„Elefant im Raum“ – Warum das Transparenzgesetz keine Lösung für Krankenhäuser ist

Der Gesundheitsminister wirft den unionsgeführten Ländern vor, dass sie mit der Blockade seiner Krankenhausreform das Krankenhaussterben beschleunigen würden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft sagt, das Gegenteil sei der Fall.
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Immer mehr Krankenhäuser sind von einer Schließung bedroht.Foto: iStock
Von 16. Januar 2024

Der Wirbel um das neue Krankenhaustransparenzgesetz reißt nicht ab. Nach heftigem Widerstand einzelner Bundesländer und der Einschaltung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat stellt sich auch der Dachverband der Krankenhausträger, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), gegen das Gesetz.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat den unionsgeführten Ländern in der vergangenen Woche vorgeworfen, sein Gesetz – und damit zusätzliche Milliardenhilfen für Deutschlands Krankenhäuser – zu blockieren. „Zusätzliche Mittel von sechs bis acht Milliarden Euro stünden den Krankenhäusern zur Verfügung, wenn dieses Gesetz beschlossen würde“, sagte der SPD-Politiker in Berlin. „Wenn wir dieses Gesetz nicht durchgesetzt bekommen, dann ist ein Krankenhaussterben in Deutschland in großen Teilen schwer abwendbar.“

Die DKG weist diese Vorwürfe zurück: „Der Blockadevorwurf von Minister Lauterbach an die Bundesländer mit Blick auf das Transparenzgesetz und die Krankenhausreform ist falsch“, heißt es in einer Pressemitteilung vom 12. Januar. Vielmehr sei die Sorge der unionsgeführten Länder berechtigt, dass mit dem Gesetz keine ausreichenden wirtschaftlichen Hilfen in Aussicht gestellt werden, um das Krankenhaussterben zu stoppen. Und mit dieser Sorge stünden die Bundesländer nicht allein da.

Keine Hilfe für Mehrheit der Krankenhäuser

Eine Umfrage unter den Kliniken im vergangenen Jahr habe laut DKG deutlich gemacht, dass 60 Prozent der Krankenhäuser von diesen Hilfen gar nicht profitieren würden. Lediglich acht Prozent gaben an, dass sich ihr Insolvenzrisiko signifikant reduzieren würde. „Und es ist eben kein einziger zusätzlicher Euro, sondern nur früher ausgezahltes Geld, also eine Verschiebung des Problems auf einen späteren Zeitpunkt“, heißt es von der DKG. Außerdem würden die Gelder bei Weitem nicht ausreichen.

Die Länder fordern einen zusätzlichen Inflationsausgleich für die Jahre 2022 und 2023 und eine baldige Anpassung der Landesbasisfallwerte, insbesondere an die gestiegenen Personalkosten. Der aktuelle Tarifabschluss sieht ab März Steigerungen um durchschnittlich zehn Prozent vor, für die es bislang keinerlei Refinanzierung gibt.

Einführung der Krankenhauslevel „durch die Hintertür“

Auch weitere inhaltliche Kritik der Länder an Teilen des Transparenzgesetzes wird durch die DKG gestützt. Bereits vor über einem Jahr stieß Lauterbachs Ansatz, dass Krankenhäuser sich in drei Level nach ihren Leistungen katalogisieren lassen, auf Kritik. Die starre Einstufung der Krankenhäuser sei vor allem auch deshalb problematisch, weil Ärztenachwuchs sich voraussichtlich für Spezialkliniken entscheiden würde. Krankenhäuser, die nur eine Grundversorgung anbieten, könnten dann vielleicht keine Ärzte mehr finden, so die damalige Sorge des Ärztekammerpräsidenten von Westfalen-Lippe, Johannes Albert Gehle.

Nun wirft die DKG dem Minister vor, mit seinem Gesetz „quasi durch die Hintertür erneut die Krankenhauslevel einführen“ zu wollen, die schon vom Tisch waren. Wenn der Bund gegenüber den Ländern beim Transparenzgesetz nicht zu Kompromissen bereit sei und keine Einigung zustande käme, dürfe das nicht zulasten der Krankenhäuser gehen. Denn klar sei: „Der jetzige Zustand ist auf jeden Fall für die Krankenhäuser nicht haltbar“, so die DKG.

