Eine „Vernunftehe“: Schwarz-rote Landesregierung in Berlin

Auch die CDU stimmt für eine Koalition mit der SPD in Berlin. Damit stehen alle Zeichen in der Hauptstadt auf Schwarz-Rot. Am Donnerstag soll der neue Regierungschef gewählt werden.
Berlins Rergierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner nach der Vorstellung des ausgehandelten Koalitionsvertrags.
Franziska Giffey (SPD) und CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner nach der Vorstellung des ausgehandelten Koalitionsvertrags von Berlin.Foto: Monika Skolimowska/dpa
Epoch Times24. April 2023

In Berlin hat sich nach der SPD auch die CDU für eine schwarz-rote Regierungskoalition entschieden. Bei einem Landesparteitag votierten die Delegierten einstimmig für den mit der SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag, wie die CDU nach der Abstimmung bekanntgab.

Damit könnte CDU-Landeschef Kai Wegner am Donnerstag im Landesparlament zum Regierenden Bürgermeister gewählt werden. Er wäre der erste Christdemokrat an der Spitze der Stadt seit 2001. Bisher regiert in Berlin ein rot-grün-roter Senat.

Anders als die SPD hatte die CDU nicht öffentlich über das geplante schwarz-rote Bündnis diskutiert. Zwar gibt es in der Hauptstadt-CDU weiterhin Anhänger einer schwarz-grünen Zusammenarbeit – Wegners Kurs hatte jedoch von Anfang die breite Unterstützung der Partei.

Am Mittwoch wollen die Spitzen des neuen Regierungsbündnisses den Koalitionsvertrag unterzeichnen. Am Tag darauf soll Wegner zum neuen Regierungschef gewählt werden und Giffey nach nur anderthalb Jahren in dem Amt ablösen. Giffey soll dann Senatsmitglied in der neuen Regierung werden. Insgesamt wollen beide Parteien gleichberechtigt fünf Senatoren stellen.

Kandidaten für die Ämter

Die Christdemokraten gaben ihre Kandidaten ihm Anschluss an die Abstimmung über den Koalitionsvertrag bekannt. Wegner nannte das Senatsteam in Anlehnung an den Titel des Koalitionsvertrags „das Beste für Berlin“. Dieses sei hochmotiviert und verfüge über viel Expertise. CDU-Generalsekretär Stefan Evers wird Finanzsenator, die Abgeordnete Katharina Günther-Wünsch Bildungssenatorin und der Musikmanager Joa Chialo Kultursenator.

Als Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz ist die stellvertretende Vorsitzende des CDU-Landesverbands und Hauptgeschäftsführerin des regionalen Arbeitgeberverbands Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg, Manja Schreiner, vorgesehen. Der Senatsverwaltung für Justiz soll die bisherige Vizechefin des Bundesverfassungsschutzes, Felor Badenberg, vorstehen.

Auch die Sozialdemokraten gaben am Montag ihr Senatsteam bekannt. Neben Giffey gehört diesem als einzige des scheidenden Senats Iris Spranger an, die Innensenatorin bleibt. Senatorin für Arbeit und Soziales soll die bisherige parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium, Cansel Kiziltepe, werden. Christian Gaebler war bislang Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und soll dieser nun vorstehen. Als Senatorin für Wissenschaft und Gesundheit ist Ina Czyborra, langjährige Abgeordnete im Berliner Landesparlament, vorgesehen.

Knappes SPD-Votum

Die Berliner Sozialdemokraten sind in der Frage eines schwarz-roten Regierungsbündnisses erkennbar gespalten. Beim Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag, dessen Ergebnis am Sonntag bekanntgegeben worden war, gab es eine knappe Mehrheit von 54,3 Prozent für das gemeinsame Regierungsprogramm.

Die SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey ist derzeit noch Regierende Bürgermeisterin. Sie ist bereit, für die Koalition mit Schwarz-Rot ihr Amt aufzugeben, das sie bei einer Fortsetzung des bisherigen Bündnisses aus SPD, Grünen und Linken behalten hätte.

