Bundesverfassungsgericht vor AfD schützen: Union lässt Ampelpläne scheitern

Dämpfer für die Ampel: Die Unionsfraktion im Bundestag hat Beratungen mit Vertretern der Regierungsparteien platzen lassen, bei denen es um den Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor einer Einflussnahme der AfD gehen sollte. Innenministerin Faeser ist nicht amüsiert.
Ein Grundgesetz liegt im Verhandlungssaal des Bundesverfassungsgerichts auf einem Tisch. Eine Mehrheit der Deutschen sieht einer Umfrage zufolge die Demokratie in Deutschland in Gefahr.
Das Symbolbild zeigt eine Ausgabe des Grundgesetzes auf einem Richterschreibtisch des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Die jüngsten Änderungspläne sind vorerst vom Tisch.Foto: Uwe Anspach/dpa
Von 23. Februar 2024

Um der AfD im Fall eines Wahlerfolgs den Einfluss auf das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu erschweren, hatte die Bundesregierung geplant, das Grundgesetz zu ändern. Doch das Vorhaben ist nach Informationen der „Rheinischen Post“ (RP) schon wenige Tage nach der Idee geplatzt: Am Donnerstag, 22. Februar 2024, brach die CDU entsprechende Beratungen mit Vertretern der Ampelkoalition unerwartet ab.

Damit das Grundgesetz geändert werden könnte, müsste eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat zustimmen – allein im Plenarsaal also fast 100 Stimmen mehr, als die rund 520 Abgeordneten der Ampelfraktionen stellen. Die Parlamentarier von SPD, Grünen und FDP im Bundestag hätten also darauf bauen müssen, dass ihre Unionskollegen sie unterstützen. Doch genau damit können sie nun nicht mehr rechnen: Es bleibt vorerst alles beim Alten.

Rückschlag für Faesers Kampf gegen Rechtsextremismus

Nicht nur für die Ampel im Allgemeinen, sondern auch für Nancy Faesers Kampf gegen Rechtsextremismus im Besonderen bedeutet die Absage der Union einen herben Dämpfer: Schon in Kapitel 1 („Resilienz der Demokratie stärken“) ihres aktuellen, 13-teiligen Papiers „Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen – Instrumente der wehrhaften Demokratie nutzen“ (PDF-Datei) hatte die Bundesinnenministerin die Debatte um einen möglichen Einfluss „demokratiefeindlicher Kräfte“ auf das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe aufgegriffen.

Es biete sich an, „die zentralen Regelungen zu Organisation und Verfahren des BVerfG in das Grundgesetz aufzunehmen“, hatte das Bundesministerium des Innern (BMI) anlässlich der Vorstellung des 13-Punkte-Plans am 13. Februar 2024 zu Papier gebracht.

Unionsabgeordnete Lindholz fürchtet Nachteile

Die Vize-Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Innenexpertin Andrea Lindholz (CSU), begründete den Gesprächsabbruch gegenüber der RP mit negativen Folgen, die sich womöglich aus einer Grundgesetzänderung ergeben würden:

Viele der in den vergangenen Wochen diskutierten Vorschläge zur Umgestaltung der rechtlichen Grundlagen des Bundesverfassungsgerichts bringen nicht nur Vorteile mit sich. Das ist auch in einem Austausch mit Vertretern der Ampelfraktionen deutlich geworden.“

Änderungen des Grundgesetzes müssten sehr gut überlegt sein, gab Lindholz zu bedenken. Derzeit sehe die Unionsfraktion jedenfalls „keine zwingende Notwendigkeit“ mehr, „die Regelungen zum Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz zu ändern“, stellte Lindholz laut RP klar. Sie sei überzeugt, dass das BVerfG „ein starkes, unabhängiges Organ“ sei. „Unsere Demokratie“ sei „widerstandsfähig genug, dass das so bleibt“. Wichtiger sei aus ihrer Sicht „gute Sachpolitik, die die Menschen überzeugt“, sagte die Innenpolitikerin mit Blick auf die Ampelregierung.

Das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) hatte am 30. Januar berichtet, dass auch die Unionsfraktion „im Prinzip“ hinter der Idee stehe, das Grundgesetz zu ändern. Der Schritt sollte erfolgen, bevor das BVerfG sich in einer Lage wiederfinde, die mit der Regierungsübernahme der „rechtsnationalen“ polnischen Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) vergleichbar sei. Nun also die Rolle rückwärts. Erst vor zwei Tagen hatte die Union im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag angekündigt, auch die Kompromissfassung des Wachstumschancengesetzes platzen zu lassen.

