CDU-Parteitag: Zwischen Merz-Wiederwahl und Merkel-Nostalgie

In der CDU beginnt am Montag der Bundesparteitag. Hinter den Kulissen liegen die Nerven blank. Daniel Günther bringt die JU mit Merkel-Nostalgie gegen sich auf. Trotz Ampel-Schwäche kommt die Partei unter Merz kaum über 30 Prozent hinaus.
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Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz hält eine Rede während des 36. Bundesparteitags der CDU in Berlin, 6. Mai 2024.Foto: Tobias Schwarz/AFP via Getty Images
Von 6. Mai 2024

Am Montag, 6. Mai, hat der 36. Bundesparteitag der CDU in Berlin begonnen. Der erste Tag wird im Zeichen der Rechenschaftsberichte von Parteichef Friedrich Merz und Generalsekretär Carsten Linnemann stehen. Bei der Neuwahl des Vorstandes strebt Merz die Wiederwahl an, der seit Juli 2023 kommissarisch amtierende Linnemann soll erstmals in seinem Amt bestätigt werden. Für Dienstag ist der Beschluss des neuen Grundsatzprogramms geplant. Der Mittwoch soll im Zeichen von Talkrunden stehen.

Merz vor deutlicher Wiederwahl – hinter den Kulissen jedoch Unmut

Die Wiederwahl von Merz steht nicht infrage. Auch ist kein Fiasko in Form auffallend vieler Gegenstimmen und Enthaltungen unter den 1.001 Delegierten zu erwarten. Die Marke, die es zu überwinden gilt, sind die 94,6 Prozent, mit denen 2022 das Ergebnis der Mitgliederbefragung bestätigt wurde.

Eine Vorentscheidung über die Kanzlerkandidatur dürfte damit jedoch kaum verbunden sein. Auch die Debatte über den künftigen Kurs wird mit dem Parteitag kaum entschieden sein. Stattdessen kommen einige Informationen ans Tageslicht, die zeigen, wie zerrissen die Union zwei Jahre nach der Amtsübernahme durch Merz ist.

Eine Begebenheit liegt bereits ein Jahr zurück. Wie „n-tv“ berichtet, soll der Parteichef aber bereits im Sommer des Vorjahres knapp vor dem Rücktritt gestanden haben. Anlass war ein Gastbeitrag von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst in der FAZ mit dem Titel „Das Herz der CDU schlägt in der Mitte“.

Testabstimmung im Gange: CDU-Mitglieder am ersten Tag des 36. CDU-Bundesparteitags, Berlin, 6. Mai 2024. Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images

Vor einem Jahr stand Rücktritt im Raum

In diesem hatte der Ministerpräsident, der selbst als möglicher Kanzlerkandidat gilt, Helmut Kohl und Angela Merkel als Musterbeispiele für einen erfolgreichen Kurs in Zeiten des Populismus gewürdigt. Merz nannte er in diesem Zusammenhang nicht. Als generelle Aussage fiel jedoch ein Satz, den man aus dem Gesamtkontext heraus auch auf Merz hätte beziehen können:

„Wer nur die billigen Punkte macht und den Populisten hinterherrennt, der legt die Axt an die eigenen Wurzeln und stürzt sich selbst ins Chaos.“

Merz soll in seinem Umfeld von einer „Schweinerei“ mit Blick auf den Artikel gesprochen haben. Es seien Sätze gefallen wie: „Ich hab die Schnauze voll. Sollen die doch ihren Sch… allein machen.“

Am Ende nahm Merz von seinem Vorhaben Abstand. Im Vorfeld des aktuellen Parteitags hat Wüst dem amtierenden Bundesvorsitzenden auch die volle Unterstützung vonseiten seines Landesverbandes in Aussicht gestellt.

