Berlinwahl: Das sind die Eckpunkte aus den Sondierungsgesprächen

Seit vorgestern steht fest, dass CDU und SPD in Berlin Koalitionsverhandlungen führen werden. In einem Papier hat die SPD-Sondierungsgruppe zusammengefasst, welche Eckpunkte zusammen angegangen werden sollen. Im Papier wird auch deutlich, warum eine Koalition aus Grünen und Linke für die SPD keine Option mehr gewesen ist.
CDU-Landesvorsitzender Kai Wegner (l) und Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey kommen zu Sondierungsgesprächen zusammen.
Der Berliner CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner (l.) und die amtierende Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey wollen in der kommenden Woche die Koalitionsgespräche beginnen (Archivbild).Foto: Annette Riedl/dpa
Von 4. März 2023

Seit Donnerstagabend steht fest, dass die CDU in Berlin mit der SPD Koalitionsverhandlungen aufnehmen wird. Der CDU-Landesvorstand sprach sich zuvor für die Bildung eines schwarz-roten Bündnisses aus. Die Entscheidung fiel einstimmig, teilte die CDU-Berlin auf Twitter mit. Die SPD hatte sich schon am Mittwoch für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ausgesprochen. In den Sondierungen hatten sich beide Parteien auf Eckpunkte geeinigt.

Werden große Wohnungsgesellschaften enteignet?

Ein großer Streitpunkt der bisherigen Regierung in Berlin war die Umsetzung des Volksentscheids zur Enteignung großer Immobilienunternehmen. Die bisherige Regierende Bürgermeisterin, Franziska Giffey (SPD), hatte einer Enteignung großer Wohnungsunternehmen schon im Wahlkampf eine Absage erteilt. Die Linkspartei, Giffeys bisheriger Koalitionspartner, hatte sich dagegen immer wieder für die Enteignung starkgemacht. Auch der grüne Koalitionspartner gehörte zu den Befürwortern von Enteignungen und hatte sich im Wahlkampf immer wieder klar dazu bekannt.

Auch die nun vermutlich neuen Koalitionäre CDU und SPD können den Volksentscheid nicht einfach ignorieren. Jeder Senat ist daran gebunden. So schreibt der „Tagesspiegel“, dass sich beide Parteien in den Sondierungen geeinigt hätten, dass ein sogenanntes „Vergesellschaftungsrahmengesetz“ erarbeitet werden soll, wenn die Expertenkommission zum Ergebnis kommt, dass Vergesellschaftungen möglich sind. Die Zeitung beruft sich hier auf einen Bericht der Sondierungsgruppe um die Landeschefs Franziska Giffey und Raed Saleh, der dem „Tagesspiegel“ vorliegen soll.

Das kommt nicht überall gut an. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Lars F. Lindemann, der auch Generalsekretär seiner Partei ist, schreibt auf Twitter:

Ausgerechnet die CDU treibt das Thema Enteignungen – bevor eine Regierung steht – voran. Aber für ein paar Senatssessel wird auch mal schnell der Tabubruch für Massenenteignungen beschlossen. Das wird den Menschen in Berlin teuer zu stehen kommen.“

Ins gleiche Horn stößt auch sein Fraktionskollege Frank Schäffler auf Twitter:

Die Berliner CDU geht den Weg in den Sozialismus. Mit der SPD soll mit einem ‚Vergesellschaftungsrahmengesetz‘ die Enteignung privaten Eigentums vorbereitet werden. Ludwig Erhard dreht sich im Grabe um.“

Ebenfalls auf Twitter meldet sich auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zu Wort:

Das erste, worauf sich CDU und SPD in Berlin laut Presseberichten geeinigt haben sollen, ist ein Vergesellschaftungsrahmengesetz. Enteignungen sollen also leichter werden. Wenn es stimmt, betrachte ich das im Hinblick auf den Schutz des Eigentums im Grundgesetz mit großer Sorge.“

Ob am Ende beide Parteien die Enteignung von großen Wohnungsbaugesellschaften tatsächlich anstrengen, ist unklar. Die in den Eckpunkten gewählte Formulierung ist offen gewählt. Nicht ausgeschlossen, dass letztlich kein Vergesellschaftungsgesetz erarbeitet wird. Auch wenn im Moment nur darüber spekuliert werden kann, weil sowohl die amtierende Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey als auch der CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner Enteignungen bisher ausgeschlossen hatten. Daher interpretieren Beobachter, dass die im Papier gewählte Formulierung dem Willen des erfolgreichen Volksentscheides Rechnung tragen soll.

29-Euro-Ticket soll Bestand haben

Weiter haben sich CDU und SPD im Ergebnispapier ihrer Sondierung für die Fortführung des 29-Euro-Tickets ausgesprochen. Der bisherige Koalitionspartner der Grünen hatte sich bisher immer dafür ausgesprochen, dass dieses Ticket nur bis zur Einführung des Deutschland-Tickets im Mai gilt. Diese Position sollen die Grünen laut „Tagesspiegel“ auch in den Sondierungen vertreten haben. CDU und SPD scheinen hier einen anderen Weg gehen zu wollen.

Die Umsetzung der Verkehrswende habe „Priorität“, heißt es in den Eckpunkten von CDU und SPD. Es solle aber „stärker als bislang der Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Bedürfnissen der Verkehrsteilnehmer“ gesucht werden.

