Deutliche Mehrheit gegen Taurus-Lieferung an die Ukraine – Grünen- und FDP-Wähler dafür

Die Begeisterung für Taurus-Lieferungen an die Ukraine geht unter den Deutschen weiter zurück: 61 Prozent sind inzwischen dagegen. Nur unter den Wählern der Grünen und der FDP ist eine Mehrheit dafür. Rund zwei Drittel aller Befragten machen sich wegen des Ukraine-Kriegs große Sorgen.
Die Bundeswehr-Aufnahme zeigt einen Marschflugkörper Taurus bei einer Übung. Die Ukraine bittet um die Waffe, Deutschland will sie aber nicht an Kiew kiefern.
Die Bundeswehraufnahme zeigt einen Marschflugkörper des Typs Taurus bei einer Übung. Eine 61-prozentige Mehrheit der Deutschen ist gegen eine Auslieferung dieser Langstreckenwaffe an Kiew.Foto: Bundeswehr/dpa
Von 9. März 2024

In ihren frühen Jahren waren die Grünen noch Pazifisten. Die Slogans „Frieden schaffen ohne Waffen“ und „Nie wieder Krieg“ gehörten neben „Atomkraft? Nein danke“ zu den wichtigsten Kurzbotschaften, mit denen die noch neue Ökopartei in den Achtzigerjahren die Sympathien zumeist junger Leute für sich erobern konnte. Der Atomkraft erteilen sie zumindest für Deutschland noch immer eine Absage, doch zum Thema Krieg hat sich die Meinung der Grünen-Anhänger mehrheitlich in ihr Gegenteil verkehrt.

Nach Daten des aktuellen „DeutschlandTrends“, der im Auftrag der ARD-„tagesthemen“ durchgeführt wurde, sind neben den Wählern der FDP primär Grünen-Anhänger mehrheitlich der Meinung, dass die Bundesregierung Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern sollte. Der Anteil bei ihnen ist mit 53 Prozent pro Taurus-Lieferung drei Prozentpunkte höher als bei den FDP-Wählern.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der Chef der Ampel, lehnt den Schritt aber ab – offiziell, um Deutschland nicht zur Kriegspartei werden zu lassen.

Gut doppelt so viele Deutsche gegen Taurus-Lieferung wie dafür

Auch die Mehrheit der von infratest dimap für den ARD-„DeutschlandTrend“ befragten Wahlberechtigten will keine deutschen Taurus-Marschflugkörper unter der Verfügungsgewalt des ukrainischen Militärs sehen: 61 Prozent aller 1.288 Befragten der repräsentativen Märzumfrage (Download PDF-Datei) stimmte dagegen. Mit Stand 6. März 2024 waren nur 29 Prozent der gegenteiligen Ansicht. Zum Vergleich: Im August 2023 hätten sich nur 52 Prozent aller Wahlbürger gegen Taurus-Lieferungen ausgesprochen. 36 Prozent hätten damals grünes Licht dafür gegeben.

Grafik: Umfrage zur Frage der Taurus-Lieferungen in die Ukraine vom März 2024. Foto: Bildschirmfoto/ARD-DeutschlandTrend/infratest dimap

Foto: Bildschirmfoto/ARD-DeutschlandTrend/infratest dimap (PDF)

Kaum überraschend folgen an dritter Stelle der Taurus-Verfechter die Wähler der Union. Doch auch sie wollen nur zu einer Minderheit (39 Prozent) ein „Dafür“. Eine knappe 52-Prozent-Mehrheit der CDU/CSU-Anhänger lehnt das ab.

Die Wähler der Kanzlerpartei SPD sind zu 29 Prozent dafür, zu 58 Prozent dagegen. Unter den Anhängern der erklärten Kriegsgegner von AfD (11 Prozent pro Taurus-Lieferung, 84 Prozent dagegen) und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) (9 Prozent pro, 85 Prozent kontra) sprach sich jeweils eine satte Mehrheit gegen den Taurus für die Ukraine aus.

Gegenüber dem Vorjahresmärz scheint auch das Vertrauen in die Ukraine gelitten zu haben: Lediglich 37 Prozent (minus 10 Punkte) aller Befragten sind noch der Meinung, man könne der Ukraine vertrauen. 48 Prozent glauben das nicht.