Günther: „CDU gewinnt keine enttäuschten Grünen-Wähler zurück“

Allerdings gibt es mittlerweile bereits anderweitige Misstöne. Diese gehen von einem anderen CDU-Spitzenpolitiker aus, dessen Namen Merz in seiner Schimpfkanonade von Juli 2023 ebenfalls in den Mund genommen haben soll. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hatte Altkanzlerin Angela Merkel, die selbst den Parteitag nicht besuchen wird, attestiert, diese würde „der Politik fehlen“. Gegenüber der „Funke Mediengruppe“ äußerte er:

„Wir sollten sämtliche Wählerinnen und Wähler, die wir unter Angela Merkel angesprochen haben, an uns binden. Angela Merkels Kurs der Mitte war ihr Erfolgsrezept.“

Günther führte weiter aus, es gebe insbesondere enttäuschte Grünen-Wähler, die man zurückgewinnen könne, aber mit dem derzeitigen Kurs nicht erreiche. Inwieweit er mit seiner Diagnose richtig liegt, ist ungewiss. Die Grünen liegen laut einer aktuellen INSA-Umfrage nur noch bei 12 Prozent, was gegenüber der Bundestagswahl 2021 ein Minus von 2,8 Prozent bedeuten würde.

Vieles spricht dafür, dass die Union diese Stimmen bereits zurückgewonnen haben könnte. Grünen-Wähler neigen nicht zur Wahlenthaltung. Zur Linkspartei sind sie offenbar kaum gewandert, da diese nur noch auf vier Prozent kommt und selbst gegenüber 2021 verlieren würde. Auch SPD und FDP sind deutlich schwächer als 2021.

Die Ministerpräsidenten Daniel Günther und Hendrik Wüst tauschen sich während des 36. Bundesparteitags der CDU in Berlin aus, 6. Mai 2024. Foto: Tobias Schwarz/AFP via Getty Images

JU geht auf Distanz zu Merkel-Nostalgie

Dass frühere Grünen-Wähler zur AfD (derzeit 18 Prozent; plus 7,7) oder zum BSW (aus dem Stand sieben Prozent) abwandern, dürfte erfahrungsgemäß der Ausnahmefall sein. Die Union würde derzeit auf 30 Prozent kommen – das wäre ein Plus von 5,9 Punkten gegenüber der Bundestagswahl, aber eben auch nicht mehr. Außerdem sind die persönlichen Sympathiewerte für Merz stabil durchwachsen.

Die Junge Union (JU) nimmt Günther seine Merkel-Nostalgie überaus übel. In einem offenen Brief fragt ihr Chef Johannes Winkel diesen: „In welcher Partei bist du Mitglied?“ Anschließend belehrt sie ihn darüber, dass die Union „Angela Merkel viel zu verdanken“ habe. Dies gelte jedoch auch in der Gegenrichtung:

„Die Partei hat ihr eine politische Weltkarriere eröffnet und immer wieder ermöglicht. Dass sie sich nun derart von der Partei abwendet, ist enttäuschend. Viele empfinden dies als respektlos.“

Winkel eröffnete Günther zudem, dieser wäre ihm nicht aufgefallen als „Politiker […], der rückwärtsgewandt denkt und im Gestern lebt“. Merz selbst erklärte, „über jeden Wortbeitrag und über jeden Beitrag in der Partei dankbar“ zu sein, der dem Ziel der Rückgewinnung von Wählern diene. Auch Generalsekretär Linnemann bezeichnete Günthers Thesen als „völlig legitim“ und er wolle auf dem Parteitag „darüber reden“.

Mohring zieht sich widerwillig aus dem Vorstand zurück

Die Union scheint sich auch im Vorfeld darum bemüht zu haben, Kampfkandidaturen als Zeichen von Uneinigkeit und Flügelkämpfen zu vermeiden. Ein Opfer dieser Praxis wurde Thüringens früherer CDU-Chef Mike Mohring. Wie der „Stern“ berichtet, hat dieser sich unfreiwillig dazu bereit erklärt, seinen Bundesvorstandsposten zugunsten von Amtsnachfolger und Landtagsspitzenkandidat Mario Voigt zu räumen.