Nun muss sie ihr Büro im Roten Rathaus für Wegner räumen. Ob Wegner bei seiner Wahl am Donnerstag im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses alle Stimmen von CDU und SPD bekommt, gilt als zweifelhaft. Schwarz-Rot steht damit eine erste Belastungsprobe bevor.

Die Christdemokraten gewannen die Wiederholungswahl vom 12. Februar mit 28,2 Prozent deutlich. Die SPD landete mit 18,4 Prozent auf dem zweiten Platz – mit einem Vorsprung von 53 Stimmen vor den Grünen. Die CDU sondierte anschließend mit beiden Parteien und entschied sich dann für Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Bislang regierte in der Hauptstadt eine Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei.

Wegner: „Berlin hat den Wechsel gewählt“

Bereits nach der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl am 12. Februar war Wegner dem Ziel, die über 20-jährige Herrschaft der Berliner SPD zu beenden, so nah wie nie zuvor: Mit 28,2 Prozent gewann seine CDU die Wahl deutlich. Die Sozialdemokraten fuhren hingegen ihr schlechtestes Ergebnis in der Hauptstadt ein. „Berlin hat den Wechsel gewählt“, sagte der CDU-Landeschef bei der Wahlparty seiner Partei.

Im Wahlkampf ließ Wegner an der rot-grün-roten Regierung kein gutes Haar – in Berlin laufe „vieles schlicht und ergreifend nicht“, bekräftigte er stetig. Nach den Silvesterkrawallen in der Hauptstadt zog er zudem mit seiner Forderung, der Senat möge die Vornamen der Tatverdächtigen preisgeben, heftige Kritik auf sich. Der im Stadtteil Spandau Geborene wollte wissen, wie viele der Jugendlichen trotz deutschem Pass einen Migrationshintergrund haben.

Die Grünen von Spitzenkandidatin Bettina Jarasch ging er zudem wegen ihrer Verkehrspolitik hart an. Ein schwarz-grünes Bündnis konnte er sich deshalb „nicht vorstellen“. Mangels Koalitionspartnern wurde Wegner deshalb vor der Wahl als „König ohne Land“ beschrieben.

Nach seinem deutlichen Wahlsieg war vom Ausschluss einer Koalition mit den Grünen keine Rede mehr. Stattdessen erklärte der gelernte Versicherungskaufmann, ergebnisoffen mit der SPD und den Grünen sondieren zu wollen.

Wegner saß über 15 Jahre lang für die CDU im Bundestag, wo er baupolitischer Sprecher der Unionsfraktion war. Zeitgleich arbeitete der Vater dreier Kinder an seinem Aufstieg in der Hauptstadt-CDU. Er war stellvertretender Landesvorsitzender, dann Generalsekretär und wurde 2019 schließlich als Nachfolger der ehemaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters Chef des Berliner Landesverbands.

Nun ist das Rote Rathaus zum Greifen nah. Jeweils drei Sondierungsgespräche mit der SPD und den Grünen führte Wegner nach der Wahl. Eine Präferenz ließ er sich lange nicht entlocken. Doch mit den Sozialdemokraten waren die Gemeinsamkeiten wohl größer, denn allmählich sickerte durch, dass die beiden Parteien miteinander koalieren wollen.

Es folgten dreieinhalbwöchige Koalitionsverhandlungen, die Wegner später als „immer fair, auf Augenhöhe und lösungsorientiert“ beschrieb. Das Ergebnis stellten beide Parteien Anfang April vor – einen 135 Seiten langen Koalitionsvertrag mit dem Titel „Das Beste für Berlin“. CDU und SPD einigten sich auf eine Verkehrspolitik sowohl für Auto- als auch Radfahrer, eine Stärkung von Polizei und Justiz sowie eine umfassende Verwaltungsreform. Die Koalition mit der SPD bezeichnet er als „Vernunftehe“. (dpa/afp/red)



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