17,3 Billionen Euro Schulden: Deutschland schaut in eine düstere Zukunft

Die deutsche Generationenbilanz offenbart eine schockierende Wahrheit: Der Staat hat Schulden von insgesamt 17,3 Billionen Euro. Diese Zahl ist siebenmal höher als offiziell angegeben. Die enorme Belastung wird für die nachfolgende Generationen ein immer größer werdendes Problem.
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Schuldenuhr in Berlin. Symbolbild.Foto: MICHAEL KAPPELER/DDP/AFP via Getty Images
Von 6. September 2023

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Jedes Jahr erstellt der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen für die Stiftung Marktwirtschaft die sogenannte Generationenbilanz. In diesem Jahr kommt die Studie zu einem vernichtenden Ergebnis: Der deutsche Staat wirtschaftet immer unsolider und weist nur einen Siebtel seiner Schulden aus. In den drei großen Sozialkassen wie Krankenkasse, Rente und Pflege verstecken sich weitaus höhere Verbindlichkeiten. Diese ergeben sich vor allem aus den bestehenden Leistungszusagen bei den bestehenden Beiträgen.

Die Studie kommt auf eine stolze Summe von 17,3 Billionen Euro. Das ist heute das Viereinhalbfache der jährlichen Wirtschaftsleistung in Deutschland. „Jeder muss also 4,5 Jahre arbeiten und alles an den Staatshaushalt abführen, erst dann sind wir die Lücke los“, macht Ökonom Raffelhüschen das Dilemma deutlich.

Lücke wird größer, obwohl Staatsverschuldung sinkt

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Lücke größer geworden. Übrigens obwohl die Staatsverschuldung kleiner geworden ist. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die sogenannten impliziten Schulden durch die Sozialversicherungen künftiger Generationen durch die Überalterung größer geworden sind. Dies zeigt eine erhebliche Schieflage und macht deutlich, wie wenig nachhaltig die deutschen Staatsfinanzen im Moment sind. Für die Prognosen haben die Ökonomen der Studie sogar eine optimistische Zuwanderungsprognose angenommen. So unterstellen die Berechnungen, dass jährlich netto 290.000 Menschen nach Deutschland kommen, sofort in Arbeit kommen und damit sofort Steuern zahlen und damit auch in die Sozialkassen einzahlen. Die Prognose wurde für die aktualisierte Prognose in diesem Jahr sogar noch einmal nach oben gerechnet. So wurden 70.000 Menschen mehr als im vergangenen Jahr einkalkuliert.

Nach Angaben des „Statistischen Bundesamtes“ erreichte die Nettozuwanderung in Deutschland im Jahr 2022 einen Rekordwert.

Unterm Strich übertraf die Zahl der registrierten Zuzüge die Zahl der Fortzüge um 1,462 Millionen Menschen. So zogen 2,67 Millionen Menschen nach Deutschland, während 1,2 Millionen wegzogen. „Damit zeigt die Statistik die höchste bisher registrierte Nettozuwanderung innerhalb eines Berichtsjahres seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1950“, erklärte das Bundesamt damals im Juni bei der Veröffentlichung der Zahlen. Den deutlichen Anstieg der Nettozuwanderung erklärten die Statistiker damals mit dem Krieg in der Ukraine. Aus der Ukraine zogen 1,1 Millionen Menschen nach Deutschland. Deutliche Nettozuwanderung wurde im letzten Jahr auch aus Syrien (plus 68.000 Menschen), Afghanistan (plus 55.000 Menschen) und der Türkei (plus 49.000 Menschen) gemeldet.

Nach Ankunft kommen nur die wenigsten Flüchtlinge in Arbeit

Nicht alle zugewanderte Menschen kommen aber sofort in Arbeit. Wie der Mediendienst Integration schreibt, waren im April 607.600 Menschen aus den Asylherkunftsländern in Beschäftigung. „Mit längerer Aufenthaltsdauer steigt der Anteil der Geflüchteten, die einen Job gefunden haben“, schreibt das Portal weiter.

54 Prozent der Personen, die vor sechs Jahren nach Deutschland kamen, sind heute in Arbeit. Zwei Drittel davon arbeiten in Vollzeit.

Aus den Asylherkunftsstaaten, schreibt der Mediendienst weiter, waren im Juli 2022 328.000 Geflüchtete als arbeitsuchend gemeldet und 175.000 als arbeitslos. In der Regel gilt als arbeitssuchend, wer noch im Job ist, aber sich bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldet hat. Das kann zum Beispiel sein, wenn der Betreffende schon seine Kündigung erhalten hat. Als arbeitslos gilt, wer ohne Job ist. Insgesamt fällt die Zahl der Menschen aus diesen Ländern, die auf Jobsuche sind, etwas höher aus: 438.000 Arbeitsuchende und 235.000 Arbeitslose.