Klare Mehrheit möchte mehr Geld fürs Militär

Einen leichten Anstieg der Ja-Stimmen gab es gegenüber einer Erhebung vom März 2022, bei der es um die Erhöhung des deutschen Verteidigungsetats ging. Konkret gefragt wurde, ob Deutschland „dauerhaft pro Jahr mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung und die Bundeswehr ausgeben“ sollte. Kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine waren 69 Prozent dafür, heute sind es sogar 74 Prozent. Mehr Geld für die Bundeswehr hält nahezu konstant jeder fünfte Bürger (2024: 20 Prozent / 2022: 19 Prozent) für falsch.

Ungeachtet der Parteivorliebe sind überall Mehrheiten für eine Aufstockung des Wehrbudgets zu finden. Bei den potenziellen Wählern des BSW ist die Mehrheit mit 49 zu 48 Prozent allerdings nur knapp. Doch selbst unter den AfD-Anhängern wären 68 Prozent dafür. Noch dringenderen Bedarf sehen die Wähler der Grünen (81 Prozent), der SPD (84), der Union (90) und der FDP (91).

Grafik: Umfrage vom März 2024 zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Foto: Bildschirmfoto/ARD-DeutschlandTrend/infratest dimap

Foto: Bildschirmfoto/ARD-DeutschlandTrend/infratest dimap (PDF)

Ein Fünftel der Grünen wäre zu höheren Steuern und Abgaben bereit

Doch woher soll das Geld dafür kommen? Höhere Steuern und Abgaben würden insgesamt nur 9 Prozent favorisieren. Dass man dafür die Schuldenbremse aussetzen und neue Darlehen aufnehmen sollte, meint jeder Dritte (34 Prozent). 43 Prozent gaben an, dass man am besten in anderen Bereichen sparen sollte, um die Armee mit mehr Geld auszustatten. Unter den FDP-Anhängern würden sogar 61 Prozent einen entsprechenden Sparkurs begrüßen, unter den AfD-Anhängern 54 Prozent. Dagegen sehen 54 Prozent der SPD-Wähler und 45 Prozent der Grünen-Wähler das Aus für die Schuldenbremse als den besten Weg.

Die Grünen-Wähler wären sogar zu 20 Prozent bereit, höhere Steuern und Abgaben fürs Militär zu bezahlen – das sind mindestens doppelt so viele wie bei jeder anderen Parteipräferenz.

Mehr Angst vor russischer Einflussnahme als vor Angriff

Rund zwei Drittel aller Befragten macht sich wegen des Ukraine-Kriegs große oder sehr große Sorgen. Dass Deutschland direkt in den Krieg hineingezogen werden könnte, befürchten 62 Prozent – ein mäßiges Plus von 3 Punkten im Vergleich zum Februar 2023. Dass Russland weitere Länder in Europa angreifen könnte, davor haben 64 Prozent (plus 4 Punkte) Angst.

Noch etwas mehr bange ist den Menschen aber davor, dass Deutschland nicht genügend auf russische Spionage vorbereitet sei (67 Prozent) oder „häufiger Ziel von geheimdienstlicher russischer Einflussnahme“ werden könnte (70 Prozent).

Baerbock legt sich nicht fest

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wollte sich nach Informationen von n-tv am Donnerstag nicht eindeutig zur Taurus-Frage äußern: Bei einem Treffen mit dem britischen Außenminister David Cameron in Berlin sagte Baerbock, die Bundesregierung frage sich jeden Tag aufs Neue, „was wir noch tun können, um die Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen die russische Aggression zu unterstützen“. Das betreffe auch „weitreichende Waffensysteme“. Unter diesen Begriff falle jedoch eine „Vielzahl von Waffen“, habe Baerbock schnell klargestellt.

Cameron dagegen habe offensiv für die Taurus-Lieferung geworben, zumal Großbritannien selbst bereits „Storm Shadow“-Marschflugkörper geliefert habe. Sorgen vor einer russischen Reaktion brauche man sich nicht zu machen, habe Cameron zum Ausdruck gebracht: „Solange wir uns nicht in einer Situation befinden, in der ein NATO-Soldat einen russischen Soldaten tötet, sorgen wir nicht für eine Eskalation, sondern erlauben der Ukraine, sich selbst zu verteidigen“, so Cameron laut n-tv.

Erneute Abstimmung am Donnerstag

Einem Artikel von „t-online“ zufolge will die Union das Thema Taurus am Donnerstag, 14. März, im Bundestag erneut aufs Tapet bringen. Dieses Mal könnte neben Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, auch ihr Parteivize Wolfgang Kubicki den Fraktionszwang durchbrechen und mit der CDU/CSU-Opposition für eine Lieferung stimmen. Womöglich sogar noch mehr: Kubicki hatte im „Münchner Merkur“ gesagt, er wisse von mindestens zwölf weiteren „Kolleginnen und Kollegen“, die sich bislang bloß wegen der „Koalitionsdisziplin“ zurückgehalten hätten.