Enttäuschung bei Sozialdemokraten und Liberalen

BMI-Chefin Nancy Faeser (SPD) kommentierte die Unionsabsage auf ihrem X-Kanal mit den Worten: „In diesen Zeiten braucht es staatspolitische Verantwortung statt Fundamentalopposition.“ Auch Dirk Wiese, der Vize-Fraktionsvorsitzende der SPD, kritisierte im Gespräch mit der RP die größte Nichtregierungsfraktion für ihren Rückzug:

In einer der schwierigsten Zeiten für unsere Demokratie seit Jahrzehnten wird die Union ihrer Rolle als verantwortungsvolle Opposition in keinster Weise gerecht.“

Wiese setze seine Hoffnung darauf, dass CDU und CSU noch umdenken könnten, um „ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht“ zu werden. Denn „die Geschichte“ habe „leider bereits gezeigt, dass es beim Kampf gegen Extremisten entscheidend sein kann, wie sich die Konservativen verhalten.“

Wie die „Welt“ berichtete, machte auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) keinen Hehl aus seiner Enttäuschung: „Gerade im Jahr des 75. Geburtstages des Grundgesetzes wäre es ein wichtiges Zeichen gewesen, die Abwehrkräfte unserer Demokratie und des Rechtsstaats zu stärken“, so Buschmann gegenüber der dpa. Er sei aber offen für spätere Gespräche.

Grüne unzufrieden mit Merz

Unzufrieden speziell mit CDU-Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz zeigte sich der Grünen-Abgeordnete Till Steffen: „Die Gespräche mit der Union waren gut. Nun hat aber Merz die Totalblockade verordnet“, sagte Steffen nach Angaben des „Spiegel“. „Oppositionstaktik ist der Union mittlerweile wichtiger als der Schutz unseres Rechtsstaats.“

Ähnlich habe sich sein Parteikollege Konstantin von Notz, der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, geäußert: Merz bekomme es „noch immer nicht hin, über seinen Schatten zu springen“, obwohl „Millionen Menschen in unserem Land für unseren Rechtsstaat und seine Wehrhaftigkeit auf die Straße“ gingen. Es sei aus seiner Sicht „politisch entweder naiv oder in höchstem Maße fahrlässig“, „in einer sicherheitspolitisch extrem angespannten Situation das Schutzniveau für das Bundesverfassungsgericht nicht zu erhöhen“.

GG-Änderung hätte Auswirkungen auf alle Parteien

Laut „Spiegel“ regelt derzeit das „Gesetz über das Bundesverfassungsgericht“ (BVerfGG) die „Zuständigkeiten und Verfahrensweisen“, die das BVerfG betreffen. Wie jedes normale Gesetz könnte es „mit einfacher Bundestagsmehrheit geändert“ werden. Eine Regierung könnte es also auch ohne Zweidrittelmehrheit nach ihrem Gutdünken anpassen, etwa Richter absetzen oder eine neue BVerfG-Kammer einrichten.

Würden solche Optionen per Grundgesetz eingeschränkt, könnte das umgekehrt nur eine neuerliche Zweidrittelmehrheit rückgängig machen. Bis dahin würde sich eine Grundgesetzänderung wie die jüngst angedachte hemmend auf die jahrzehntelang gepflegten Gewohnheiten der bisherigen Regierungsparteien auswirken. Ein Gesetz, das von vorneherein nur eine bestimmte politische Partei wie die AfD von der Teilhabe ausschließen wollte, würde mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes in Konflikt stehen.

In 75 Jahren dutzende Male geändert

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland war am 23. Mai 1949 erlassen worden. Tags darauf trat es in Kraft.

Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ erfuhr bis Mai 2022 „ungefähr jeder zweite Artikel“ eine Änderung, „einige davon auch mehrmals“. Wikipedia listet bislang 67 Änderungsbeschlüsse auf, die sich zuweilen auch auf mehrere GG-Artikel beziehen können.

Grundsätzlich dürfen fast alle Artikel geändert werden. Unzulässig ist es laut „Ewigkeitsklausel“ gemäß Artikel 79 (3) GG lediglich, Artikel 1 und Artikel 20 zu berühren oder „die Gliederung des Bundes in Länder“ und „die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung“ anzutasten.

Die jüngste Änderung war am 19. Dezember 2022 erfolgt. Damals hatte die Bundesregierung Artikel 82 GG angepasst, in dem es allgemein um die verfassungskonforme Verkündung, Gegenzeichnung und Ausfertigung von Gesetzen geht. Seitdem kann das Bundesgesetzblatt auch in elektronischer Form geführt werden.

Zuletzt hatte am 9. Februar 2024 eine neuerliche Grundgesetzänderung im Bundestag auf der Tagesordnung gestanden: Wie im aktuellen Ampelkoalitionsvertrag (PDF-Datei, Seite 96) vereinbart, sollte der Begriff „Rasse“ aus dem Gleichbehandlungsartikel 3(3) GG gestrichen und stattdessen ein Verbot der Diskriminierung „wegen sexueller Identität“ eingebaut werden. Nachdem jedoch der Zentralrat der Juden Bedenken angemeldet hatte, ließ die Regierungskoalition ihr ursprüngliches Vorhaben fallen.



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