AfD kämpft vor Gericht gegen Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall

Vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster steht heute und morgen für die AfD viel auf dem Spiel: In zweiter Instanz kämpft die Partei gegen die Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall. Dabei geht es um die Gesamtpartei sowie den aufgelösten „Flügel“ und die Jugendorganisation Junge Alternative.
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Vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster wird die Frage geklärt, ob die AfD zu Recht als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ geführt wird.Foto: Ina Fassbender/AFP via Getty Images
Von 12. März 2024

Für die AfD geht es heute und morgen vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster um viel. In zweiter Instanz wehrt sich die Partei gegen die Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall. Im März 2022 hatte sie in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht in Köln verloren. Die Klage wurde deshalb in Köln verhandelt, weil dort das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Hauptsitz hat. 

Der Inlandsgeheimdienst möchte die AfD zukünftig als „rechtsextremen Verdachtsfall“ einstufen. Diese Einstufung ermöglicht es, die Partei in Zukunft mit geheimdienstlichen Mitteln zu beobachten. So könnten beispielsweise verdeckte Mitarbeiter der Behörde zum Einsatz kommen. Der Verfassungsschutz könnte aber auch sogenannte Vertrauensleute (V-Leute) aus den Reihen der AfD anwerben und so Informationen aus dem engeren Umfeld der Partei erhalten. Weiter könnten so erlangte Informationen auch an andere Behörden übermittelt werden. Der Verfassungsschutz könnte, wenn er sich nun in Münster durchsetzt, auch die Telefone von AfD-Funktionären überwachen.

Polizeifahrzeuge vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster, Westdeutschland, am 12. März 2024. Foto: Ina Fassbender/AFP via Getty Images

Was wird in Münster genau verhandelt?

Drei Verfahren sind in Münster anhängig. Zum einen geht es darum, die Gesamtpartei AfD als Verdachtsfall nach dem Bundesverfassungsschutzgesetz. (Aktenzeichen 5 A 1218/22) einzustufen.

Zum Zweiten wird in Münster verhandelt, den inzwischen in der AfD aufgelösten „Flügel“ als Verdachtsfall und als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ (Aktenzeichen 5 A 1216/22) einzustufen. Erscheint dieses Verfahren auf den ersten Blick als wenig relevant, da es den „Flügel“ in der AfD nicht mehr gibt, könnte die Entscheidung am Ende vor allem dahin gehend Bedeutung haben, wenn es darum geht, die Gesamtpartei als eine „gesichert extremistische Bestrebung“ hochzustufen. Auch wenn es den „Flügel“ nicht mehr gibt, ist der Personenkreis nie aus der AfD ausgeschlossen worden und übt nach wie vor Funktionen und Mandate für die Partei aus. 

Im dritten Verfahren geht es um die Einstufung der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als extremistischen Verdachtsfall. Es gilt nun festzustellen, ob die Partei tatsächlich Bestrebungen verfolgt, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten.

(v. r. n. l.) Carsten Hütter und Roman Reusch, Mitglieder der AfD, neben dem Anwalt Christian Conrad, warten auf den Beginn des Verfahrens am Oberverwaltungsgericht in Münster, Westdeutschland, am 12. März 2024. Foto: Ina Fassbender/AFP via Getty Images

Wie positioniert sich die AfD?

Die AfD versichert immer wieder, dass sie keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolgt. Im Gegenteil, ihre Positionen hätten sich jahrzehntelang in den Programmen der CDU und der CSU befunden. Sie sieht sich als Opfer eines übergriffigen Staatsapparates, der die freie Meinungsäußerung zensieren möchte. Für die „Altparteien“ sei die AfD zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz im parteipolitischen Wettbewerb geworden und daher instrumentalisiere man nun die Verfassungsschutzbehörden. 

Laut einem Beitrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) vertritt Christian Conrad von der Kölner Kanzlei Höcker, Anwalt der Partei, genau diese Position gegenüber dem Oberverwaltungsgericht in Münster. Weiter führt Conrad aus, man müsse die Partei nicht mögen und ihre Inhalte unterstützen, aber dass „in einem demokratischen Rechtsstaat der Staat selbst eine ihm unliebsame Partei einer Art Dauerüberwachung“ unterziehe, dies öffentlich bekannt gebe und dadurch „mit amtlichen Mitteln politische Konkurrenten bekämpfe“, verlasse alle bekannten gesetzlichen Vorgaben und sei eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig.