Die bisherige Regierungskoalition aus SPD, Grüne und Linke hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag vor anderthalb Jahren auf den Bau von jährlich 20.000 Wohnungen geeinigt. An diesem Ziel möchten auch CDU und SPD festhalten. Außerdem möchte man bis 2026 eine umfassende Verwaltungsreform angehen, inklusive Verfassungsänderungen.

Bessere Ausstattung für Polizei und Rettungsdienst

„Sicherheit und Sauberkeit“ sollen in Zukunft zusammen gedacht werden: So soll die Ausstattung von Polizei und Rettungsdienst verbessert werden und die Bezirke mehr Personal bekommen.

Beim Thema Landesdiskriminierungsgesetz und Landesmindestlohn ist die CDU der SPD entgegengekommen. Hatten die Christdemokraten im Wahlkampf noch die Abschaffung gefordert, soll beides nun erhalten bleiben.

Rot-rot-grün war kein belastbares Projekt mehr

Dass dem „Tagesspiegel“ vorliegende Sondierungspapier der SPD gibt auch einen Einblick in die Beweggründe der Partei, sich von der aktuellen rot-rot-grünen Koalition zu verabschieden. Stellenweise wirkt das Papier wie eine Abrechnung. Die jetzt regierende Koalition, so die SPD, sei kein „dauerhaftes und belastbares Projekt“ mehr, das bis 2026 tragfähig sei. Vor allem die Grünen hätten sich, so die SPD, überwiegend mit Eigeninteressen hervorgetan. Damit hätten sie Ziele relativieren wollen, auf die sich die noch regierende Koalition im Vertrag verständigt habe. Das SPD-Papier führt als Beispiel den Wohnungsbau, die Lehrkräfteförderung oder das 29-Euro-Ticket auf.

Ein weiterer Hinderungsgrund, mit den bisherigen Partnern weiterzumachen, scheint auch die „stark angespannte parteiinterne Situation bei der Linken“ gewesen zu sein. Im Papier heißt es dazu:

Auf Landesebene bestehen erhebliche Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit verabredeter Positionen in der Breite der Partei.“

Bei der CDU sei man dagegen schnell zu dem Ergebnis gekommen, dass sich „zentrale inhaltliche Positionen der SPD bei der Kompromissfindung widerspiegeln“, schreibt die Verhandlungsgruppe.

Koalitionsverhandlungen beginnen in der nächsten Woche

Nachdem nun beide Landesvorstände der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zugestimmt haben, soll es in der kommenden Woche losgehen. Wie „ZDF heute“  berichtet, sollen am Montag, 6. März, die Arbeitsgruppen für die Verhandlungen eingesetzt werden. In den Tagen danach soll die „Dachgruppe“ mit Spitzenvertretern der Parteien zusammenkommen. Dann soll ein gemeinsamer Fahrplan erarbeitet werden.

Sicher ist schon jetzt, dass die amtierende Regierungschefin Giffey bei einem Zustandekommen des Bündnisses ihren Sessel für Kai Wegner räumen muss. Sie erklärte allerdings schon ihre Bereitschaft, in der neuen Landesregierung als Senatorin zu arbeiten.

Empörung bei Linkspartei und Grüne

Giffeys bisherige Koalitionspartner Grüne und Linke sind von der SPD-Entscheidung vom Mittwoch enttäuscht und haben sich empört gezeigt. Die Linken-Landesvorsitzende Katina Schubert äußerte sich in einem Interview der Tageszeitung taz dazu:

Sowohl der Stil, wie es bekannt wurde, als auch die Begründung, mit der das erfolgt, ist mir in keinster Weise nachvollziehbar.“

Und Schubert weiter: „Wenn die SPD jetzt sagt, sie ist näher der CDU, dann ist das auch eine Aussage. Aber die Begründung, die sie jetzt anführt, warum es mit uns und mit den Grünen angeblich nicht ging, ist hanebüchen.“ Besonders ärgert sich die Linke-Landeschefin darüber, dass ihrer Partei seitens der SPD die Zuverlässigkeit abgesprochen wurde: „Dass sie angeblich an unserer Zuverlässigkeit zweifeln, ist einfach unverschämt – und sie wissen auch, dass das nicht stimmt.“

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Silke Gebel sagte im Fernsehsender „Phoenix“:

Wenn man sechs Jahre gut zusammenarbeitet, ist es doch sehr seltsam, überraschend und ein ganz klarer Vertrauensbruch, wenn man dann von einem Koalitionspartner aus der Zeitung erfährt, dass er sich für jemand anderen entschieden hat.“

Natürlich sei es das gute Recht der SPD, einen anderen politischen Weg einzuschlagen, „es gebietet doch der Anstand, dass man dann das persönliche Gespräch sucht“.

Die bisherige Regierungschefin Giffey strebt nun eine gleichberechtigte Partnerschaft in einer möglichen Koalition mit der CDU an. „Wenn man eine Landesregierung mit zwei Partnern führt, ist es wichtig, dass man es schafft, auf Augenhöhe miteinander zu arbeiten“, sagte Giffey am Donnerstag dem „Tagesspiegel“. Die Signale seien so.



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