Jugendkriminalität: Baden-Württemberg führt neues Präventiv-Programm ein

Kinder und Jugendliche, die regelmäßig Straftaten begehen, werden zu einer größer werdenden Herausforderung. Auch anhand von Zahlen ist ein Anstieg in diesem Bereich festzustellen. Ein spezielles Programm soll helfen, „kriminelle Karrieren“ erst gar nicht entstehen zu lassen.
Polizei und Staatsanwaltschaft haben im Zuge eines Ermittlungsverfahrens zu Mitgliedern der Letzten Generation 15 Objekte in sieben Bundesländern durchsucht. Hier in Berlin-Kreuzberg.
Polizei im Einsatz.Foto: Christoph Soeder/dpa
Von 21. Juli 2023

Bundesweit steigen die Zahlen im Bereich Kinder- und Jugendkriminalität, so auch in Baden-Württemberg. Dabei unterscheidet man zwischen Kindern bis 13 Jahre, Jugendliche von 14 bis 17 Jahren und Heranwachsende von 18 bis unter 21 Jahren.

Deutlich wird die negative Entwicklung, insbesondere anhand der Zahlen der Tatverdächtigen bei jugendtypischen Straftaten wie Diebstahl, einfacher Körperverletzung, Gewaltkriminalität, Betrug und Sachbeschädigung durch Graffiti.

So stieg die Anzahl an tatverdächtigen Kindern in Baden-Württemberg um 33,4 Prozent und an tatverdächtigen Jugendlichen um 21,8 Prozent. Dabei sind bei den Tatverdächtigen von Diebstahlsdelikten unter 21 Jahren knapp drei Viertel dem Ladendiebstahl zuzuschreiben.

Mehr Messerdelikte bei Kindern und Jugendlichen

Im Deliktbereich der Gesamtstraftaten mit dem Tatmittel Messer ist in dem Bundesland im Jahr 2022 bei den Tatverdächtigen unter 21 Jahren sogar ein Anstieg von 34,1 Prozent festzustellen. Dieser Anstieg verteilt sich größtenteils auf die Bereiche der Diebstahlsdelikte, Gewaltkriminalität, Bedrohungen und Straftaten gegen das Waffengesetz.

Im Bereich der Gewaltkriminalität spielt das Tatmittel Messer bei einem Drittel der Tatverdächtigen unter 21 Jahren eine Rolle. Hier beträgt der Anstieg für alle Altersgruppen rund 39 Prozent.

Dabei wurden bei den registrierten 2.727 Messerangriffen im Jahr 2022 720 Tatverdächtige unter 21 Jahren erfasst. Das sind rund 28 Prozent der insgesamt 2.574 Tatverdächtigen. Die Anzahl der Tatverdächtigen unter 21 Jahren im Bereich der Rauschgiftkriminalität und der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ging hingegen zurück.

Jugendliche fielen durch Einsatz von Teleskopschlagstöcken auf

Als ein Beispiel führt das Land in seinem Sicherheitsbericht 2022 eine gefährliche Jugendgruppierung auf, die binnen weniger Tage mehrere gefährliche Körperverletzungen, Einbrüche und Raubdelikte durchführte. Unter den rein männlichen Mitgliedern befand sich auch ein Kind.

Die Jugendlichen fielen dadurch auf, dass sie ihre meist gleichaltrigen Opfer im Bereich der Innenstadt auch mit Teleskopschlagstöcken schlugen. In einem Fall erlitt ein unbeteiligter Student durch einen Messerangriff erhebliche Verletzungen. Ein Teil der Gruppierung ist in Untersuchungshaft. Das Verfahren dauert noch an, heißt es im Bericht.

Um der negativen Entwicklung im Bereich Jugendkriminalität etwas entgegenzusetzen, hat Baden-Württemberg sein Programm zu „Besonders auffälligen jungen Straftätern“ (BajuS) überarbeitet. So sollen „kriminelle Karrieren“ erst gar nicht entstehen oder zumindest „mit aller Konsequenz frühestmöglich im Keim erstickt werden können“, so Strobel.

