der Vollversammlung.

Nebensja: Dem Westen geht es um eine Unterwerfung

Russlands Vertreter Nebensja zog unterdessen Vergleiche zum deutschen Angriffskrieg auf die Sowjetunion im Jahr 1941 und wittert Revanchismus aufseiten der Europäer:

Dies ist ein Krieg, der, wie es auch vor 80 Jahren der Fall war, einen verräterischen und mächtigen Feind involviert, der unser Land übernehmen und uns unterwerfen will.“

Die Bewaffnung der Ukraine, die der Westen seit dem irregulären Machtwechsel von 2014 zum Anti-Russland aufgebaut habe, diene einem imperialistischen Ziel. „Die deutschen Panzer werden wieder einmal Russen töten“, sagte Nebensja.

Kriegsverbrechen der Ukraine sollen nicht untersucht werden

Zweifel daran, dass es dem Westen nur um die „territoriale Integrität der Ukraine“ gehe, nährt bereits der Inhalt der Resolution. Ein Beispiel dafür sind Forderungen wie jene, dass ein „Kriegsverbrechertribunal“ stattfinden solle, das ausschließlich Vorwürfe gegen die russische Seite untersuchen würde.

Kampfhandlungen finden in der Ukraine jedoch schon seit 2014 statt. Nach der irregulären Absetzung des gewählten Präsidenten Wiktor Janukowytsch formierte sich im Osten des Landes Widerstand gegen die neuen Machthaber. Dass es zu deren ersten Amtshandlungen zählte, die Rechte der ethnischen Russen auf ihre Kultur und Sprache zu beschneiden, goss zusätzlich Öl ins Feuer. Prorussischen Milizen gelang es, über Teile des Gebiets die Kontrolle herzustellen.

Die von radikalen Nationalisten mitgetragene prowestliche Übergangsregierung versuchte mit militärischen Mitteln, den Widerstand im Donbass zu brechen. Bei den Kampfhandlungen starben mehr als 10.000 Menschen. Neben den prorussischen Milizen werden auch ukrainische Militärs und oft neonazistisch ausgerichtete „Freiwilligenbataillone“ der Begehung von Kriegsverbrechen beschuldigt.

Chef des Sicherheitsrats spricht von Eroberung Moskaus

Von deren Ahndung ist in der Resolution nicht die Rede. Auch deshalb wäre weder damit zu rechnen, dass die Vetomacht Russland einem solchen Tribunal zustimmen wird, noch würde der Kreml Beschuldigte ausliefern. Die Durchführung solcher Prozesse würde demnach entweder einen Regimewechsel oder eine militärische Besetzung der Russischen Föderation voraussetzen.

Dass es der Führung in der Ukraine und ihren westlichen Verbündeten um solche gehen könnte, deuten Äußerungen aus erster Hand an. Am Montag äußerte der Chef des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates in Kiew, Oleksiy Danilov:

Wir parken unsere Panzer auf dem Roten Platz in Moskau, und das wird Gerechtigkeit sein.“

Wirbel um angebliche Aussage estnischer Ministerpräsidentin

Auf Twitter legte ein Nutzer der estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas zudem angebliche Äußerungen auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) in den Mund. Demnach soll sie gesagt haben, die NATO müsse „die Kontrolle über Moskau übernehmen und die Mentalität der russischen Bürger umschreiben, sodass Russen nie wieder eine Gefahr darstellen“.

Dokumentiert ist eine solche Aussage unterdessen nicht. Kallas soll geäußert haben:

Wir müssen den endlosen Kreislauf der russischen Eroberungskriege stoppen und ein klares Signal senden, dass niemand in der russischen Führung unantastbar ist. Wenn uns dies nicht gelingt, wird sich niemand mehr sicher fühlen können – ungestraft gebliebene Verbrechen werden neue Gräueltaten fördern.“

Auch wenn die auf Twitter die Runde machende Äußerung so nicht gefallen sein dürfte: Ohne russische Zustimmung ist dennoch nicht damit zu rechnen, dass sich politische oder militärische Verantwortliche ausländischen Tribunalen stellen.

Millionen Ukrainer nach Russland geflohen – Kiew spricht von „Völkermord“

Unabhängig davon sieht der in der Resolution genannte „Friedensplan“ des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nicht nur den Abzug russischer Truppen aus dem Donbass vor. Die Ukraine beansprucht zudem auch die Rückkehr ihrer Hoheitsgewalt über die bereits 2014 in den russischen Staatsverband aufgenommene Krim.

Garantien für die Unversehrtheit und die Wahrung der Rechte ethnisch russischer Bewohner der umstrittenen Gebiete sieht der Plan nicht vor. Kuleba warf in seiner Rede Russland vor, ukrainische Kinder zu „verschleppen“.

Moskau spricht hingegen von einer Schutzmaßnahme, um Kinder aus dem mehrheitlich von Angehörigen der russischen Volksgruppe bewohnten Donbass zu evakuieren. Dessen Städte wurden wiederholt von ukrainischen Kräften beschossen. Allein seit Beginn der Kampfhandlungen im Februar 2022 sind knapp 2,9 Millionen ukrainische Staatsangehörige vor dem Krieg nach Russland geflohen. Bereits 2015 hatten 2,6 Millionen Ukrainer in Russland gelebt. Von diesen war mindestens eine Million seit Ausbruch des Bürgerkrieges eingewandert.

(Mit Material von dpa)



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