Weiter greift die Rechtsvertretung der AfD den Schriftsatz des Verwaltungsgerichts Köln, das in erster Instanz gegen die AfD entschieden hat, scharf an. Sie schreiben, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts muteten politisch an, „einem Zeitgeist nachjagend“, kein einziger Schriftsatz der Klägerin sei gewürdigt worden, das Verwaltungsgericht sei lediglich „blind und voreingenommen dem Vortrag der Beklagten gefolgt“. Die Urteilsbegründungen seien „geradezu laienhaft zusammengeschustert“.

Was sagt das Bundesamt für Verfassungsschutz?

Das Bundesamt steht auf dem Standpunkt, dass die seit dem 25. Februar 2021 vorgenommene Einstufung der AfD als Verdachtsfall einer gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebung rechtmäßig erfolgte. Seither erfolge daher die “Beobachtung, Behandlung, Prüfung und Führung” der Partei als Verdachtsfall völlig gesetzeskonform. Auch die Bekanntgabe der Einstufung als Verdachtsfall sei rechtmäßig. Befremdet sei man über den Ton und die Anwürfe der Klägerin gegenüber dem Verwaltungsgericht Köln.

Worauf stützt das Bundesamt seine Einstufung?

Der Verfassungsschutz argumentiert vor allem mit dem Volksbegriff. Jeder, der einen deutschen Pass besitzt, ist nach dem Grundgesetz Deutscher. Diesen Grundsatz sehe die AfD kritisch, so der Vorwurf. In der Klageerwiderung ist eine Zitatensammlung mit Aussagen verschiedener AfD-Politiker angeführt. Immer wieder werden dort Begriffe wie „Umvolkung“ und „Bevölkerungsaustausch“ zitiert. Ein Satz aus dem AfD-Grundsatzprogramm, wonach die höhere Geburtenrate bei Migranten „den ethnisch-kulturellen Wandel der Bevölkerungsstruktur verstärkt“, wird als ein Beleg für die Menschenwürdeverachtung der AfD angeführt. 

Die AfD weist diesen Vorwurf allerdings weit von sich und spricht von Diffamierung. „Als Rechtsstaatspartei bekennt sich die AfD vorbehaltlos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen“, stellt die Partei klar. Das Gericht wird nun klären müssen, ob sie das nur sagt, um einer Einstufung als Verdachtsfall zu entgehen, oder ob es tatsächlich die Position der AfD ist?

Wie viel Material liegt dem Gericht vor?

Dem Gericht wurde eine Menge an Material von allen Seiten vorgelegt. Allein die Begründung der Berufung gegen das Kölner Urteil vonseiten der Kanzlei Höcker umfasst einen 319-seitigen Schriftsatz. Die Kanzlei Redecker, die das Bundesamt für Verfassungsschutz vertritt, antwortete dem Gericht mit 409 Seiten, in denen sie aufführt, warum der Bundesverfassungsschutz recht hat. Es ist also eine Materialschlacht, die im Verfahren geführt wird. 

Wie die „Wirtschaftswoche“ mit Berufung auf eine Gerichtssprecherin schreibt, umfassen die Gerichtsakten insgesamt 15.000 Seiten. Davon sind 9.500 Seiten aus der Berufungsinstanz am Oberverwaltungsgericht. Die 275 Aktenordner des Bundesamtes für Verfassungsschutz bilden eine umfangreiche Sammlung von Verwaltungsakten, die in einem eigens dafür vorgesehenen Raum am Gericht aufbewahrt werden. Bei mündlichen Verhandlungen bringen die beteiligten Parteien ihre eigenen Kopien mit, was dazu führt, dass sich die Anzahl der Aktenberge im Verhandlungssaal verdreifacht. Aufgrund der begrenzten Platzverhältnisse findet die Verhandlung in der Halle des Gerichts statt, wo fast 100 Journalisten akkreditiert sind, um darüber zu berichten.

Warum wurde der Verhandlungstermin auf den März verlegt?

Ursprünglich sollte die Verhandlung schon Ende Februar stattfinden. Am 29. Dezember letzten Jahres lieferte das Bundesamt für Verfassungsschutz allerdings noch einmal 4.264 Seiten Papier und mehr als 116 Stunden Videomaterial nach, die ihren Rechtsstandpunkt untermauern sollen.

Die Anwälte der AfD stellten daraufhin einen Antrag auf Verlegung um mindestens zwei Monate, da sie argumentierten, dass es unmöglich sei, eine derartige Menge an Material in so kurzer Zeit angemessen zu bearbeiten. Das Gericht entschied jedoch, dass zusätzliche 15 Arbeitstage ausreichen würden, um das Druckmaterial sowie das Videomaterial zu sichten. Daher wurde der Termin für die mündliche Verhandlung lediglich um zwei Wochen auf den 12. und 13. März verschoben.



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