Strobel: Straffällige Kinder und Jugendliche große Herausforderung

Kinder und Jugendliche, die regelmäßig und teilweise schwere Straftaten begehen, sind in den Augen des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobel (CDU) eine große Herausforderung für die Gesellschaft.

„Daher muss man Fehlentwicklungen früh erkennen und mit vereinten Kräften Maßnahmen ergreifen, um sie vor einer kriminellen Karriere zu bewahren und ihnen die Chance auf eine gute Zukunft zu geben“, erklärt der CDU-Politiker.

Das Programm soll helfen, früher und gezielter auf strafrechtlich auffälliges Verhalten reagieren zu können. Dazu finde man gemeinsam mit den Jugendämtern und den Staatsanwaltschaften die richtige Mischung aus präventiven und repressiven Maßnahmen, erklärt der stellvertretende Ministerpräsident Strobel.

„Nur so können wir bei den Kindern und Jugendlichen negative Entwicklungen aufbrechen und eine bestmögliche und positive Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig stärken.“

Zuvor arbeitete man über 20 Jahre mit dem Initiativprogramm Jugendliche Intensivtäter (JugIT). Im Frühjahr 2022 wurde dann beim Innenministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Erfahrungen mit dem JugIT-Programm untersuchte und konzeptionell das jetzige neue Programm aufstellte.

Schwere der Straftat steht mehr im Fokus als die Häufigkeit

Dabei ist der größte Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Programm, dass künftig das kriminelle Handeln des Jugendlichen primär anhand von qualitativen Parametern der Straftat bewertet wird und weniger nach der Anzahl der begangenen Delikte. Die Schwere der Straftat steht künftig mehr im Fokus als die Häufigkeit.

Dazu würden Faktoren wie beispielsweise die Verletzung der Opfer, das verwendete Tatmittel oder das Alter gewichtend berücksichtigt, heißt es. Dadurch hofft man, Kinder und Jugendliche früher in den Fokus zu bekommen, deren Verhalten sich von Anbeginn eher im Bereich der Gewaltkriminalität bewegt.

„Eine einfache Körperverletzung und ein versuchtes Tötungsdelikt können nicht über einen Kamm geschoren werden“, begründet Justizministerin Marion Gentges diesen Schritt. Zudem legt die Konzeption in ihrer Neufassung einen Fokus auf sogenannte „Schwellentäter“.

„Das sind Jugendliche, bei denen das Risiko, dauerhaft in die Straffälligkeit abzugleiten, zutage tritt, die aber bei Zugrundelegung der alten quantitativen Kriterien nicht als Intensivtäter einzustufen waren“, führt die Justizministerin aus. Sie würden künftig stärker in den Blick genommen, um ihnen rechtzeitig mit zielgerichteten Maßnahmen den Weg zurück in ein straffreies Leben zu ermöglichen.

Neues Programm beinhaltet Ampelsystem

Dabei teilt man die straffälligen Jugendlichen im Rahmen einer Einzelfallprüfung in eine der drei Kategorien ein: Gelb, Orange oder Rot.

Die Kategorie Gelb kennzeichnet sogenannte Schwellentäter, deren kriminelles Handeln nicht mehr nur episodenhaft ist, sich aber auch noch nicht als „kriminelle Karriere“ verfestigt hat. Die Kategorie Orange ist angelehnt an die bisherige Bewertungspraxis möglicher jugendlicher Intensivtäter. Unter der Kategorie Rot sind Kinder und Jugendliche eingeordnet, die überwiegend schwere Straftaten begehen und Hilfsmaßnahmen sowie Erziehungshilfen ablehnen.

„Kinder und Jugendliche haben noch ihr ganzes Leben vor sich. Es ist deshalb umso wichtiger, frühzeitig passende Hilfe zu leisten, wenn diese in die Kriminalität abzurutschen drohen“, sagte Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha.

Man müsse zudem an den Ursachen ansetzen und dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche zu selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Persönlichkeiten heranwachsen, die eine Zukunft in unserer Gesellschaft hätten, so Lucha weiter.



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