Warum Großbritanniens Premier sich gegen Londoner Umweltzone stellt

Als Bürgermeister von London machte Boris Johnson die Innenstadt zur Umweltzone. Sein Nachfolger weitet die Zone nun aus. Doch es regt sich Widerstand.
«Ich stehe an der Seite der Autofahrer», betont der britische Regierungschef Rishi Sunak.
„Ich stehe an der Seite der Autofahrer“, betont der britische Regierungschef Rishi Sunak.Foto: Aaron Chown/PA Wire/dpa
Epoch Times27. August 2023

Zu seinen Terminen lässt sich der britische Premierminister Rishi Sunak gerne mit dem Hubschrauber fliegen, doch nun entdeckt er seine Liebe zum Automobil. „Ich stehe an der Seite der Autofahrer“, betonte der Regierungschef und kündigte an, eine Reihe von Beschränkungen zu überprüfen. Freie Fahrt für freie Bürger statt Erfolg von Klimazielen – Sunak setze falsche Prioritäten, kritisieren Umweltschützer. Der Konservative wolle lediglich billig punkten, heißt es.

Sunaks Tories liegen in Umfragen weit hinter der Oppositionspartei Labour und nächstes Jahr soll gewählt werden. Doch jetzt hofft der Premier, dass die Umweltzone den Trend stoppt. Die Ultra Low Emission Zone (ULEZ) in London, in der nur Fahrzeuge mit niedrigem Schadstoffausstoß unterwegs sein dürfen, war einst vom konservativen Bürgermeister Boris Johnson für das Londoner Stadtzentrum ins Leben gerufen worden. Ziel: bessere Luft für die Bewohner der britischen Hauptstadt und die zahlreichen Touristen. Inzwischen lässt Johnsons Nachfolger Sadiq Khan die Umweltzone massiv ausdehnen, ab dem  29. August gilt sie im gesamten Stadtgebiet.

Viele Autofahrer lehnen die Umweltzone ab

Doch viele Autofahrer lehnen das Vorhaben vehement ab; und hier kommen Sunaks Tories ins Spiel. Als vor kurzem im Wahlkreis Uxbridge and South Ruislip ein Nachfolger für den zurückgetretenen Boris Johnson gewählt wurde, gewann – völlig gegen den Trend – der Tory-Kandidat. Er hatte seinen Wahlkampf ausschließlich gegen die Ausdehnung der Umweltzone ausgerichtet. Sein Erfolg dient Sunak als Vorbild für die Wahl im nächsten Jahr. Denn der Londoner Bürgermeister Khan gehört zur Labour-Partei und ist längst zur Zielscheibe der Regierung geworden.

Sunak zeigt sich nun demonstrativ an der Seite der 30 Millionen Autofahrer in Großbritannien. „Die gewaltige Mehrheit der Menschen im Land nutzt ihre Autos, um herumzukommen und ist von ihren Autos abhängig“, betonte er nach der Uxbridge-Wahl. Dass ländlich geprägte Gegenden wie Sunaks Wahlkreis mit der Weltstadt London nicht zu vergleichen sind und dass auch die Städte Birmingham oder Bath eine Umweltzone haben, spielt keine Rolle.

Emissionsstandards gelten auch für Touristen

Um kostenlos in der Umweltzone zu fahren, müssen Autos bestimmte Emissionsstandards erfüllen. Bei Benzinern ist der Euro-4-Standard den Londoner Behörden zufolge normalerweise ab einer Erstzulassung ab 2005 erfüllt, bei Diesel-Fahrzeugen die Euro-6-Norm meist ab September 2015. Für Fahrzeuge mit höherem Schadstoffausstoß wird eine tägliche Gebühr von 12,50 Pfund (gut 14,50 Euro) fällig. Wer nicht zahlt, muss mit 180 Pfund (etwa 210 Euro) Strafe rechnen, oder 90 Pfund, wenn innerhalb von zwei Wochen gezahlt wird. Anfangs würden aber eher Warnungen verteilt als Strafen, heißt es aus dem Londoner Rathaus. Auch Touristen müssen aufpassen: Selbst wenn ihre Fahrzeuge umwelttauglich sind, müssen sie sich vorher online anmelden.

Bürgermeister Khan schieße mit Kanonen auf Spatzen, kritisiert der für die Stadt London zuständige Staatssekretär Paul Scully. Firmen, Wohltätigkeitsorganisationen und Menschen mit niedrigen Einkommen würden benachteiligt. Nach Berechnungen des Autodienstleisters RAC sind 690.000 Fahrzeuge in London betroffen, Pendler oder Besucher von außerhalb der Stadtgrenzen nicht einberechnet. Zwar stellt die Stadt finanzielle Unterstützung für Umrüstungen oder Neukäufe bereit. Für viele Menschen wird das aber kaum reichen.

„Run“ auf vor 1983 gebaute Fahrzeuge

Manche reagieren radikal. In den vergangenen Monaten wurden fast 300 der 2.750 neu aufgestellten Kameras beschädigt oder gestohlen, wie die Polizei mitteilte. Benachbarte, konservativ geführte Gemeinden wollen auf ihrem eigenen Gebiet keine Hinweisschilder für ULEZ aufstellen. Hingegen profitieren Oldtimer-Verkäufer: Weil vor 1983 gebaute Fahrzeuge von den Regeln ausgenommen sind, haben Autoexperten einen wahren „Run“ ausgemacht.

Finanziell lohnt sich die Umweltzone durchaus. Zwischen Oktober 2021 und April 2023 brachte sie 320 Millionen Pfund ein. Konservative kritisieren, mit der Ausdehnung wolle der Bürgermeister vor allem seinen Haushalt ausgleichen. Das weist Khan zurück, eine kurzfristige Kehrtwende hat er wiederholt ausgeschlossen. Vielmehr betont Khan stets, bei 90 Prozent der Fahrzeuge gebe es gar keine Probleme. Und schließlich könnten „Millionen Londoner mehr klare Luft atmen“. Seine Partei aber äußert sich lieber gar nicht mehr zum Thema. (dpa/red)



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