Der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert geht aber offenbar nicht davon aus, dass der nächste Unionsantrag mehr Zustimmung als zuletzt aus den Reihen der Ampelfraktionen ernten werde. Immerhin existiere ja ein Koalitionsvertrag, so Kühnert in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ am 7. März. Darin sei „klar geregelt […], dass sich die Koalitionspartner gemeinsam auf politische Inhalte verständigen und nicht Oppositionsanträgen zustimmen, auch wenn Frau Strack-Zimmermann das anders gesehen hat in der letzten Woche“.

Pistorius baut Beliebtheitswert aus

Unter den Top Ten der beliebtesten Spitzenpolitiker konnte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) seinen Vorsprung um fünf Prozentpunkte auf nun 55 Prozent ausbauen. Nur 28 Prozent sind mit ihm weniger oder gar nicht zufrieden.

Bei allen anderen überwiegt jeweils die Unzufriedenheit im Wählerurteil. Am klarsten zeigt sich das bei Olaf Scholz: Der SPD-Kanzler bleibt mit 76 Prozent Unzufriedenheit der unbeliebteste Politiker. Nur 21 Prozent (plus 1) gaben an, zumindest zufrieden mit seiner Leistung zu sein.

Grafik: Die Top Ten der beliebtesten Spitzenpolitiker im März 2024. Foto: Bildschirmfoto/ARD-DeutschlandTrend/infratest dimap

Foto: Bildschirmfoto/ARD-DeutschlandTrend/infratest dimap (PDF)

In der Gesamtschau reicht es trotz 60 Prozent Unzufriedenheit für Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne, Zufriedenheitswert 35 Prozent) zum zweiten Platz hinter Pistorius. Auf sie folgen Friedrich Merz (CDU, 28), Robert Habeck (Grüne, 25), Christian Lindner (FDP, 22), Scholz, Verkehrsminister Volker Wissing (FDP, 15), AfD-Co-Chef Tino Chrupalla (12) und Linken-Vorsitzende Janine Wissler (8).

Die Sonntagsfrage

Wenn am kommenden Sonntag ein neuer Bundestag gewählt würde, blieben CDU und CSU mit 29 Prozent trotz eines leichten Ein-Prozentpunkt-Verlustes die stärkste Kraft. Die AfD rangiert mit konstanten 19 Prozent im Vergleich zum Februar 2024 an zweiter Stelle. Auch die SPD (16 Prozent) und die Grünen (14 Prozent) bleiben stabil.

Das BSW würde es mit 6 Prozent (plus 1) in den Bundestag schaffen, die FDP (5 Prozent, plus 1) müsste weiter zittern. Für die Linken (3 Prozent konstant) wären keine Sitze mehr im Plenarsaal reserviert.

Grafik: Umfrage vom März 2024 zur Sonntagsfrage. Foto: Bildschirmfoto/ARD-DeutschlandTrend/infratest dimap

Foto: Bildschirmfoto/ARD-DeutschlandTrend/infratest dimap (PDF)

Unzufriedenheit gegenüber Ampel hält an

Die Zufriedenheit mit der Bundesregierung verharrt auf niedrigem Niveau. 80 Prozent (minus 1 Punkt) gaben an, weniger oder gar nicht zufrieden zu sein. 18 Prozent sind zumindest zufrieden, nur einer von hundert sagte, „sehr zufrieden“ zu sein. Die zufriedenen Stimmen kommen allerdings zu drei Vierteln aus den Lagern der SPD- und Grünen-Anhänger: 55 der SPD-Wähler und 50 Prozent der Grünen-Wähler finden die Arbeit der Ampel zumindest akzeptabel.

Grafik: Umfrage zur Zufriedenheit mit der Bundesregierung im März 2024. Foto: Bildschirmfoto/ARD-DeutschlandTrend/infratest dimap

Foto: Bildschirmfoto/ARD-DeutschlandTrend/infratest dimap (PDF)

Bei Anhängern der dritten Ampelpartei FDP sieht es schon anders aus: 85 Prozent sind unzufrieden. Noch größer ist der Unmut bei Wählern der Oppositionsparteien: 91 Prozent der Unionsanhänger und 94 Prozent der BSW-Anhänger können mit der Regierungsarbeit nichts anfangen. Unter den AfD-Wählern ist mit 96 Prozent praktisch jeder unzufrieden.



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