Insoweit sprach sich die Gesellschaft für schnelle Entscheidungen aus, die die Versorgungssicherheit für die Patienten auch in den kommenden Monaten gewährleisten – gegebenenfalls auch im Rahmen anderer Gesetzgebungsvorhaben.

Bündnis warnt vor weiterem „Kahlschlag“ von Krankenhäusern

Seit Februar 2020 wurden in Deutschland mindestens 66 Krankenhäuser geschlossen. Das geht aus einer Präsentation des Bündnisses Klinikrettung, einer Initiative des Vereins Gemeingut in BürgerInnenhand, vom 18. Dezember hervor. Allein im vergangenen Jahr waren demnach 22 Krankenhäuser mit insgesamt 5.400 Beschäftigten von den Schließungen betroffen.

In den kommenden Jahren wird der Kahlschlag weitergehen“, befürchtet das Bündnis.

In vielen Landkreisen hätten Politiker Krankenhausschließungen schon beschlossen oder würden diese zumindest diskutieren. Dies passiere häufig auf Anraten von Geschäftsführungen oder privaten Beratungsfirmen. „Fast 100 Krankenhäuser sind so ab 2024 von der Schließung bedroht“, warnt das Bündnis. Betroffen seien besonders Kliniken in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz.

„Elefant im Raum“

Eine Krankenhausreform sei dringend notwendig, aber dazu müsse sich eine grundlegende Sache ändern:

Damit diese die aktuellen Missstände behebt, muss jedoch der Elefant im Raum benannt werden: Krankenhauskonzerne machen Milliardengewinne mit dem Betrieb von Krankenhäusern, während die Grundversorgung seit Jahren zusammengespart wird“, schreibt das Bündnis.

Aus diesem Grund müsse eine Krankenhausreform ein Renditeverbot enthalten. Das Bündnis spricht sich für ein Finanzierungsmodell aus, wonach eine Bezahlung bedarfsgerechter medizinischer Versorgung sichergestellt und die Verwendung von Krankenkassenbeiträgen für Konzerngewinne beendet wird. Es benötige auch eine sofortige Finanzhilfe für von der Schließung bedrohte Krankenhäuser. Private und gemeinnützige Krankenhäuser, welche diese in Anspruch nehmen, sollen nach Ansicht des Bündnisses rekommunalisiert werden. Außerdem müssten die fehlenden Investitionen der vergangenen Jahrzehnte und die Kostensteigerungen sofort ausgeglichen werden, um die Pleitewelle der Krankenhäuser zu stoppen.

Mit der Einführung der Selbstkostendeckung und dem Wegfall der Bürokratie, die derzeit mit der pauschalisierten Abrechnung einhergeht, würden über 160.000 klinische Mitarbeiter, genauer gesagt mehr als 123.000 Vollzeitkräfte, für die Patientenversorgung freigestellt werden.

Das Bündnis setzt sich für stationäre und Notfallversorgungen ein, die binnen 30 Minuten für jeden Einwohner bundesweit erreichbar sind. „Die Heilung der Patienten, nicht der Ertrag einer Behandlung, muss den Vorrang bekommen“, heißt es in den Forderungen.

Vermittlungsausschuss eingeschaltet

Das Krankenhaustransparenzgesetz wurde am 19. Oktober 2023 im Bundestag von den Stimmen der Ampelfraktionen verabschiedet. Bei der Debatte am 24. November im Bundesrat regte sich dann heftiger Widerstand. Gleich mehrere Länder kritisierten, dass der Bund mit dem Gesetz in ihre Entscheidungshoheit eingreife. Denn für die Krankenhausplanung sind die Länder zuständig. Nun wurde ein Vermittlungsverfahren eingeleitet, doch wann der Vermittlungsausschuss dieses Thema behandeln wird, steht bislang nicht fest.

Kern des Gesetzes ist der Aufbau eines „Transparenzverzeichnisses“: Patientinnen und Patienten sollen online Auskunft darüber bekommen, wie viel Erfahrung eine Klinik bei bestimmten Leistungen hat, wie der Personalschlüssel etwa bei Fachärzten und wie hoch die Komplikationsrate ist. Das Gesetz soll die geplante große Reform zur Vergütung der Kliniken begleiten.



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