Dass tatsächlich jährlich 290.000 Menschen nach Deutschland kommen und sofort in Arbeit kommen, erscheint angesichts der Zahlen eine sehr ambitionierte Annahme. Der Mediendienst Integration schreibt selber, dass nach Ankunft in Deutschland nur die wenigsten Flüchtlinge in Arbeit gebracht werden können. Die Menschen unterliegen einerseits einem Arbeitsverbot, schreibt das Portal. Andererseits haben sie noch keine Sprachkenntnisse. Im ersten Jahr haben nur sieben Prozent von ihnen eine Stelle, nach sechs Jahren sind es 54 Prozent, nach sieben Jahren 62 Prozent. Der Mediendienst beruft sich bei seinen Zahlen auf einen Kurzbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Babyboomer sind Verursacher der Probleme

Die Lücken im Staatshaushalt könnten also durchaus größer werden als in der Generationenbilanz berechnet. Der Professor für Finanzwissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, Bernd Raffelhüschen, sieht angesichts der ermittelten Zahlen vor allem eine große Belastung der kommenden Generationen. So hat er für die Krankenkassenbeiträge einen Anstieg von 15 auf 28 Prozent berechnet, bei der Rente von 18,6 auf 25 Prozent und bei der Pflege von rund sieben Prozent.

Verantwortlich für die Explosion der Kosten macht Raffelhüschen vor allem seine Generation, die sogenannten „Babyboomer“. In Deutschland werden die im Zeitraum von 1955 bis 1969 Geborenen als Babyboomer bezeichnet. Danach nimmt die Geburtenrate aber ab, was das Sozialsystem in die Schieflage gebracht hat, in der es sich heute befindet. Im Juli fand er in einem Interview mit dem SWR deutliche Worte. Die Babyboomer seien das Problem für „unsere Kinder – und wir sind der Verursacher zugleich“, so Raffelhüschen.

Das Rentensystem sei unter anderem aufgrund der gestiegenen Lebenserwartungen heute nicht mehr zeitgemäß. Es könne nicht sein, dass „immer weniger für immer mehr Menschen immer länger die Rente bezahlen, ohne dass deren Beiträge explodieren.“ Man müsse daher das Rentenalter anpassen. „Wir können nicht davon ausgehen, dass wir immer länger leben und jeden Tag, den wir länger leben, einen Tag in der Rente verbringen.“

Versteckte Schulden bis 200 Prozent des BIP

Es besteht ein wichtiger Unterschied zwischen offenen und verdeckten Schulden, insbesondere in Form von Leistungsansprüchen. Während staatliche Kredite zurückgezahlt werden müssen, können Regierungen ihre Leistungsverpflichtungen durch Gesetzesänderungen modifizieren oder aufheben. Die Generationsbilanz verweist daher darauf, dass man sich die riesige Finanzlücke in den Sozialversicherungen schon heute klar vor Augen führt.

Im aktuellen System weisen die Wissenschaftler bei den Krankenkassen versteckte Schulden in Höhe von 66 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Wenn man den üblichen Kostenanstieg einbezieht, steigt diese Lücke zukünftig sogar auf fast 200 Prozent. Das bedeutet, dass jüngere Beitragszahler die Leistungen älterer Empfänger mitfinanzieren müssen, warnt Raffelhüschen. Ähnliche Herausforderungen ergeben sich in der Pflegeversicherung. Die Ökonomen befürworten daher Maßnahmen zur Kostenbegrenzung, wie beispielsweise einen Selbstbehalt in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Einführung von Pflegeleistungen erst nach einem Karenzjahr und die Integration eines Nachhaltigkeitsfaktors.

Durch den Nachhaltigkeitsfaktor werden Veränderungen im zahlenmäßigen Verhältnis von Rentenbeziehern zu Beitragszahlern berücksichtigt. Diesen Faktor hatte Gerhard Schröder eingeführt. Mit der Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre waren, nach Ansicht Raffelhüschens, schon zwei Drittel der notwendigen Anpassungen für nachhaltig konstante Beiträge erfüllt worden. Inzwischen ist dieser Nachhaltigkeitsfaktor wieder abgeschafft worden. Doch Ökonomen wie Raffelhüschen möchten den Nachhaltigkeitsfaktor wieder einführen, damit die Beiträge für die Rentenversicherung zukünftig relativ konstant bleiben.



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