Er wolle, so seine Erklärung, nicht gegen dessen ausdrücklichen Wunsch erneut kandidieren, „um niemanden im Wahljahr zu beschädigen“. Für die Zukunft wollte er eine Rückkehr jedoch nicht ausschließen.

Im neuen Grundsatzprogramm soll unter anderem die „Leitkultur“-Forderung ein Comeback feiern, die Merz bereits in den 2000er-Jahren eingefordert hatte. Auch will der Parteichef ein Bekenntnis gegen den „politischen Islam“, das sich darin findet, verankert sehen. Nach Kritik aus Verbänden an einer ursprünglichen Formulierung, die als pauschalisierende Aussage über den Islam als Religion gedeutet hätte werden können, wurde die Terminologie leicht abgewandelt. Unter Angela Merkel hatten zahlreiche ursprünglich der SPD zugeneigte muslimische Einwanderer der CDU ihre Stimme gegeben.

Linnemann: „CDU hätte nie mit diesen Grünen koaliert“

Die JU will auch ein Bekenntnis zur Schuldenbremse und zur Wehrpflicht auf dem Parteitag durchsetzen. Hinsichtlich der Schuldenregeln hatten sich jedoch bereits im Vorfeld einige Ministerpräsidenten der Union für eine Reform ausgesprochen. Die Wehrpflicht hatte die Union selbst in ihrer Zeit an der Regierung abgeschafft. Es gilt als ungewiss, ob in Zeiten steigender Kriegsangst die Forderung der CDU im Wahlkampf helfen würde.

Unterdessen ist auch Generalsekretär Linnemann auf Distanz zu den Grünen gegangen. Gegenüber „Bild am Sonntag“ äußerte er im Sinne seines Parteichefs, man müsse theoretisch auch mit ihnen Gespräche führen. Allerdings machte er auch deutlich:

„Mit diesen Grünen hätte es nie einen Koalitionsvertrag mit der CDU gegeben. Sie verunsichern einfach das komplette Land.“

Während sich auch die CSU derzeit klar gegen eine grüne Option positioniert, nennt NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) sein Land als „ein Beispiel dafür, dass es funktioniert“. Dort befindet sich die CDU in einer Koalition mit den Grünen. Bezüglich der Situation in Ostdeutschland hat Ministerpräsident Günther angeregt, den Abgrenzungsbeschluss gegenüber der Linkspartei zu modifizieren.

Priester auf Distanz – Wagenknecht warnt vor Schwarz-Grün

Teile der Kirchen sind unterdessen auf Distanz zum geplanten neuen Grundsatzprogramm der CDU gegangen. Unter anderem haben am frühen Morgen mehr als 700 Priester und Theologen eine Botschaft auf das Tagungshotel des Parteitags projiziert. Darin werfen sie der Union vor, unter anderem mit ihrem Bekenntnis zu einer Drittstaatenregelung im Bereich Asyl humanitäre Verpflichtungen zu negieren.

Während die stellvertretende Bundesvorsitzende Karin Prien eine Zusammenarbeit mit dem BSW in den ostdeutschen Bundesländern nicht ausschließen will, geht dessen Gründerin Sahra Wagenknecht auf Distanz. Merz, so Wagenknecht gegenüber „Pioneer One“, zeige, dass es „noch schlimmer geht als die Ampel“. Der CDU sei bezüglich ihrer Position zu den Grünen nicht zu trauen:

„Die heutige CDU, egal, wer Kanzlerkandidat wird, wird mit den Grünen koalieren und ich fürchte, das wird fast noch schlimmer als die Ampel. Das ist dann grüne Gängelungswut plus Taurus-Lieferung. Da ist dann alles drin, was man eigentlich nicht haben will.“



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